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drüber nach. Nächste Woche geht es nämlich nicht, da bin ich montags beim Hautkrebsscreening, Mittwoch beim Osteopathen und irgendwann muss ich mich um meine Klienten kümmern.«

      »Klar, Oliver, verstehe ich. Sag mal, was würdest du von einem richtig schönen Ausflug am Samstag halten? Svenja, du und ich? Es ist ewig her, dass wir das zuletzt gemacht haben. Vorschlag: Wir fahren mit meinem Auto an den Chiemsee, Fraueninsel fände ich zum Beispiel toll. Wir gehen baden, lecker essen und abends zurück. Hast du Lust?«

      »Hm, gute Idee, Chiemsee, Dampferfahrt auf die Fraueninsel, Schweinsbraten im Biergarten, danach Apfelstrudel …«

      Katharinas Plan schien aufzugehen. Frauenchiemsee war Olivers zweite Heimat. Vielleicht würden sie ihm irgendwann ein ambulantes OP-Zentrum dort einrichten, dachte sie und sagte: »Spitze, ich freu mich.«

      »Katharina?«

      »Ja?« Katharina versuchte unbedarft und entspannt zu klingen, voller Vorfreude auf den samstäglichen Ausflug.

      »Wie lange kennen wir uns?«

      »Unser Kennenlerntag war der 15. September, erster Schultag Grundschule. Also vor Ewigkeiten. Du mit deiner weiß-blau rautierten Schultüte neben mir in der Bank, wie könnte ich es vergessen.«

      Kein Kichern am anderen Ende der Leitung, stattdessen: »Findest du nicht, dass es an der Zeit wäre, mir gleich reinen Wein einzuschenken, wenn ich auf Svenja aufpassen soll?«

      Katharina spürte, wie sie rot wurde. Ertappt. Er hatte recht. »Weißt du, du musst es mir überhaupt nicht schmackhaft machen, mit Svenja Zeit zu verbringen, weil ich sie liebe wie meine Tochter. Und ich helfe dir auch gerne. Sei in Zukunft einfach ehrlich.«

      Oliver sprach so ernst, dass sich in Katharinas Hals ein riesiger Kloß bildete. »Oliver, es tut mir leid. Das ist lieb von dir. Woher weißt du …«

      »Dass du auf Adelhofers Beerdigung musst? Das habe ich mir gedacht. Richtig getippt?«

      »Ja«, kam es kleinlaut von Katharina.

      »Na, wunderbar. Wir fahren zu dritt an den Chiemsee, du gehst zwischendrin jemanden unter die Erde bringen. Solange ich nicht mit muss, alles gut. Vielleicht bin ich sowieso der Nächste, zu dessen Beerdigung du gehst. Während wir telefonieren, habe ich einen Druck in der Brustgegend.«

      »Olli, wann warst du im Fitnessstudio diese Woche?«

      »Vorgestern.«

      »Und: Seilzug? Mit mehr Gewicht, als dir guttut?«

      »Hm, sonst verliere ich kein Gramm Fett.« Jetzt war er der Kleinlaute.

      »Du hast Muskelkater, Oliver Arends, nicht die Vorboten eines Herzinfarkts.«

      Erleichterung am anderen Ende: »Stimmt, du hast recht – Besuch beim Kardiologen gespart. Sofern die Untersuchungsergebnisse morgen mich nicht zu einer sofortigen OP zwingen, könnt ihr mich am Samstag um 9 Uhr abholen. Ich muss auflegen. Meine neue Klientin wartet.«

      »Danke, Oliver.« Katharina schmatzte einen Kuss durch den Hörer und legte lächelnd auf. Vor einiger Zeit hatte Oliver einen Freispruch für einen jungen Mann aus dem Rockermilieu erwirkt. Dessen Kumpels wollten ihm einen Mord anhängen, den sie in Wahrheit gemeinschaftlich selbst begangen hatten. Seitdem wurde Oliver von Anfragen aus dem »anderen« Milieu Münchens regelrecht überschüttet. Aktuell verteidigte er eine junge Prostituierte, die ihrem Kunden den Penis abgeschnitten hatte – weil er sie vorher mehrfach brutal geschlagen und misshandelt hatte. Bei der letzten Attacke war sie vorbereitet und im Besitz eines Messers gewesen.

      Vielleicht kamen daher Olivers hypochondrische Schübe, überlegte Katharina. Bisher war zwar nichts passiert, aber die Gegenseite seiner Klienten verhielt sich vermutlich wenig zimperlich. Andererseits war Oliver schon als Kind ängstlich gewesen, in seinem Job dagegen extrem cool.

