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das letzte Pärchen gefunden, das sich, je nach Ballbesitz, wechselseitig verfolgte.

      Wenn einer seinen Gegner verloren hatte und er alleine herumstand, hieß es oft: „Wo ist dein Mann?“ Keinen Mann zu haben, war nicht gut und führte zu Unsicherheit. Man fühlte sich dann irgendwie überflüssig. Und so sah man immer wieder Spieler auf der Suche nach ihrem verlorenen Mann umherhetzen. Keinen Mann zu haben, war nur bei Ballbesitz gut. Dann konnte man durchmarschieren, dann hatte man Platz. Und wenn man vom Gegner angegriffen wurde, konnte man zu dem Mitspieler abgeben, dessen Deckung der gerade aufgegeben hatte. Dieser Fußball war übersichtlich. Er bestand im Wesentlichen aus einem Kampf Mann gegen Mann. Sieger wurde meist, wer die meisten Duelle gewann. Hinten benötigte man bissige Verteidiger, vorne schnelle Flitzer und gute Dribbler, die entweder die Bälle des Spielmachers erlaufen oder ihre Zweikämpfe gewinnen konnten; und einen entscheidenden Vorteil hatte, wer im direkten Laufduell Sieger bleiben konnte.

      In dieser Weise wird auch heute noch in den meisten Jugendmannschaften gekickt. Vorteile hat das Team, dem es gelingt, die festen Positionen einmal aufzulösen. Denn wenn einer à la Beckenbauer nach vorne stößt, hat er meist freie Bahn, da die Spieler ihre Positionen nicht verlassen und vor allem die Stürmer es nicht gewohnt sind, sich ins Defensivspiel mit einzuschalten. Im heutigen Profifußball würde sich allerdings ein Libero Beckenbauer im Maschendraht eines im Raum fließend aufgebauten Abwehrriegels verheddern. Heute kann es sich keine Mannschaft mehr leisten, nach einem starren System zu spielen. Heute orientiert man sich in Defensive wie Offensive nicht mehr am Mann, sondern am Ball. Klassische Mittelstürmer, klassische Spielmacher, klassische Manndecker, die nur in bestimmten Situationen am Spiel teilnehmen, sind out. Somit ist das moderne Spiel, weil es jedem Spieler konstruktive Fähigkeiten abverlangt, technisch und taktisch anspruchsvoller geworden.

      Das erste deutsche Team, das richtig modern spielte, war der SC Freiburg, der Überraschungsdritte der Bundesliga-Saison 1994/95. Trainer Volker Finke erläuterte damals: „Wir spielen mit jeweils einem Mann auf den Außenbahnen und vor einem Dreier-Abwehrblock, aus dem sich in der Regel ein Manndecker oder der Libero in die Offensive einschaltet, im Zentrum mit drei Mann auf einer Achse. Die verschieben sich ballorientiert.“ Auf der Basis der Grundformation 3-5-2 baute der SC Freiburg mit dem Prinzip strikter Raumdeckung und situationsbedingtem Rochieren ein „System der kurzen Wege“ auf, das eine permanente personelle Überzahl in Ballnähe garantieren sollte. Freiburg hatte den Nachteil, dass man nur durchschnittliche Spieler verpflichten konnte, durch taktische Verbesserungen ausgeglichen. Heute hat sich der Vorsprung aufgebraucht, da alle Teams taktisch nachgerüstet haben. Borussia Dortmund konnte 1995 noch mit einem relativ unflexiblen System Meister werden, weil es die besten Einzelspieler hatte. Heute benötigt man beides: balltechnisch perfekte Einzelspieler und taktische, mit hoher Flexibilität angewandte Disziplin.

      Der deutschen Nationalmannschaft des Jahres 2005 mangelte es an beidem. Da gab es einen Torhüter Kahn, der die Bälle einfach nach vorne schlug, statt das Spiel mit Übersicht und sicherem Pass zu eröffnen, sowie einen unbeholfenen Manndecker Robert Huth, der als Anspielstation beim Aufbauspiel ein völliger Ausfall war. In der Bewegung nach vorne auf einen Mann verzichten zu müssen, kann sich aber heute eigentlich kein Team mehr leisten; vor allem dann, wenn auch die anderen Spieler individuelle Qualitätsmängel aufweisen. Man kann dann an dem „richtigen System“ so lange herumtüfteln, wie man will. Ob das 4-3-3 (Vierer-Abwehrkette, zwei defensive und ein offensiver Mittelfeldspieler sowie drei Stürmer) oder das 4-4-2 (Vierer-Abwehrkette, Raute im Mittelfeld und zwei Stürmer) „besser“ ist, bleibt eine akademische Frage. Denn der Erfolg liegt nicht im System begründet. Letztlich bleibt immer entscheidend, wie perfekt – ballsicher, schnell und flexibel – sich die Spieler in permanenter wechselseitiger Abstimmung im Raum bewegen können.

