Скачать книгу

indessen sehr großmütig, und aus Ehrerbietung gegenüber der englischen Regierung verzichtete er auf weitere Hemmnisse. Dies wäre einige Jahre zuvor, als Ägypten noch das glückselige Jagdrevier der westlichen Barbaren war, undenkbar gewesen. Von Said Pascha – einem geistreichen Prinzen, der einen guten Scherz zu schätzen wusste – erzählt man sich, dass er, als ein wohlbekannter »Anspruchsteller« in seiner Gegenwart den Hut zog, ausgerufen haben soll: »Mein Herr, bedecken Sie sich! Wenn Sie sich eine Erkältung holen, verlangen Sie gewiss Schadenersatz von mir.«

      Kurz nach meiner Abreise aus Ägypten erhielt Herr Dixon, von löblicher Wissbegierde getrieben, am 20. Juni 1877 die Erlaubnis, den Sockel des stehenden Obelisken »Kleopatras Nadel« freizulegen. Ihm waren gewisse »eigentümliche Kerben« im Sockel des umgestürzten Pendants sowie mysteriöse Bronzestatuen am antiken Modell im Madrider Museum aufgefallen. Er stellte fest, dass die vier unteren Ecken des Monolithen abgeschlagen worden waren und eine in den Säulenschaft eingelassene Metallstange erkennen ließen, welche ihn mittels bemerkenswert gut gearbeiteter, Krabben darstellender Bronzefüße mit dem Granitsockel verbindet. Ursprünglich waren nur die Tiere sichtbar, und glücklicherweise blieb eines der südlichen erhalten und zeigt zwei bedeutende Inschriften. Diejenige an der Außenseite trägt in gut leserlichen Buchstaben fünf achtel Zoll hoch folgende Inschrift:

      H KAIΣAPOS

      BAPBAPOS ANEΘHKE

      APXITEKTONOΥNTOS

      ΠONTIOY.

      Und auf der richtigen Seite oder der südsüdwestlichen Klaue lesen wir:

      ANNO VIII

      AVGVSTI CAESARIS

      BARBARVS PRAEF

      AEGYPTI POSVIT

      ARCHI TECTAN TE

      PON TIO

      Für diese Informationen und die begleitenden Skizzen habe ich den Herren W. E. Hayns und Willoughby Faulkner zu danken. Sie fügten hinzu, dass alle Füße der erhalten gebliebenen Krabbe verstümmelt worden sind und durch grob behauene Steinbrocken ersetzt wurden, die man mit Lehm und schlechtem Kalk eingepasst hat. Da der Obelisk etwa acht Zoll vom Sockel angehoben worden ist, ruht das ganze Gewicht auf dem Mauerwerk und dem Metallträger; denn die Nadel hat eine »Schräglage« in Richtung Meer nach Nordwesten; die steinernen Stützen sind gesprungen und das ehrwürdige Relikt wird alsbald fallen, wenn nicht umgehend etwas getan wird. Wollen wir hoffen, dass es nicht das Schicksal des alten Orotava-Drachenbaumes auf Teneriffa teilen muss, dessen von ständigem und widerstreitendem Rat gequälter Eigentümer schließlich gar nichts unternahm, um ihn zu retten.

      Herrn Hayns zufolge gab die Mauer in der Nachbarschaft des Obelisken, als sie zerstört wurde, den Abschnitt eines Pfeilers frei, der eine fragmentarische lateinische Inschrift in einer Einfassung enthielt. Sie scheint ebenfalls aus Kaiser Augustus’ Tagen zu datieren und bestätigt so die Inschrift auf der Krabbe. Man liest auf der Spitze EIA, gefolgt von einigen unentzifferbaren Schriftzeichen, und an der Basis AVG LIB.

      Was der Reisende in Alexandria und Kairo sofort bemerkt, ist das Fehlen humanitärer Schutzvereine. Das gemeine Volk ist in der Regel weder wild noch brutal, wie gewiss einige seiner nördlichen Nachbarn es sind, aber die Menschen sind gedankenlos grausam, ähnlich Kindern, die anderen Lebewesen Schmerz zufügen, ohne es zu wissen. Die Mietdroschken und Zugtiere übertreffen jene zu Kairo bei Weitem, und wo die Europäer zahlreich sind, hat sogar der Eseljunge gelernt, dass der Ungläubige stets einen Esel mit möglichst wenig wunden Stellen bevorzugt und ein vierbeiniges einem dreibeinigen Kutschpferd vorzieht. Aber sogar hier müssen wir oft überflüssige Hiebe und Schläge mit ansehen, die jeden empören, der auch nur einen Funken Mitgefühl hat; in der Regel wird hemmungslos von der Peitsche Gebrauch gemacht. Viele, die nicht mit dem Lande vertraut sind – insbesondere Damen –, haben vorgeschlagen, die grausame Behandlung durch gesetzliche Maßnahmen einzudämmen. Seine Hoheit hat Zustimmung zu dem Unterfangen bekundet, und seine Beamten befürworten im Allgemeinen die Schaffung zivilisierter Sitten. Getan worden ist indes nichts. Zweifellos wären folgende Schritte erforderlich: Umlauf einer Petitionsliste, Bemühung um einen Abgeordneten aus London – einen sachkundigen Mann mit Erfahrung, der eine Zeit lang in Ägypten residieren würde – und schließlich Durchsetzung von Anordnungen, wonach die Polizei summarisch alle skandalösen Fälle von Tierquälerei verfolgen und mit Körperstrafen ahnden dürfte, die ihr von tadellos beleumundeten Einwohnern zur Kenntnis gebracht werden.

image

       »Kleopatras Nadel« Obelisk und Krabbe

      Schon bald würde eine solche Schulung eine spürbare Verbesserung im Benehmen eines Volkes bewirken, das so fügsam wie intelligent ist.

