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wie ein Fenster ist. Ein Fenster existiert nicht, weil wir in einem Zimmer gerne eine Wand aus Glas haben wollten. Es existiert um der Dinge willen, die wir durch das Fenster sehen können – und auch, damit Licht in das Zimmer einfallen kann.

      Im ersten Kapitel haben wir über Gott nachgedacht, über denjenigen, der die Welt ursprünglich erschaffen hat und der nun mit der Erneuerung der Schöpfung begonnen hat. Wir werden uns nun die Passage ansehen, in der diese Wahrheit über Gott als Grundlage für den Glauben seiner Leute genommen wird. Es geht dabei allerdings nicht um diese Leute und ihren ganz bestimmten Glauben. Sie sind eine eher bedauernswerte Truppe. Der Punkt ist schlicht der: sie sind das Volk des großartigen Gottes.

      Die fragliche Passage ist den meisten von uns so vertraut, dass wir nicht mehr scharf über sie nachdenken. Es ist eine Passage, die wohl zu den Lieblingsversen vieler Christen gehört. Wenn wir sie wieder einmal lesen, ist sie wenig überraschend:

      Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,

      dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,

      dass sie laufen und nicht matt werden,

      dass sie wandeln und nicht müde werden.

      (Jesaja 40,31)

      Ein herrlicher Text, ob wir ihn nun als poetisches oder als theologisches Zeugnis lesen. Das ist genau das, was wir alle von Zeit zu Zeit brauchen. Doch Augenblick mal: Der Vers bildet das Ende des Kapitels. Und das ist kein Zufall: Dieser herrlich ermutigende Vers baut vollständig auf dem auf, was der Prophet davor gesagt hat. Zu den charakteristischsten Fallgruben eines Großteils der modernen Christenheit gehört der Versuch, ohne Anstrengung zu den Ergebnissen zu kommen – man versucht, direkt an die hilfreiche Stelle am Ende zu springen, ohne zu erkennen, dass man diesen Punkt nur dann angemessen erreichen kann, wenn man dem folgt, was vorher gesagt wurde. Die Bibel ist nicht bloß eine Sammlung hilfreicher Texte. Sie ist ein echtes Buch, oder besser eine Sammlung echter Bücher, und die Gedankengänge, die durch ganze Kapitel oder Bücher verlaufen, sind oft viel wichtiger als irgendein einzelner Vers. In diesem Fall ist das mit Sicherheit so. Der einzige Weg, auf dem wir sicherstellen können, dass wir auffahren auf Flügeln wie Adler, besteht darin, dass wir sicherstellen, dass wir wirklich auf den Herrn harren. Das geschieht allerdings nicht automatisch. Und darum wurde dieser Teil des Jesajabuches geschrieben.

      Jesaja schrieb für Menschen, die versuchten, mit dem Exil zurechtzukommen, das Gott als Strafe für die Sünde und den Götzendienst des Volkes angedroht hatte. Und zu den vielen Dingen, die er dem Volk über ihren wahren Gott erzählt, den Gott, der so ganz anders ist als die imaginären Gottheiten, die sie damals angebetet haben, gehört genau dies: Jahwe, der Herr, der Gott Israels, ist der souveräne Schöpfergott. Er ist einzigartig. Es gibt keinen Gott wie ihn. Das Bild ist ein ganz einfaches, aber schauen Sie sich die Farben an, in denen es gemalt ist. Lesen Sie Jesaja 40,12–26. Jahwe, der Gott des Alten Testamentes, hält die Erde in seiner Hand, thront über allen Herrschern der Welt und kontrolliert den höchsten Himmel. Er ist unvergleichlich. Aus diesem Grund ergibt es überhaupt keinen Sinn, irgendeiner anderen Gottheit zu vertrauen. Die Verse 18–20 vergleichen Israels mächtigen Gott mit den sogenannten „Göttern“ der Heiden, ob sie reich sind (dann machen sie sich Götter aus Gold und Silber), oder arm (dann muss man sich mit Holz begnügen). Der Gegensatz ist ein schmerzhaft scharfer. Wir schauen uns in der Welt und in den Königreichen der Welt um und erkennen, dass Gott dies alles gemacht hat und beherrscht. Dann blicken wir einen Moment auf die Schatten der Erde, und ausgerechnet dort sehen wir Menschen, die versuchen, sich ihre eigenen Götter zu erschaffen. Das ist lächerlich, aber wahr.