      EXKURS ABSEITSREGEL UND W-M-SYSTEM

      Nach der alten Abseitsregel, die bis 1925 galt, mussten sich im Moment des Abspiels drei Gegner zwischen Ball und Tor befinden. Diese Regel hatte lange Zeit zufriedenstellend funktioniert. Man spielte damals mit zwei Verteidigern, drei Mittelfeldspielern und fünf Stürmern. In diesem 2-3-5-System, das sich vom Torwart aus betrachtet wie eine Pyramide darstellte, hatten die Stürmer zwar ein erhebliches Übergewicht, da jedoch drei Spieler bei der Ballabgabe vor dem vordersten Angreifer stehen mussten, konnte relativ mühelos eine Abseitsfalle aufgebaut werden. Der letzte Verteidiger, „Standverteidiger“ genannt, konnte sich weit zurückziehen; der zweite Verteidiger, „Angriffsverteidiger“ genannt, erwartete den Gegner auf Höhe der Mittellinie; kein Angreifer konnte an ihm vorbei den Ball zu einem weiter vorne positionierten Mitspieler passen. Man musste also nur auf die Idee kommen, diese Grundsituation auszunutzen. Dann konnte man das Kombinationsspiel der Angreifer nahezu komplett unterbinden. Als „Mr. Off-Side“ gelangte bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Billy McCraken, der Fullback von Newcastle, zu zweifelhaftem Ruhm. Er habe, so heißt es, Abseitsfallen mit derart stupender Sicherheit organisiert, dass der Rasen des St James Parks mehr Gras vor dem Tor habe als im Anstoßkreis. 40 Abseits-Entscheidungen pro Spiel, so wird geschätzt, seien in dieser Zeit keine Ausnahme gewesen.

      Zu Beginn der 1920er Jahre hatte sich in der englischen Liga eine Lähmung des Spiels bemerkbar gemacht, da es immer mehr Mannschaften gelang, eine funktionierende Abseitsfalle anzuwenden. In dieser Situation, da die frustrierten Stürmer Englands gegenüber den Verteidigern kaum mehr eine Chance hatten und das Spiel in Langweile zu erschlaffen drohte, suchte man im Juni 1925 mit einer neuen Vorschrift die Rettung. Der über die Fußball-Gesetze wachende International Football Association Board beschloss eine neue Abseitsregel, nach der sich beim Abspiel nur noch zwei und nicht mehr wie bisher drei Gegner zwischen Ball und Tor befinden mussten. Tatsächlich erhöhten sich nach dieser Änderung schlagartig Tempo und Dramatik des Spiels. Die Torquote steigerte sich von 4.700 Toren in der Vorsaison auf 6.373, und Huddersfield Town, der Meister von 1925, konnte zwar 1926 abermals triumphieren, nur diesmal nicht mit 69:29 sondern mit 92:90 Toren. Auch der sagenhafte Torrekord von Dixie Dean, der in der Saison 1927/28 in 39 Spielen 60 Tore für den FC Everton erzielte, war wohl nur als „Nachwirkung“ dieser Umstellung möglich.

      Der Erste, der auf diese Neufassung und die damit verbundene Torinflation reagierte, war Herbert Chapman. Mitte 1925 war der zuvor mit Huddersfield erfolgreiche Trainer zu Arsenal London gewechselt und dort von Abwehrchef Charlie Buchan animiert worden, als Reaktion auf die neue Abseitsregel die Defensive neu zu organisieren. Buchan hatte erkannt, dass die beiden Verteidiger unter der neuen Abseitsregel überfordert waren, und schlug daher seinem Trainer vor, den Mittelläufer Jack Butler als zentralen Stopper in die Abwehr zurückzunehmen. Chapman war zunächst sehr skeptisch, lenkte dann aber ein, als sich Arsenal gegen Newcastle eine deftige 0:7-Abfuhr eingehandelt hatte. Als man das nächste Spiel – nun mit einem zusätzlichen Verteidiger – gegen West Ham mit 4:0 gewann, war damit der Anfang für ein ganz neues Prinzip des Fußballspielens gemacht. Damit daraus das werden konnte, was später als W-M-System in die Geschichte eingehen sollte, musste Chapman allerdings noch eine weitere Änderung vornehmen. Da der Mittelläufer nun im Aufbauspiel fehlte, nahm er zwei seiner fünf Stürmer auf Halbpositionen zurück. Daraus ergab sich in der Grundaufstellung der fünf offensiven Spieler ein W, die fünf defensiven bildeten ein M. Das W-M-System war geboren.

      Arsenal hatte die Saison 1924/25 als 20. der Tabelle abgeschlossen. Am Ende der Spielzeit 1925/26 war das neu gruppierte Team, das nur um einen einzigen Spieler verstärkt worden war, Vizemeister. Dennoch dauerte es eine Weile, bis sich die Spieler auch taktisch auf die Systemrevolution eingestellt hatten. Alle hatten jetzt ja neue Aufgaben zu erfüllen: Die beiden Verteidiger waren nach außen gerückt und mussten sich um die Flügelstürmer kümmern; die beiden Läufer hatten nun im Mittelfeld viel mehr Arbeit zu leisten; außerdem musste der zentrale Abwehrspieler lernen, dem gegnerischen Mittelstürmer nicht überallhin zu folgen, sondern, um nicht plötzliche Lücken entstehen zu lassen, seine Position je nach Spielsituation geschickt im Raum zu beziehen. 1927 schien die Sache dann zu funktionieren, denn Arsenal kam bis ins Finale des FA-Cup und scheiterte dort nur knapp. Doch in der Liga belegte das Team, das nach und nach mit Top-Spielern wie David Jack, Eddie Hapgood, Cliff Bastin sowie Alex James verstärkt wurde, noch vier Jahre lang lediglich Mittelfeld-Plätze. 1930 platzte dann endlich der Knoten: Arsenal gewann den FA-Cup. In den folgenden Jahren wurden die „Gunners“ dann das erfolgreichste Team ihrer

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