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sah er relativ abgemagert aus und das penetrante Siegerlächeln war auf diesem Foto nicht vorhanden. Das sollte sich schnell ändern. Der junge Star zog sich für zwei Wochen auf den Hof seiner Eltern zurück. Währenddessen gab er »Monaco TV« kurze Exklusivinterviews. Deutschland konnte daran teilhaben, wie Robert langsam wieder »beautiful« wurde.

      Nach 14 Tagen folgte ein ausführliches Gespräch mit »Monaco TV« und die Presse jubelte: »Robert ist zurück.« Weiterhin verging kein Tag ohne Fotos von Robert Adelhofer in den Zeitungen, meist in Begleitung ständig wechselnder Frauen.

      Wie gut, dass es ihn nur einen Finger gekostet hat, dachte Katharina entnervt, während sie sich durch den Wust von Artikeln wühlte, die spannende Themen behandelten wie Roberts Lieblings-Schweinsbraten-Rezept und Roberts Meinung zur Potenzpille Viagra.

      Weil Adelhofer sich so gut vermarkten ließ, wurde ihm von »Monaco TV« schnell eine eigene Fernsehshow angeboten. »Krise« hatte von Anfang an top Einschaltquoten und Deutschland diskutierte eine Woche lang über die Frage, ob das für die Sendung gewählte Logo geschmacklos oder progressiv war: Robert Adelhofers Gesicht groß im Hintergrund und vorne Roberts linke Hand, deren Zeige- und Ringfinger das Victoryzeichen formten. Dazwischen deutlich zu sehen: die Narbe des fehlenden Mittelfingers. Und drunter der Slogan: »Krise überleben – bei Robert reden.« Das Konzept der nachmittäglichen Talkshow bestand darin, dass Adelhofer Menschen zu Gast hatte, die entweder in einer Krise steckten oder diese bewältigt hatten. Bei den Gesprächen mit seinen Gästen weinte er gerne auch mal, wenn sich die Gelegenheit bot.

      Mit Grausen dachte Katharina an die Sendung zurück, die sie sich einmal angeschaut hatte: Adelhofer hatte eine Frau zu Gast gehabt, deren achtjähriges Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war und die in den Jahren danach drei Totgeburten erlitten hatte. Nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, überlebte sie nur mit starken Beruhigungsmitteln und weiteren Psychopharmaka. Adelhofer schaffte es, dass die Frau ihre Gefühle vor dem Fernsehpublikum ausbreitete, und fing schließlich mit den Worten »ich spüre ganz intensiv, wie Sie sich fühlen, das tut weh, so unendlich weh« selbst an zu weinen.

      Katharina hatte damals angewidert aus- und nie wieder eingeschaltet.

      Aber »Krise« lief inzwischen fast vier Jahre höchst erfolgreich und Deutschland teilte sich in zwei Lager: Robert-Adelhofer-Fans und Robert-Adelhofer-Hasser. Der Sender hatte erreicht, was er wollte. Den 29-jährigen Adelhofer kannten inzwischen 80 Prozent der Deutschen zwischen 10 und 70 Jahren. Und das, obwohl die Sendung nur einmal in der Woche lief, mittwochs von 14 bis 16 Uhr.

      Die Quoten hatten sich an diesem Tag derart vervielfacht, dass der Sender »Krise« am liebsten täglich ausgestrahlt hätte. Robert hatte abgewunken.

      Clever. Er verbrauchte sich nicht so schnell, dachte Katharina.

      Und jetzt die Biografie. Von jeder zweiten Litfaßsäule grinste derzeit Robert Adelhofer und streckte seine verstümmelte Hand ins Bild. Die erste Auflage war schon vor dem Erscheinen ausverkauft, der Verlag kam mit dem Nachdruck kaum hinterher. Das musste als Adelhofer-Background-Wissen reichen, beschloss Katharina und packte ihre Sachen zusammen.

      Als sie gerade zur Tür raus wollte, klingelte das Telefon, Birgit:

      »Kommst du zum Klamottenwechsel? Ich habe außerdem noch eine nette Randinfo gefunden.«

      »Ich war sowieso gerade auf dem Weg zu dir runter.« Katharina überlegte, welche Quelle ihre Freundin angezapft hatte. Birgit hackte sich gern in verschlüsselte Dateien von Polizei oder Staatsanwaltschaft und gab die Infos mit Unschuldsmiene an Katharina weiter. Während sie sich im Archiv in eine braune Seidenbluse und den besagten beigefarbenen Blazer warf und von Birgit durch zustimmendes Nicken das Okay für dieses Outfit bekam, berichtete die Archivarin:

      »Im Stehsatz der ›Abendausgabe‹ gibt’s einen Artikel, bisher noch nicht erschienen. Lukas Adelhofer soll völlig abgestürzt sein, alkoholabhängig, arbeitslos, hat wohl erfolglos versucht, in Rosenheim Immobilien zu verkaufen, und vegetiert auf dem Hof seiner Eltern vor sich hin, nimmt Antidepressiva und ist ziemlich am Ende.«

