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Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom
Читать онлайн.Название Der letzte Admiral 3: Dreigestirn
Год выпуска 0
isbn 9783966583121
Автор произведения Dirk van den Boom
Жанр Языкознание
Серия Der letzte Admiral
Издательство Bookwire
Er schüttelte den Kopf. »Wirklich«, sagte er leise und mit Nachdruck. »Ich kann mir nur vage vorstellen, was die Menschen auf Terra durchgemacht haben, als die Union zusammenbrach. Ich maße es mir gar nicht an. Darin sind Sie die Experten. Es mag Ihnen ja schwerfallen, sich meine Version der Geschichte anzuhören, und ich werfe ihnen das nicht vor. Aber es ist die Wahrheit: Der Hive war die Waffe, um das Verhängnis aufzuhalten, nicht, um es auszulösen.«
»Was genau ist schiefgelaufen?«, fragte Sia.
»Ja. Ja, das ist wichtig!« Rothbard sah die Sängerin dankbar an. »Es ist etwas schiefgelaufen. Eigentlich sollte der Hive gesteuert werden. Gezielt gegen die KIs vorgehen, sie dort bekämpfen, wo es ihnen am meisten schadete, die Menschheit retten, nicht sie in den Abgrund stürzen. Aber wir verloren die Kontrolle. Es war im Grunde wie bei den KIs, wir haben den Geist aus der Flasche entlassen und ihn nicht wieder zurückstopfen können. Gleich zweimal. Wir sind schon ziemliche Trottel, so insgesamt und historisch betrachtet.«
Er begegnete verständnislosen Gesichtern. Den Vergleich mit dem Geist hatte niemand verstanden, nicht einmal Uruhard, der sonst jede überflüssige Referenz kannte. Aber das Bild war durchaus nachvollziehbar.
»Der Hive erledigte seine Arbeit, aber zu gut. Er ging nicht zielorientiert vor, sondern generell. Er differenzierte nicht. Er wischte einmal gründlich durch und als er fertig war, war er nur noch damit beschäftigt, auf Stand-by zu gehen und darauf zu warten, dass sich wieder eine KI regen würde – und sich selbst dabei zu reproduzieren.«
»Die Perlenwelt«, murmelte Ryk. »Eze ist erwacht und hat die Kontrolle über den Hive übernommen.«
Rothbard sah Ryk an und schüttelte den Kopf. »Hat er das? Wenn ich die Geschichte ihrer Erlebnisse richtig verstanden habe, kontrolliert er die Menschen und ihre Habitate. Sobald der Hive dort bemerkt, dass er einer neuen KI gegenübersteht, wird er die alten Protokolle aktivieren, die tief in seiner DNA verankert sind. Der Krieg beginnt wieder. Seien Sie froh, dass Sie dieses System verlassen haben. Was auch immer dort passieren wird, es wird nicht schön. Alles andere als das.«
»Aber das heißt doch Folgendes«, nahm Sia den Faden wieder auf. Sie wollte der Sache nun wirklich auf den Grund gehen. »Es heißt, wir haben in jedem Fall verloren und es gibt keine Rettung. Entweder gewinnt die KI oder der Hive und beides ist für uns Menschen fatal, wenngleich vielleicht auf unterschiedliche Art und Weise. Wir sind die Insekten unter den Füßen von Titanen, die wir in unserer Hybris oder Verzweiflung selbst erschaffen haben und die sich von ihren Erschaffern lösten und nun in einem ewigen Konflikt gefangen sind. Ist das so?«
Rothbard sah Sia ernst an. Jede Nonchalance war aus seiner Haltung gewichen. Es schien, als habe Sia den Finger auf die Wunde gelegt, und Ryk spürte den Schmerz ebenso wie sie. Das Kartenhaus brach wieder einmal zusammen. Es war eine ernüchternde und niederschmetternde Erkenntnis und er wusste nicht, wo er jetzt noch Hoffnung herholen sollte.
Er wurde dieser Mission müde.