      Darüber musste sie irgendwann in Ruhe nachdenken. Jetzt war Adelhofer dran. Katharina verbrachte den restlichen Tag damit, wie mit RG besprochen, den ersten Artikel über Adelhofer für die morgige Ausgabe von »Fakten« zu schreiben. Hauptinhalt: ihr exklusives Treffen mit dem Fernsehstar nach der Pressekonferenz und das abrupte Ende, weil er zu seinem toten Bruder musste. Damit würde sie die weiblichen Adelhofer-Fans für die Serie interessieren. Exklusive Gespräche mit ihrem Helden würden sie vermutlich auch gern führen. Sie kündigte weitere Hintergrundinformationen für die nächsten Folgen an und hoffte, dass sie die bekommen würde.

      Donnerstagvormittag,

      »Monaco TV«, München

      »Richtig, die Leiche ist freigegeben … Sie dürfen fotografieren … Nein, während der Trauerrede nicht … Nein, die Gesichter der Eltern nicht groß. So viel Respekt werden sogar Sie aufbringen können, Herr Riebelgeber. Halten Sie sich an Robert, der ist das gewöhnt … Ja, der Pfarrer hat sich mit dem Begräbnis einverstanden erklärt. Nein, der Selbstmord steht dem nicht entgegen. 11 Uhr am Samstag, alles klar … ›Ich freue mich‹ finde ich unpassend, Herr Riebelgeber … Ob die Lesereise stattfindet, kann ich Ihnen derzeit noch nicht sagen. Wiederhören.« Entnervt knallte Achim Wedel den Hörer auf und reckte Robert Adelhofer das Victoryzeichen entgegen. »Geschafft, sie werden alle kommen. Die ›Abendausgabe‹, der ›Münchner Tageskurier‹, die ›Post der Frau‹, ›Szene‹, sogar die Tussi von ›Fakten‹.«

      »Und wer wird mir den Tipp mit der Sendung geben?« Robert Adelhofer fläzte in dem roten Ledersessel, den ihm die Mitarbeiter seiner Produktionsfirma zur 200. Sendung geschenkt hatten. Ihm gegenüber saß Wedel an Roberts riesigem Schreibtisch und bewachte Telefon und iPhone. Robert war »in Trauer«, er konnte keinerlei Anrufe persönlich entgegennehmen.

      Wedel grinste breit. »Das mache ich mit der Tränendrüsentante von ›Szene‹. Die weiß Bescheid. Sie wird dich am Samstag nach der Beisetzung darauf ansprechen. Dann sind alle Mikrofone und Kameras an. Schließlich wollen die Leute Roberts Tränen haben.«

      »Gut, und wann senden wir?«

      »Nächste Woche, schließlich trauern wir weiter, nur halt im Fernsehen.« Wedel senkte seine Stimme und fragte betont einfühlsam: »Schaffst du das, Robert? Oder brauchst du noch mehr Zeit?«

      Adelhofer zeigte ihm einen Stinkefinger und Wedel grinste.

      »Wie sieht unser Zeitplan nach der Beerdigung aus? Ich sollte noch exklusiv mit der Langenfels reden, das ist Publicity für eine neue Klientel, Besseres kann mir nicht passieren.«

      »Du sagst deinen Eltern, dass sie eine große, schöne Geschichte über euch zwei Brüder machen will und dass du deshalb nach der Beerdigung noch eine Stunde Zeit brauchst. Danach trinkst du mit Mama und Papa einen Kaffee auf den toten Lukas, wir fahren zurück und du bleibst schön unter Verschluss. Zu viel ›Robert nach der Trauerfeier‹-Bilder können wir nicht gebrauchen.«

      »Und die Lesereise?«

      Wedels Grinsen wurde breiter. »Verschoben. Wir verkaufen erst mal deine Biografie und aus Trauer um deinen Bruder entfällt die Lesereise. Die machen wir für die zweite Auflage mit der Aktualisierung zu Lukas’ Tod. Sie werden uns garantiert die Bude einrennen.«

      Adelhofer nickte zustimmend. »Und wer schreibt die Aktualisierung? Ich bin für ein neues Vorwort, exklusiv von mir verfasst.«

      Wedel war begeistert. »Super, Robert, ich sehe, wir verstehen uns.«

      Donnerstagvormittag,

      Redaktion »Fakten«, München

      Als Katharina Adelhofers Nummer auf ihrem Display sah, beschloss sie, erst abzuwarten, und hörte sich die Nachricht auf ihrer Mailbox an:

      »Guten Tag, Frau Langenfels, Achim Wedel hier von Herrn Adelhofers Management. Im Auftrag von Herrn Adelhofer, der sich verständlicherweise derzeit außerstande sieht, selbst Termine zu vereinbaren, folgende Anfrage: Es ist von großem Interesse für die gesamte Familie Adelhofer, einem herausragenden Printmedium ein Exklusivinterview zu den traurigen Ereignissen dieser Woche zu geben. Herr Adelhofer würde sich freuen, wenn

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