      »Ehrlich gesagt, Birgit, finde ich die Tatsache, dass du dich in die Datenbank der ›Abendausgabe‹ eingehackt hast, genauso interessant wie den abgestürzten Lukas, danke für beides!«

      Birgit lächelte geschmeichelt. »Dafür besorgst du mir ein Autogramm von beautiful Robert, okay?«

      Katharina hatte sich inzwischen ihrer Sneakers entledigt und braune Wildledermokassins angezogen – dazu Daumen hoch von Birgit. Als sie auf ihre Bitte nicht reagierte, setzte Birgit nach:

      »Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dir zu sagen, ich brauche das Autogramm für meine Nichte, aber ich will es für mich, ich schau ›Krise‹ immer. Man kann so schön mitweinen. Und der Adelhofer ist halt ein Sahneschnittchen.« Birgits hellblaue Augendeckel klapperten verlegen auf und ab. Ihr Gesäß rutschte nervös auf dem Bürostuhl hin und her.

      »Zum Beispiel neulich diese Frau, die mit zusammengewachsenen Vierlingen schwanger war, die sie hat abtreiben lassen, das war unglaublich, wie cool die das weggesteckt hat. Cooler als ich vor dem Fernseher.«

      Katharina grinste. »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«

      Dienstagmittag,

      Breitbrunn am Chiemsee

      Das Telefonklingeln hallte durchs ganze Erdgeschoss des Adelhoferschen Bauernhofes und versetzte Rosa Adelhofer in Panik. Seit Roberts Verschwinden in seinem »Bergwinter«, wie der Bub diesen Wahnsinn genannt hatte, kam das Herzrasen bei Rosa immer, wenn sie das Telefon hörte. Gehetzt eilte die stämmige Frau aus der Küche in den Gang, um den Hörer des altmodischen Wählscheibentelefons abzunehmen. Gegen ein tragbares Gerät, das Robert ihr seit Langem schenken wollte, hatte sie sich bisher erfolgreich gewehrt. Sie wollte so wenig wie möglich mit diesem Apparat zu tun und ihn nicht ständig in Reichweite haben. »Adelhofer«, meldete sie sich mit unsicherer Stimme und lauschte in den Hörer, um möglichst schnell zu erahnen, wer dran sein könnte.

      »Hallo, Mama, ich bin’s, der Robert.«

      »Ah, Robert, Gott sei Dank. Geht’s dir gut, Bub?« Das war seit der Rückkehr ihres Sohnes aus den Bergen jedes Mal ihre erste Frage und Robert reagierte darauf zunehmend ungeduldig: »Bestens, sag mal, der Lukas ist noch nicht da. Weißt du, wann er losgfahren is’?«

      Wenn Robert Adelhofer mit seinen Eltern sprach, verfiel er sofort in seinen Heimatdialekt. Dabei hatte er sich den am Anfang seiner Karriere als Fernsehstar hartnäckig abtrainiert. Nur ein leichter bayerischer Einschlag durfte es sein, den liebte die Zielgruppe. Das hatte die Medienforschung von »Monaco TV« herausgefunden.

      »Mei, Robert, du weißt es eh, dass ich den Lukas fast nie mehr seh. Der kommt aus seiner Wohnung kaum raus und bei uns schaut er sowieso ned rein. Beim Bettenmachen hab ich eben ausm Fenster gschaut und sei Auto steht ned aufm Hof. Also müsst’ er gfahren sein. Hoffentlich ist ihm nix passiert, meinst, ich sollt’ bei der Polizei anrufen?«

      »Na, wart ma noch a bissl, wahrscheinlich hängt er in irgendeiner Kneipn rum, der wird schon noch kommen. Dankschön Mama. Ich komm die Woch’ raus und bring genug Bücher mit, damits die bei den Führungen verkaufen könnts.«

      »Is’ recht, Bub, weißt es ja, dass des der Papa macht, ich kann’s ned. Wenn’s halt bloß ned jede Woch glei’ so viel Leut’ wärn, des is’ so ein Lärm, ich mag’s halt gar ned. Aber ich weiß ja, dass es wichtig für dich is’.«

      An die wöchentlichen Führungen auf dem Adelhofer-Hof hatte sich Rosa nicht gewöhnt. Wildfremde Menschen besichtigten ihre persönlichen Räume, das Schlafzimmer, in dem sie seit mehr als 40 Jahren schlief und in dem sie ihre beiden Söhne auf die Welt gebracht hatte, die ehemaligen Kinderzimmer von Robert und Lukas, ihre Küche, ihr Wohnzimmer, einfach alles. Robert hatte das nach seinem Bergwinter vorgeschlagen. Und mit der Landwirtschaft auf dem Adelhofer-Hof ging sowieso nichts mehr. Die alten Adelhofers konnten das Geld gut gebrauchen – wobei die Einnahmen Robert bekam und ihnen jeden Monat etwas gab – wie viel, das wusste Rosa Adelhofer nicht. Wie in einem Museum wurden jedenfalls einmal die Woche Schilder

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