»Ich finde Ihren Mangel an Zuversicht bedauernswert«, erwiderte Rothbard. »Aber so richtig schön ist meine Geschichte gewiss nicht.«
»Wenn die KIs unsere Feinde sind, welchen Zweck erfüllt dann diese Station?«, fragte Uruhard. »Wir sind demnach auf Feindesland.«
»Sehr gut bemerkt. Natürlich war es am Ende gar nicht möglich, etwas wie den Hive zu erschaffen, ohne sich der Hochtechnologie der Union zu bedienen. Dies war damals durchaus der Ort, von dem aus Admiral Rothbard die Entwicklung überwachte und initiierte. Es gibt an Bord dieser Dreigestirn-Einheit keine echte KI. Die automatischen Anlagen an Bord dieser Pyramiden haben einen Turing-Kompatibilitätslevel von drei Komma neun. Erst ab vier besteht vollständige Selbsterkenntnis und die Gefahr der Autonomie.«
»Die Station hat den startenden Hive abgeschossen.«
»Die Station hat sich verteidigt. Der Hive hat sie mehrmals angegriffen und versucht es immer wieder. Für ihn ist die Station ein legitimes Ziel. Er kann nicht differenzieren zwischen einer KI und einer bloß sehr effektiven Automatik. Andererseits überwältigt er sie nicht, weil es für ihn aktuell keine Notwendigkeit gibt, massenhaft zu starten. Es gibt ja im Grunde keinen Feind mehr da draußen. Also warten sie. Sie warten alle.«
»Warum verstecken Sie sich?«
»Weil die Station irrigerweise denkt, ich sei, so lange ich autonom handele und kein Teil der Besatzung werde, ein Verbündeter des Hives, ein Infiltrator. Sie ist ein wenig durchgedreht, wie ich schon sagte. Diese Sektion ist für die Automatik unzugänglich, ein blinder Fleck, wenn Sie so wollen. Ein Schmerz, den sie nicht loswird, den sie aber permanent spürt. Mein Erzeuger fand es notwendig, diese Schutzmaßnahme zu treffen, denn er musste befürchten, dass ohne menschliche Überwachung die Routinen der Station dazu führen würden, mich und vor allem jeden neuen Besucher als Störung anzusehen. Das ist in etwa auch so eingetroffen. Über eine lange Zeit. Die ich durch völlige Inaktivität – oder vielmehr Nichtexistenz – gestreckt habe, so gut es eben ging. Aber der Tank benötigt Energie. Irgendwann beginnt die Station … unruhig zu werden. Ich lebe also so selten wie möglich und dann nur kurz.«
Uruhard nickte. Ryk verstand nicht alles, konnte es nicht glauben, aber er war zumindest bereit, die Erklärungen des Babys zu akzeptieren, quasi als Grundlage. Die Station hatte sie allerdings nicht als Störung registriert, sie war sogar recht gastfreundlich gewesen. Vielleicht war es die Aussicht darauf, etwas Neues zu erfahren, die sie in ihrem Handeln eingeschränkt hatte.
Doch was blieb nun? Es gab für sie doch ganz offenbar nichts mehr zu tun.
»Wieso existieren Sie also?«, fragte Sia.
»Sehr gute Frage. Warum hat der Admiral mich zurückgelassen? Zum einen, falls jemand nach ihm suchen kommt. Es gab dafür immer eine geringe Wahrscheinlichkeit, und siehe da, hier sind Sie. Damit jemand da ist, der Ihnen die Sachlage erklärt. Der Sie mit den Tatsachen konfrontiert. Ich hoffe, ich habe diese Aufgabe zur allseitigen Zufriedenheit bewältigt.«
»Na ja«, murmelte Ryk, doch außer einem strafenden Blick Sias erntete er keine Reaktion.
»Und zum anderen?«, fragte sie Rothbard.
»Weil der Admiral, bevor er es selbst versuchte, sagte: ›Ich habe zusammen mit meinen letzten Getreuen einen Plan geschmiedet, um den Hive und die KIs gleichzeitig zu besiegen.‹ Fragen Sie mich nicht nach Details. Ich bin nur die Kopie. Aber ich soll diesen anderen die richtige Richtung weisen. Damit sind Sie gemeint. Dafür existiere ich. Verstehen Sie?« Der Klon lächelte. »Wenn alles klappt, bin ich der Letzte hier. Keine weitere Wiedergeburt, kein Leben von maximal acht Stunden Dauer. Der Zyklus findet ein Ende. Ich kann Ihnen versichern, ich habe daran sehr großes Interesse.«
Ryk war bei den Worten des Mannes sehr aufmerksam geworden. »Die Richtung weisen? Sie meinen, es gibt einen Weg, den Hive zu stoppen?«
»Einen, an dem Rothbard offenbar gescheitert ist«, ermahnte das Neugeborene. »Sonst wäre nicht alles so, wie es derzeit noch ist. Aber ja, es gibt offenbar einen Weg. Ich weise Ihnen aber nur die Richtung.«
Ryk lachte nur.
»Was ist der Plan?«, fragte Sia.
»Ich weiß es nicht genau. Das ist eine weitere Sicherheitsmaßnahme. Da Rothbard sich niemals sicher sein konnte, ob die Automatik des Dreigestirns es schaffen würde, sich zur vollwertigen KI weiterzuentwickeln oder eine wiedererweckte KI von außerhalb es schaffen …« Rothbard unterbrach sich. Er starrte Sia an. Und er wurde sehr blass.
»Was ist?«, fragte Ryk in die Stille hinein. »Was ist passiert?«
»Ich bin ein Idiot«, flüsterte Rothbard.
Sia nickte. »Das sind wir alle«, erwiderte sie tonlos und drehte sich zu Ryk. »Das Schiff.