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und Ruhe üben, ich bin die Lehrerin.«

      »Und du, Pa, was hättest du gemacht?«

      »Ich? Na, das Gleiche. Man muss immer ruhig bleiben.«

      »Bloß nicht wehren, was?«

      »Ach, Joshi … äh … Josha, entschuldige, aber in deinem Alter sieht man das etwas … mehr schwarz und weiß.«

      »Stell dir vor, dieser Typ beleidigt Mama. Würdest du sie nicht verteidigen? Wenn du ihm jetzt gleich auf der Straße begegnest, was würdest du machen?«

      »Ihn grüßen.«

      Joshua lachte verächtlich auf und ging mit seiner Wäsche die Treppe hinauf in den ersten Stock. »Du bist doch nur zu feige.«

      »Was war das?«, fragte Alexandra erbost.

      »Lass ihn.« Martin winkte ab. »Er ist grad in so einer Testosteron-Phase, verstehst du?«

      »Aber deswegen muss er keinen beleidigen.«

      »Komm, sag deinem anderen Sohn Guten Tag, der ist sonst ähnlich schlecht gelaunt wie der große.«

      Martin zog seine Frau an der Hand ins Wohnzimmer, wo Alexandra sich sogleich vor Piet auf die Knie fallen ließ.

      »Pieti, hallo«, begrüßte sie ihn.

      »Hi, Mom«, sagte Daniela, auf ihr Handy starrend.

      »Hi, Schatz. Passt du auf ihn auf?«

      »Nee, sitz hier nur zufällig rum.«

      »Ich hab ein Fläschchen für ihn gemacht«, schaltete Martin sich ein und nahm die Milch aus dem Hitzebad.

      »Papa hat für dich gekocht?«, fragte sie den Kleinen und hob ihn immerzu küssend hoch.

      Alexandra und Martin nahmen am Esstisch Platz, und Martin schob seiner Frau die Flasche hin. »Die haben so viel Sturm angesagt, dass wir die Fahrräder besser hierlassen«, sagte er. »Die krachen uns sonst vom Dach.«

      »Oh, oh, das wird Josha nicht gefallen«, rief Daniela.

      »Da muss er mit leben. Papa hat recht. Sicher ist sicher.«

      »Natürlich. Immer schön vorsichtig sein, bloß nichts riskieren.«

      Beide drehten sich zu ihrer Tochter um.

      »Fängst du jetzt auch damit an?«, wollte Alexandra wissen. Piet öffnete den Mund, aber der Sauger schwebte unerreichbar vor seiner Nase.

      »Womit?«

      »Mit diesen sarkastischen Kommentaren.«

      »Nein, ich hab nur …«

      Piet verzog das Gesicht und fing an zu heulen. Alexandra steckte den Nuckel in seinen Mund. »Ich will nichts mehr hören, klar?«, sagte sie abschließend und konzentrierte sich wieder auf ihren jüngsten Sohn.

      »Also«, setzte Martin an, »ansonsten ist eigentlich alles da. Es fehlt nur noch …« Er machte eine heimlichtuende Grimasse.

      Alexandra verstand sofort.

      »Hoffentlich klappt das, sonst werden wir richtig dicke Luft haben.«

      »Von was redet ihr?«, wollte Daniela wissen.

      »Nichts, gar nichts«, entgegnete Martin schnell.

      Es klingelte an der Tür. Martin ging nach vorn in den Flur und erkannte die rot-gelbe Kleidung des Paketboten hinter der Milchglasscheibe.

      »Guten Tag, ein Paket für Trender«, sagte der Bote und tippte dabei mit einem Stift auf dem Lesegerät herum.

      Martin nahm das Päckchen entgegen und unterzeichnete auf dem verkratzten Display.

      »Halt, stopp«, rief Alexandra und kam mit Piet auf dem Arm herbeigeeilt. Sie streckte dem Boten eine Tüte mit Keksen und etwas Trinkgeld entgegen.

      »Oh, das ist aber nett«, freute der sich und schob seinen Mützenschirm höher. »Vielen Dank und frohe Weihnachten für Sie.«

      »Ebenso. Frohe Weihnachten.«

      Martin schloss die Tür und blickte auf den Absender.