      Leider ist das heute immer noch so. Zugegeben: Nicht auf dieselbe Weise. Wir machen uns normalerweise keine kleinen Statuen aus Gold und Silber und beten sie dann an. Götzendienst kennt jedoch keine kulturellen oder zeitlichen Grenzen. Wir haben Götzen mit vier Rädern. Die Anbeter dieser Götzen verwenden ihre Anstrengungen und ihr Geld darauf, sie zu polieren und immer schneller zu fahren. Wir haben Götzen aus drei Zimmern; deren Anhänger halten diese Zimmer makellos sauber, für den Fall, es könnte überraschend Besuch kommen. Wir haben viereckige Götzen, unsere heimischen Kinoleinwände. Einige von uns haben schöne gebundene Götzen mit Seiten und Schutzumschlägen. Auch wir beten unsere Götzen an, weil sie uns stolz machen. Wir versetzen uns in sie hinein, tatsächlich oder in unserer Einbildung, und dann beten wir an, was wir sehen. Vor einigen Jahren gab es ein Buch mit dem Titel The God I Want (Der Gott, den ich will). Wenn es je ein Rezept für Götzendienst gab: hier ist es. Der Gott der Bibel ist nicht unbedingt der Gott, den ich will: Meine konfusen Begierden passen mit großer Sicherheit nicht mit dem zusammen, wer er wirklich ist, und das ist auch gut so. Was wirklich zählt, ist der Gott, der mich erschaffen hat, der Gott, mit dem ich mich befassen muss (ob ich will oder nicht). Er ist so viel größer und großartiger als alles andere, was ich mir vorstellen könnte, dass ich mir niemals erträumen sollte, ich hätte ihn erfasst und eingeordnet. Wir müssen den Gott der Bibel ständig schärfer in den Blick bekommen. Andernfalls werden wir entdecken, dass unser Bild von ihm allmählich gezähmt und auf das reduziert wird, was wir in unserem Leben handhaben können. Und Gottheiten, die wir bequem handhaben können, sind Götzen.

      Im Buch Jesaja sehen wir also den wahren Gott und die falschen Gottheiten – den lebendigen Gott und die toten Götter – den redenden Gott und die stummen Götter – den allmächtigen Gott und die machtlosen, von Menschenhand erschaffenen Imitationen, die Götzen. Wir kommen nicht an der Frage vorbei: Wen beten wir an?

      Hier geht es nicht um eine Frage, auf die es die richtige Antwort zu finden gilt, es geht nicht um ein Problem der akademischen Genauigkeit. Es geht um eine ganz praktische Angelegenheit. Der Prophet schrieb an Menschen, die sich von ihrem Gott im Stich gelassen fühlten – die das Gefühl hatten, das angedrohte Exil bedeutete, dass Gott sie vergessen hatte oder machtlos war, ihnen in dem Moment zu helfen, als sie es am meisten brauchten. In Wahrheit war das genaue Gegenteil der Fall. Sie hatten vergessen, wie ihr Gott war. Ihr Gott war zu klein – das war der Grund, warum Jesaja ihnen die gewaltige Vision von Gott als dem Schöpfer und Herrscher des Himmels und der Erde vermittelte. Denn dieser Gott ist nicht nur der souveräne Herrscher: Er ist der Gott, der seinem Volk Anteil an seinem eigenen Charakter gibt.

      An dieser Stelle sind wir zurück, wo wir begannen. Es wird uns gezeigt, warum diejenigen, die auf den Herrn harren, neue Kraft bekommen. Er wird nicht müde (Vers 28); er gibt den Müden Kraft (Vers 29); er ermüdet nicht (noch einmal Vers 28); diejenigen, die müde und erschöpft sind, können neue Kraft bekommen, indem sie diese Kraft von ihm beziehen (Verse 29–31). Gott gibt denen, die auf ihn harren, Anteil an ihm selbst, an seiner Allmacht. Glaube ist nutzlos – besonders wenn es sich um Glauben an eine Gottheit handelt, die machtlos wie ein Stück Holz ist! Der Schöpfergott als Gegenstand des Glaubens – der zählt!

      Wir könnten dieses Bild erweitern und zeigen, dass uns auch andere Eigenschaften Gottes zu Hilfe kommen, wenn wir sie brauchen. Wenn wir mit Verzweiflung ringen, müssen wir auf den Gott aller Liebe und Barmherzigkeit harren; wenn wir dem Tod ins Auge sehen, müssen wir uns erinnern, dass unser Gott der Gott ist, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Das Leben des Christen ist kein Leben, das auf eigenen Füßen steht oder das sich auf den eigenen Glauben stützt. Es ist an jedem Punkt auf den Charakter Gottes gegründet, darauf, wie Gott ist. Und der Höhepunkt des Kapitels spricht zum gewöhnlichen Christen im Alltagsleben. Darauf ist oft hingewiesen worden. Auffahren auf Flügeln wie Adler ist schön und gut. Es ist oft einfacher, weiterzumachen, wenn wir etwas Aufregendes tun. Wenn unser Leben aus den immer gleichen alten Dingen besteht, nur Schritt für Schritt vorwärts geht und aus einem langsamen Spaziergang ohne überraschende Wendungen oder interessante Aspekte besteht, dann ist es nicht immer so leicht. In diesen Momenten müssen wir etwas von dem Gott wissen, der niemals müde wird. Bei Beerdigungen und in Neujahrsgottesdiensten wird oft über die Zeit nachgedacht und dass letztlich uns alle der Tod ereilen wird. Das ist eine Wahrheit, die der Betrachtung wert ist, besonders in einer Ära, in der kaum über den Tod gesprochen wird. Wir müssen dieser Wahrheit jedoch die andere Wahrheit beiseite stellen, die der Hymnus erwähnt: die Wahrheit, dass Gott wie ein unumstößlicher Felsen seine Söhne und Töchter zur Herrlichkeit führt. Seine Fürsorge steht im Hintergrund unserer Beharrlichkeit.

      An dieser Stelle möchte

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