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findet. Sieben kamen von Kunden und konnten auch bis nach der Mittagspause warten. Neun weitere hätten Arbeit bedeutet, konnten aber wunderbar an Untergebene delegiert werden. Fünf kamen von seinem direkten Vorgesetzten. Die wurden natürlich mit Prio 1 beantwortet. Und eine mit dem »Betreff: Hochzeitstag« hat er gleich gelöscht, weil sie von seiner Mutter stammte. Und der Nachmittag? Soll Herr K. seinem Sohn wirklich von dieser üblichen Mischung aus Antreiben, Beschwichtigen, Schlau-Daherreden, Vertagen, Telefonieren, Drohen, Abwälzen, Verstecken, Wichtigmachen, in CC setzen, Hyperventilieren und Kaffeeholen erzählen?

      Er entscheidet sich gegen die Wahrheit und für ein übermüdetes »Du ahnst nicht, was bei mir wieder los war«. In dem Moment fegt Herrn K.s Frau hinter seinem Sohn vorbei und murmelt: »Genug, um deinen Hochzeitstag zu vergessen.«

      6.

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      BETRIEBSAUSFLUG

      IN DEN WIESN-WAHN

      Natürlich hätten sie es nicht tun müssen. Aber die Einladung kam aus der PR-Abteilung eines befreundeten Unternehmens, und schon waren Berger aus dem Marketing, Frau Doktor Schwielow aus dem Vorstand und Herr K. auf dem Weg zum Oktoberfest. Alle machen das mittlerweile: Sie laden entweder selbst zu dem Besäufnis ein oder werden eingeladen.

      Das ist umso erstaunlicher, als mittlerweile jedes Unternehmen mit geradezu hysterischem Eifer darauf bedacht ist, nur ja nicht in den Ruch zu kommen, allzu exzessive Spaßorgien zu unterstützen. Definitiv vorbei sind die Zeiten, als Ergo seine Außendienstler noch in Budapester Thermen einlud. Wobei Herr K. zugeben muss, dass er von diesen Zeiten überhaupt erst erfuhr, als ihnen durch die Enthüllungen ein brüskes Ende beschert wurde. Der wildeste Betriebsausflug in seiner eigenen Karriere ging ins Elbsandsteingebirge und wurde von einem greisen Mitglied des Schwäbischen Albvereins angeführt.

      Für Herrn K. und seine beiden Kollegen war der Wiesn-Betriebsausflug jedenfalls mit gewissen Missverständnissen verbunden: Herr K. glaubte, das sei Spaß. Frau Schwielow meinte, man könne in so einer Luxus-Loge unter ausdauernder »Das ist Waaahnsinn«-Beschallung mit bereits druckbetankten Managerkollegen über Joint-Venture-Pläne für ein kroatisches Logistikzentrum sprechen. Und Berger fand allen Ernstes, dass er in seiner Lederhose urig aussehe.

      Apropos Optik: Frau Doktor Schwielows durchaus vorhandenes Verständnis für einen gewissen Anpassungsdruck in puncto Wiesn-Outfit führte am Münchener Flughafen zu einer charmanten Szene: Im Leih-Dirndl erreichte die norddeutsche Akademikerin den Mietwagenschalter, wo sie mit einer sächsisch sprechenden Sixt-Kraft kollidierte, die ebenfalls Tracht tragen musste. Beiden fehle eine gewisse »Street Credibility«, flüsterte Berger. Ein frivoles Duo oberbayerischer Lebensfreude stellt man sich jedenfalls anders vor.

      Diese anfänglichen Defizite waren in der Käfer-Schänke schnell vergessen. Die gastgebende Firma ist im Maschinenbau zu Hause, wo ohnehin rustikalere Umgangsformen dominieren. Und so lobte der Erste schon nach einer halben Stunde Frau Doktor Schwielows … wie soll man das sagen … sekundäre Geschlechtsmerkmale? Wie sie es in diversen Deeskalations-Workshops gelernt hatte, suchte sie daraufhin die Waschräume auf, was ihr neuer Verehrer allerdings als Einladung missverstand.

      Das Finale des Abends fand später zweierlei Interpretationen: Frau Doktor Schwielow hält Herrn K. seither für einen ritterlichen Kollegen. Herr K. wollte den Verehrer nur am Arm vom Betreten der Damentoilette abhalten, als der in einer säuerlichen Pfütze ausrutschte und schwer atmend, wenn auch unverletzt liegen blieb.

      Über das Logistikzentrum reden jetzt andere. Herr K. hat indes wertvolle Bonuspunkte im großen Gender-Bingo kassiert. So doof findet er das Oktoberfest gar nicht mehr.

      7.

