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auf!« Daraus ergibt sich ein verblüffend einfacher Deeskalationstipp:

       Reden Sie in Konflikten weniger. Schweigen Sie mehr.

      Aber: Schweigen Sie aufmerksam und respektvoll. Nicht mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn. Ja, gewiss, das geht wider unsere Natur. Wir sind eben immer noch instinktmäßig der Neandertaler, der die Keule zückt, wenn er angegriffen wird. Bei Hunden ist das schön zu beobachten: Kläfft der eine den anderen an, kläfft der andere zurück. Das gebietet der Instinkt dem Tier. Die Frage ist bloß: Wollen Sie von Ihren Instinkten oder von Ihrem Verstand geleitet sein? Sind Sie ein Tier oder ein Mensch? Wer ist der Boss in Ihrem Oberstübchen? Ihr Großhirn oder das limbische System?

      In Verhandlungen halte ich nicht viel von Verhandlungspartnern, die zu viel reden. Weil ich weiß: Sie sind instinktgesteuert. Sie denken nicht viel. Solche Menschen kann ich nicht ernst nehmen – und außerdem viel zu leicht austricksen. Instinkte funktionieren auf Reiz-Reaktions-Basis. Wer den richtigen Reiz setzt, provoziert damit zuverlässig die absehbare Reaktion. Pawlows Hund fällt einem dazu ein. Ich weiß, das ist nicht nett. Aber warum verhalten sich denn so viele Menschen wie Pawlows Hund? Wer sich wie ein Hund verhält, darf sich nicht wundern, wenn er an die Leine genommen wird. Ein Kollege, empirischer Forscher, machte dazu ein kleines Experiment. Er ließ zwei Gruppen untereinander über ein kontroverses Thema streiten. Der einen Gruppe sagte er: »Bitte diskutiert unter euch das Thema aus!« Die andere bat er: »Verkneifen Sie sich jede Äußerung, die Ihre Diskussion nicht wirklich weiterbringt.« Das ist eine schwammige Vorgabe, die die Aufmerksamkeit der Streithähne jedoch zuverlässig vom Reden aufs Schweigen lenkt. Die zweite Gruppe benötigte nur die halbe Verhandlungszeit und war danach bedeutend zufriedener mit dem Ergebnis: In Konflikten ist mehr schweigen besser als mehr reden. Das gilt auch für die Steigerung von Streit: offene Aggression und Provokation.

      Wer schweigt, ist immun gegen Provokation

      »Du inkompetenter Anfänger!«, blafft Klaus manchmal Peter an, wenn dieser bei der Konstruktion einer neuen Maschine einen Haltebolzen oder ein Gewindeloch vergessen hat. Peter keift dann meist zurück, was ihn aber ganz schön belastet. »Ich kann Klaus, seinen überzogenen Perfektionismus und seine beleidigende Art nicht ändern. Aber kann ich meine Reaktion auf Klaus ändern? Besser damit zurechtkommen? Intelligenter damit umgehen?«, fragt er im Coaching. Intelligente Fragen. Die meisten Menschen unterscheiden nämlich nicht zwischen externem Anlass und eigener Reaktion auf den Anlass. Sie glauben, dass das eine untrennbar mit dem anderen verbunden ist: Wenn mich einer anmacht, dann muss ich mich aufregen und zurückschlagen oder mich resignativ verkriechen und mich bei Freunden auskotzen. Unser Instinkt postuliert hier einen kausalen Zusammenhang, der evolutorisch möglicherweise einmal sinnvoll war (Fight-or-Flight-Reaktion). Heutzutage aber ist er einfach nur das: ein Instinkt, der einen Irrtum provoziert. Peter sitzt diesem Kausalitätsirrtum nicht auf. Ich schlage ihm deshalb vor, dass er das nächste Mal nicht zurückkeift, sondern schweigt. »Aber so eine Beleidigung kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen!«, erwidert Peter. Danke, Peter. Diese Begründung zeigt, warum es uns oft so schwerfällt, uns vernünftig zu verhalten und zu schweigen:

       Wer nicht schweigen kann, verwechselt Meinung mit Wahrheit.

      Dass jemand Ihnen etwas sagt, heißt nicht, dass es auf Ihnen »sitzt«. Was ein Mensch über oder zu Ihnen sagt, ist seine Meinung. Es ist nicht die Wahrheit oder Klebstoff. Beleidigungen und Ähnliches sind auch nichts, das Sie korrigieren müssten im Sinne von: Ich muss den Aggressor jetzt so lange beharken, bis er widerruft. Das glaubte man im Mittelalter. Deshalb drohte man Galileo den Scheiterhaufen an, wenn er nicht widerriefe. Der großen, mächtigen Kirche war es psychotisch wichtig, dass ein einzelner kleiner Mensch seine Meinung ändere. Wie schwach muss eine Organisation sein, um so etwas zu verlangen? Heute würde man sagen: »Lass ihn doch reden! Ist ja bloß seine Meinung.« Klaus hält Peter für einen Anfänger? Warum lacht Peter nicht darüber? Warum sagt er nicht: »Wer mich mit zwanzig Jahren Berufserfahrung noch als Anfänger beschimpft, hat ein Rad ab. Fehler passieren doch jedem. Auch nach zwanzig Jahren.« Warum regt sich Peter so auf, dass er nicht schweigen kann? Die Antwort ist einfach und tiefgründig: Peter stellt die Meinung von Klaus über seine eigene. Deshalb kann er nicht schweigen:

       Je größer das eigene Selbstbewusstsein, desto eher können wir klug schweigen.

