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      Alida Leimbach

      Tod unterm Nierentisch

      Kriminalroman

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      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Katja Ernst

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © mauritius images / imageBROKER; Zeitschalter gGmbH / Umspannwerk Recklinghausen – Museum Strom und Leben, Recklinghausen

      ISBN 978-3-8392-6804-9

      1. Kapitel

      Donnerstag, 17.06.1954

      Otto Korittke stellte seinen kleinen Koffer neben dem Garderobenständer ab. Er schnupperte die wohlbekannten, aber längst vergessenen Düfte nach Haarspray, Shampoo, Bartwachs und Rasierwasser. Noch ein weiterer Geruch mischte sich hinein, den er aus besseren Zeiten kannte und der ihn an seinen Großvater erinnerte: Es roch würzig-herb und sehr aromatisch nach Zigarre.

      Fein war der Salon, eine andere, fremd gewordene Welt. Wie lange mochte es her sein? Jahre? Jahrzehnte? Ihm war der Bezug zu einem normalen Leben völlig abhandengekommen.

      »Augenblick, ich bin gleich bei Ihnen«, rief der Friseur aus dem hinteren Teil des Salons.

      »Keine Eile«, winkte Korittke ab.

      Im Radio lief ein Schlager. »Es liegt was in der Luft«, sangen eine Frau und ein Mann im Duett. Leise summte er mit.

      Vor der Kassentheke wies ein Reklame-Aufsteller in verschnörkelter Schrift auf das Angebot des Salons hin:

      Schmalstiegs Haarpflege, erstes Spezialgeschäft für moderne Frisuren und Schönheitspflege

      Haarschnitt für Damen, Herren und Kinder, elektrische Gesichtsmassage, Kopfmassage gegen Haarausfall und Schuppen, Shampooing, Haartinkturen, elektrische Trockenhaube, Ondulation. Eigene Anfertigung aller vorkommenden Haararbeiten wie Perücken, Toupets, Zöpfe, Locken. Reiche Auswahl in echt und imitiert an Schildpatt-Haarschmuck, Haarbürsten, Zahnbürsten, Parfüm, Seifen, Schminken, Puder und sonstigen Toilettenartikeln.

      Hinter der Kasse hing eine gerahmte Fotografie eines schönen, aber kühl wirkenden Mannequins. Eine Weile stand er davor und versuchte, seine Lieselotte in dem Bild wiederzuerkennen.

      Er fragte sich, wie Schmalstieg so schnell zu Geld gekommen war, dass er sich einen eigenen Salon leisten konnte. Lange war das mit der Währungsreform noch nicht her. Überhaupt war es erstaunlich, wie viele neue Geschäfte es plötzlich in Osnabrück gab. Sie alle waren prallgefüllt mit Waren. In den Schaufenstern präsentierte sich eine wahre Luxuswunderwelt, als hätte es den Krieg und die mageren Jahre danach nie gegeben.

      »Momentchen noch«, rief wieder der Friseur. »Legen Sie schon mal ab und machen Sie es sich bequem!«

      Leise pfeifend, um seine Nervosität zu überspielen, sah sich der Kunde nun genauer um. Auf einem nierenförmigen Tisch waren in fächerförmiger Anordnung Illustrierte ausgebreitet. Otto Korittke kannte die Zeitschriften alle nicht. Er kam sich vor wie ein Kind, das die Welt entdeckte.

      »Quick« entzifferte er, »Bunte«, »Gong« und »Er – die Zeitschrift für den Herrn«. Das Männermagazin zeigte auf dem Titelblatt eine hübsche Dame, nur mit einem Handtuch bekleidet, die sich in den Dünen eines weißen Sandstrands sonnte. Wie schön müsste es sein, einmal das Meer zu sehen, einen Sonnenuntergang auf der Promenade zu erleben, mit Lieselotte an seiner Seite.

      Der Friseur kam auf ihn zu – ein großgewachsener, breitschultriger Mann in einem weißen Kittel. Er sah erstaunlich gut aus, viel besser, als Korittke erwartet hatte.

      »Sie wünschen?«, fragte er mit einem professionellen Lächeln, das jedoch sogleich einfror, als er das schmuddelige Erscheinungsbild seines Kunden bemerkte.

      Otto Korittke musste wegen des Größenunterschiedes zu ihm aufblicken. »Tja«, begann er zaghaft lächelnd und gab sich Mühe, seine Unsicherheit zu überspielen. »Da bin ich nun also.«

      Der Friseur musterte ihn von oben bis unten. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er mit frostiger Stimme. Offensichtlich hielt er ihn für einen Bettler oder Hausierer.

      »Ich möchte … ich würde gern …«, stammelte Korittke und drehte seine Kappe in den Händen.

      »Nur damit Sie es wissen: Schmalstieg ist mein Name. Ich bin hier der Chef, kann Ihnen aber keinen Rabatt einräumen, sosehr ich es auch bedaure. Hundert Meter weiter, am Ende der Johannisstraße, bekommen Sie einen Haarschnitt zu einem günstigeren Preis. Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben. Schönen Tag noch, der Herr!«

      »Ondulation«, sagte Korittke schnell, »ich hätte gerne eine Ondulation. Wird doch bei Ihnen gemacht?« Er deutete mit dem Kopf zum Reklameaufsteller. »Zumindest steht es da!«

      Schmalstiegs Augen verengten sich. »Eine Ondulation ist die chemische Einbringung von Locken ins Haar, auch Dauerwelle genannt, und leider nur für das Frauenhaar vorgesehen.«

      Korittke lächelte spröde, nahm auf dem mittleren Stuhl im Männerbereich Platz und angelte sich den Zeitungshalter mit der aktuellen Tagespost. »Bedienen Sie ruhig Ihren Kunden weiter, ich habe Zeit«, sagte er, ohne den Blick vom Blatt zu nehmen. »Viel zu viel Zeit, um genau zu sein, aber das interessiert Sie sicher nicht.«

      Der Friseur seufzte übertrieben. »Es kommt gleich je­mand.« Im Stechschritt durchquerte er den Damensalon und verschwand hinter einem dicken grünen Vorhang. Dort läutete er mit einer Glocke und rief: »Kundschaft!«

      Korittke schlug die Zeitung auf. Das Bild der deutschen Fußballmannschaft, die am Abend spielen sollte, fiel ihm ins Auge. Er hatte die Jungs vorhin schon in einem Schaufenster gesehen. Ein Radiogeschäft warb mit Fernsehgeräten. Sie kosteten ein Vermögen, aber vielleicht wäre es ihm ja möglich, darauf zu sparen. Erst einmal musste er Arbeit finden. Lange hatte er davorgestanden, bis sein Mund trocken wurde und er beschloss, in ein Wirtshaus zu gehen. Dort hatte er sich mit Bier und Korn etwas Mut angetrunken und von seinem Begrüßungsgeld ein kleines Schnitzel bestellt. Nach wenigen Bissen war er satt gewesen, sein Magen war so klein geworden.

      Als er einen Schatten vor sich bemerkte, blickte er auf.

      »Hoffentlich mussten Sie nicht so lange warten!«, sagte eine nette Frauenstimme.

      Vor ihm stand eine Angestellte, etwa

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