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      WAHRHEITEN IN

      WELLNESS-KATAKOMBEN

      Wer seiner Frau heutzutage etwas Gutes tun will, sollte ihr keinen Gutschein für ein Gesichtspeeling schenken. So etwas sorgt bisweilen für Missverständnisse, die sich nur schwer wieder ausräumen lassen. Der moderne Mann überrascht die moderne Frau pünktlich zu den Ferien eher mit einem »Wellness-Wochenende« – das sich Herr K. dann aber doch anders vorgestellt hat.

      Ehe er sich’s versah, lag er neben seiner Gattin in einem Landhotel im Nordschwarzwald auf nappalederbespannten Designerpritschen und unterzog sich einer »Phonophorese-Rückenbehandlung«. Dabei fummelte eine gelangweilte Kosmetikerin mit Stimmgabeln an ihnen herum und referierte mit dem Enthusiasmus einer Eieruhr, wie »die Tonpunktur auf Körper, Geist und Seele wirkt und dabei Blockaden löst und die Muskulatur entspannt«.

      Vielleicht hatte sie sich mal in einem 90-minütigen Feierabend-Crashkurs zur Diplom-Nail-Designerin ausbilden lassen. Medizinische Fachkenntnisse waren ihr jedenfalls nicht anzumerken. Bei Herrn K. löste sich nix. 30 »Wohlfühlminuten« kosteten trotzdem 89 Euro, womit ihm allmählich klar wurde, warum in den sich metastasenartig vergrößernden Spa-Bereichen heutiger Beherbergungsbetriebe so selten ein Gast zu finden ist.

      Die Pools, nein: Badelandschaften werden immer gewaltiger, dekoriert mit diversen Saunen, Dedon-Mobiliar und der jährlichen Granit-Ausbeute kompletter Schwellenländer. Dazu Wallawalla-Musik von peruanischen Hochland-Panflötisten und chronisch adrettes U-25-Servicepersonal, das nie etwas anderes tun muss, als in strahlend weißen Kittelchen freundlich »Hallo« zu sagen.

      Oder geht alles so diskret zu, dass man immer gleich in Separees verschwindet für Lymphdrainage und »Detoxing Körperanwendung«? Hotels sind ja auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Vor 20 Jahren brauchten alle Squashplätze, die nun vor sich hin rotten. Jetzt haben alle ein Spa in Fußballfeld-Größe.

      »Sind wir hier, weil wir das wollen? Oder weil das jetzt als schick gilt?«, fragte Herr K. vorsichtig seine Frau bei der anschließenden Avocado-Öl-Massage »mit warmen Venusmuscheln« (150 Euro). Sie hatten jetzt noch die Wahl zwischen entschlackendem Heubad, Salz-Öl-Peeling im Dampfbad und 30 Minuten Goldquarzliege, die angeblich schon »im alten Ägypten« den »Energiefluss ins Gleichgewicht« gebracht hatte. Mehr Firlefanz ging eigentlich nicht.

      Seine Frau antwortete: »Ich dachte, DU wolltest hier rein! Das ist wie bei deinem SUV. Mit dem fährst du auch nie ins Gelände, willst aber, dass du’s könntest.« Am nächsten Tag machten sie einen langen Spaziergang, redeten viel und aßen später lecker Kuchen.

      Herr K. ahnt, dass da ein ganz neuer Reduktionstrend auf die Welt zurollt. Less is more oder so. Er ist kein Fachmann für derlei, wird aber auch das mitmachen.

      8.

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      WER HAT DEN MIESESTEN JOB?

      Sagen wir so: Schmitt-Scheckenbach aus dem Controlling ist keiner von denen, die man ganz oben auf seine Einladungsliste für die eigene Betriebsjubiläumsparty schreiben würde: seine pointenfreien Witze, der traurige Haarkranz, die Sakkos in Curry-Senf-Nuancen. Aber es sorgt dann doch für unangenehmes Schweigen, als es bei den zähen Budgetverhandlungen irgendwann aus ihm herausplatzt: »Schon klar, dass natürlich ich den miesesten Job von Ihnen allen habe.«

      Einerseits sind ja gerade Controller sonst oft mit einem ebenso großen wie rätselhaften Selbstvertrauen gesegnet. Andererseits sagt man so einen Heulsusensatz eigentlich nicht laut, auch wenn ihn alle denken. Dauernd. Herr K. könnte eine Umfrage in seiner Abteilung machen, wer den übelsten Job von allen hat, und bekäme lauter »Ich! Ich! Ich!«-Meldungen. Auf die naheliegende Antwort, dass nur er, Herr K., es richtig schlimm erwischt hat, käme natürlich niemand.

      »Das

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