      Die Europäer, und besonders die Engländer von Alexandria, sind glücklich, ihren eigenen Bezirk, den »Ramleh« (der Sandhaufen) zu haben. Dies war das alte Juliopolis und Nicopolis, das römische Zeltlager. Heute trennen es nur vier kurze Meilen unbewohnten Gebiets von der Stadt, welche sich früher etwa vier Wegstunden ostwärts bis zum Kap Zephyrion von Aboukir ausdehnte und gut und gern drei Millionen Seelen beherbergte. Eine Eisenbahnlinie, die von morgens früh bis Mitternacht in Betrieb ist, verläuft parallel zu der römischen Streitwagenstraße. Sie durchquert einen Haufen von Ruinen, die jetzt als Steinbrüche dienen, und schlängelt sich durch die Töpferei-Hügel, montes testacei genannt, das Kerámia der Griechen. Wahrscheinlich sind deshalb nur wenige Funde gemacht worden, weil es keine planmäßige Grabung gegeben hat; und das Wenige, was gefunden wird, wird nicht aufbewahrt. So zum Beispiel das kleine dorische Heröon, ein aedicula-in-antis an der Ramleh-Küste, von dessen elf aus dem Sandstein gehauenen und mit dem härtesten Muschelkalk einzementierten Säulen nur drei übrig geblieben sind; die christliche, in der südlichen Flanke des Karmús-Plateaus eingegrabene Begräbniskapelle aus dem 4. Jahrhundert auf der anderen Seite Alexandrias ist vollständig ausgeplündert worden.

      Die Franzosen besetzten »an dem denkwürdigen 1. März 1801« die höchsten Punkte der heutigen Ramleh-Eisenbahnstrecke und begingen den fatalen Fehler, eine beherrschende, durch Geschützbatterien verstärkte Stellung zu räumen, während die Engländer zwischen Casa Grace und der Station auf »Cäsars Zeltlager« ungünstig postiert waren. Die Schlacht wurde auf jenem Streifen lockeren Sandes ausgefochten, der das Meer von dem schönen Seeausläufer Khazrá, einer östlichen Fortsetzung des Máryút-Sees, trennt. Reverend Davis, Kaplan in Alexandria, bestreitet, dass die Engländer hier Meerwasser eingeleitet und das Land ruiniert hätten. Er behauptet, sie hätten lediglich den Süßwasser-Kanal unterbrochen, der die zwei benachbarten Nilarme verbindet; außerdem sei an den tiefsten Stellen des Máryút-Sees, die sich etwa acht Fuß unter dem Niveau des Mittelmeeres befanden, schon immer Sickerwasser eingedrungen. Die militärischen Fehler auf beiden Seiten waren augenscheinlicher als in den meisten Schlachten: Wir hätten starke Verluste vermeiden können, wenn wir am Ausläufer des Sees entlangmarschiert und in die Flanke des Feindes eingeschwenkt wären. Nur wenige wissen, dass Abercrombie zu der kleinen Moschee von Ramleh gebracht wurde, nachdem er seine tödliche Wunde empfangen hatte. Wir können aber kaum erwarten, die bescheidenen Monumente unserer ritterlichen Landsleute dort noch vorzufinden, wo doch selbst das »Soma« Alexanders und das Heiligtum des heiligen Markus vergessen sind: Der Evangelist wurde – wie allgemein bekannt ist – ordentlich in einem Ballen oder einem Fass Schweinefleisch verpackt nach Venedig abtransportiert.

      Der Zug, welcher die Schlachthäuser passiert, wo die Paria-Hunde besonders bei Nacht und am frühem Morgen ihres Lebens nicht sicher sind, hält an einem der Paläste, mit denen Unterägypten dieser Tage in sämtlichen Himmelsrichtungen übersäet ist. Der Hof aber besucht ihn niemals, da er Schauplatz schmerzlicher Ereignisse war. Er ging in Flammen auf, und Aufbau und Wiederaufbau sollen eine Million Pfund Sterling verschlungen haben. Noch im Jahr 1853 schlugen Besucher von Ramleh auf dem Sandkamm, der sich am kühlen, sanftblauen Meer erhebt, ihre Zelte auf; bald danach begannen sie, hier und da Bungalows auf den Klippen zu bauen, welchen jetzt die Zerstörung durch die Wellen droht. Das Land gehört niemandem, aber etwa vierzehn Stämme elender Zeltbewohner – ein Viertel Beduinen und drei Viertel Fellachen – wittern Piaster; und wie

Скачать книгу