      Schweigen stärkt das Selbstbewusstsein

      Für Peter wäre das nun eine üble Falle, wenn der Zusammenhang nicht rückbezüglich wäre. Umgekehrt gilt: Wer auf Aggression und Provokation hin erst einmal schweigt, baut sein Selbstwertgefühl damit auf – und kann sich die beste Kontertaktik überlegen. Das müssen Sie nicht glauben. Probieren Sie es einfach bei nächster Gelegenheit aus, wenn Ihnen jemand dumm kommt. Verena tat das und kam mit einer schönen Geschichte ins Follow-up-Seminar: »Als Innendienstlerin arbeite ich zwanzig Außendienstlern zu. Und jede Woche beschweren sich fünf darüber, dass ich ihnen falsche Termine gegeben habe. Das stimmt meist nicht! Ich sehe ja in meinem Terminkalender, dass ich den richtigen Termin notiert habe und der Verkäufer es lediglich bei sich verbaselt hat. Im Außendienst geht es eben hektischer zu als im Innendienst. Also ist es nicht schlimm, wenn man draußen mal Termine verwechselt. Aber das streiten die Kerle natürlich ab. Worauf ich insistiere. Wir streiten uns. Jede Woche fünf Mal. Schrecklich. Meine Nerven.«

      Seit sie schweigen gelernt hat, macht sie es anders: »Ich frage seither nur noch: ›Ach, ich habe mal wieder die Termine verwechselt?‹ Und dann schweige ich freundlich lächelnd.« Die einen beschimpfen sie dann noch eine kurze Weile, was sie schweigend wegsteckt, weil die Beschimpfung ziemlich schnell abebbt, wenn Verena nichts erwidert. Andere Verkäufer lenken rasch ein, wenn sie bemerken, dass Verena nicht mit ihnen streitet. Es gibt sogar immer mehr, die sagen: »Ja ja, ich weiß schon. Wahrscheinlich habe ich das dieses Mal verbockt.« Und alles nur, weil Verena neuerdings schweigt, anstatt wie ein überdrehter Pitbull nach dem Knochen zu schnappen, der ihr vorgehalten wird. Das heißt nicht, dass Sie nun jedem Streit aus dem Wege gehen und nur noch schweigen sollten. Es heißt lediglich: Lassen Sie sich nicht provozieren! Schweigen Sie erst einmal und überlegen Sie in der gewonnenen Zeit, wie Sie sich verhalten wollen.

      Geben Sie sich selbst die Vorlage zum Schweigen!

      Manchmal müssen wir uns für dieses Schweigen erst eine Vorlage geben. Diese Vorlage braucht sogar Peter noch dann und wann, wenn Klaus ihn wieder völlig zu Unrecht beschimpft. Peter schaut ihn dann souverän und freundlich an und sagt: »Danke, dass du mir deine Meinung sagst.« Dann schweigt er. Peter: »Damit ist ihm und vor allem mir selbst klar, dass er nicht die Wahrheit über mich sagt, sondern bloß seine eigene, subjektive und verfälschte Meinung.« Peters Rezept ist zur Verallgemeinerung empfohlen:

       Streiten Sie nicht. Überlegen Sie sich den einen starken Satz, der alle anderen Sätze überflüssig macht, und schweigen Sie danach.

      Männer haben das manchmal ganz gut drauf – ausgerechnet in Beziehungsstreitigkeiten. Sie sagen oft, wenn die Partnerin so richtig in Fahrt geraten ist: »Schatz, ich möchte nicht mit dir streiten.« Und danach schlagen sie die Zeitung auf oder verziehen sich in den Hobbykeller. Das sollten sie natürlich nicht. In Beziehungen muss man/frau einfach miteinander reden, auch wenn es manchmal kracht. Doch dieses deplatzierte Verhalten zeigt, wie stark Schweigen als Streit-Stopper wirkt. Nämlich selbst dann, wenn es unangebracht ist.

      ÜBUNG

      An welche Streitigkeiten erinnern Sie sich? Welche werden absehbar auf Sie zukommen? Was wäre der eine starke Satz, mit dem Sie die üblichen Endlos-Diskussionen wesentlich abkürzen könnten? Es dürfen auch zwei Sätze sein. Höchstens drei. Aber bitte nicht mehr. Und verwenden

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