      »Ist es das?«

      »Ja, Weihnachten ist gerettet.«

      »Wusste gar nicht, dass das Christkind für den Mindestlohn beim Paketdienst arbeitet«, sagte Daniela im Vorbeigehen und verschwand im Gästebad. Das Schloss schnappte ein.

      Martin und Alexandra sahen sich verdutzt an.

      »Mit denen sollen wir in den Urlaub fahren?«, fragte Martin Piet und pikste ihm in den Bauch. »Du bist das einzig nette Kind hier im Haus.«

      Der Kleine lachte, und sie gingen zurück ins Wohnzimmer.

      Hamburg-Wilhelmsburg, Zentrale von Optisecur, 16:55 Uhr

      Till schlug seinen Spind zu und drehte sich schnaubend um. Hinter ihm standen vier Kollegen, die augenblicklich aufhörten, sich anzuziehen und ihre Gespräche fortzuführen. »Wer war an meinem Spind?«, bellte er und blickte von Gesicht zu Gesicht, doch keines zeigte eine Reaktion. »Wer?«, schrie er und schlug mit der flachen Hand gegen die Tür, dass es krachte.

      Niemand bewegte sich.

      »Was soll der Lärm hier?«, rief eine Stimme von weiter hinten, und ein Mann in blauem Pullover mit schwarzem Schnäuzer kam wenig begeistert in die Umkleide.

      »Jemand war an meinem Spind«, sagte Till und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Wurde was geklaut?«

      »Nein, aber jemand hat herumgewühlt.«

      Zinkowski, Tills Chef, kam näher und warf einen Blick in den schmalen Schrank.

      »Sieht alles normal aus.«

      »Ja, aber es liegt nicht so wie letztes Mal. Ich leg die Sachen immer so hin, dass ich sofort sehe, wenn sie jemand angepackt hat.«

      »War einer von euch an diesem Schrank?«, fragte Zinkowski an seine Mitarbeiter gewandt.

      Alle schüttelten den Kopf.

      »Okay, dann musst du dir ’n neues Schloss besorgen. Mehr kann ich jetzt nicht tun.« Er schaute ihn mit einer bedauernden Falte im rechten Mundwinkel an.

      »Kann ich dich kurz sprechen?«, bat Till.

      »In meinem Büro.« Zinkowski machte kehrt und ging eiligen Schrittes voran in den dunklen Flur und durch die offen stehende Tür zu seinem Büro. Nachdem er sich in seinen zerschlissenen Ledersessel geworfen und ein Buch auf seinem Schreibtisch geschlossen hatte, sah er Till mäßig erwartungsvoll an. »Na?«

      »Ich glaube, ich weiß, wer’s war, und ich würde gern einen anderen Mitfahrer bekommen«, eröffnete Till das Gespräch.

      »Du meinst, Bernd war’s?«

      »Die anderen würden sich nicht trauen. Lass mich mit dem Kleinen fahren, dann kann Bernd mit Günther auf Tour gehen.«

      Zinkowski atmete unzufrieden aus, tippte auf seiner Tastatur herum und stierte auf den Bildschirm.

      »Na ja … wenigstens würde es keinen Schichtwechsel bedeuten.«

      »Ich will Bernd ja auch nichts anhängen, aber wir sollten lieber nicht zusammen auf einem Bock sitzen. Das wird nicht gut gehen.«

      Zinkowski blickte auf und musterte den finster dreinblickenden Till eingehender. Er war fast eins neunzig groß, breitschultrig, kräftige Hände, kahler Schädel und Vollbart. Dazu ein dunkler Blick aus kohlrabenschwarzen Augen. Sein Name passte so was von gar nicht zu ihm. Unter einem Till stellte Zinkowski sich einen blonden, netten Jungen mit Zahnspange vor, aber nicht diesen bärtigen Riesen, der wahrscheinlich kleine Kinder zum Frühstück verspeiste.

      »Im Grunde«, begann er fast abwesend, »bist du mir unheimlich mit deiner Art. Aber ich muss

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