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... Dolphin?«, wiederholte sie.

      Dolphins waren kleine, leistungsfähige Raumboote, die die Abteilung III in Bedrängnis geratenen Agenten schickte. Sie waren weitgehend autonom und konnten von einer einzelnen Person oder zur Not auch vom Autopiloten gesteuert werden. Außerdem boten sie erstklassige medizinische Versorgung nach dem Vorbild von Technologien aus Andromeda, die sogar Reisen durch Sonnen- und Situationstransmitter erträglich machte. Pate für ihren Namen stand der Mythos, demzufolge Delfine Schiffbrüchige aus Seenot retteten.

      Ein Dolphin verhieß Sicherheit, verhieß Schutz. Allein beim Gedanken daran, sich in die Umarmung eines solchen Rettungsboots sinken zu lassen, wurden Princess die Lider schwer. Er könnte es anfordern, sofort von seinem Schreibtischkom aus, mit dem er auch seine Berichte versendete, mittels eines kleinen, mehrfach gesicherten Programms im hintersten Winkel der Positronik. Dann brauchte er sich bloß noch zum Treffpunkt begeben ... und ihn erwartete eine schnelle Heimkehr.

      Dennoch – oder gerade deswegen – schreckte Stewart Princess noch davor zurück. Das Notsignal abzusetzen, hieße aufzugeben. Diesmal für immer. Er konnte nicht einfach fliehen und später zurückkehren, als ob nichts gewesen wäre. Hondro würde ihn bemerken.

      Andererseits ... hatte er das nicht längst?

      »Einen Dolphin zu rufen, ist eine endgültige Entscheidung«, äußerte er seine Bedenken. »Wenn wir das tun, gibt es kein Zurück mehr.«

      Sie sah ihn an mit ihren Augen einer Göttin. So stolz, so fordernd. Und voller Leid. »Tu es, Stewart!«

      Er nickte. »Also schön. Ich werde es tun. Halt dich bereit.«

      »Gut.« Sie glitt von seinem Tisch. »Ruf mich, wenn du so weit bist.« Sie gab ihm einen Kuss und verließ sein Büro. Sie schwankte wie eine Betrunkene, aber verglichen damit, wie er sich fühlte, kam sie ihm beinahe schwerelos vor. Ihre Stärke war bewundernswert. Oder vielleicht nahm sie die besseren Drogen? Er musste sie unbedingt danach fragen ...

      Stunden später schrak Stewart Princess auf. Sein Kopf war auf den Tisch gesunken, draußen vor dem Fenster war es dunkel. Verdammt, er musste wieder eingeschlafen sein! Hastig durchsuchte er seine Schublade nach den restlichen Pillen, nahm die doppelte Dosis und hielt sich mit dem Gummiband an seinem Handgelenk wach, bis er die Kraft fand, sich auf die Positronikkonsole zu konzentrieren.

      Freya Nikulina hatte recht – in diesem Zustand war er zu nichts mehr nütze. Falls Hondro wirklich hinter alldem steckte, wäre es dem Diktator ein Leichtes, Princess und alle, auf die er es abgesehen hatte, zu beseitigen. Mehr noch als diese Aussicht machte Princess die Ungewissheit zu schaffen, wie lange der aktuelle Zustand auf Plophos noch andauern könnte – und was dann aus ihm und den Menschen dieser Welt wurde.

      Er hatte Angst. Er war in Seenot. Allein auf einem dunklen Meer ... und er fürchtete sich vor dem Ertrinken.

      Princess rief das versteckte Programm auf und authentifizierte sich mehrfach. Der Vorgang dauerte so lange, dass er jedes Zeitgefühl verloren hatte, bis endlich die letzte Abfrage vor ihm blinkte. Der Augenblick der Entscheidung.

      Er bestätigte.

      Er hatte den Dolphin gerufen.

      Mit klopfendem Herzen wartete er, bis er die Rückbestätigung erhielt, dass sein Hyperfunkruf vernommen worden war. Nike Quintos Mitarbeiter waren informiert. Und irgendwo im Solsystem machte sich nun ein kleines Raumschiff auf den Weg zu ihm.

      Zeit, zu gehen – falls doch jemand das Signal zu ihm zurückverfolgte. Stewart musste nun untertauchen. Wenn alles gut ging, würde schon in wenigen Stunden die Rettung zur Stelle sein.

      Nachdem er seinen Entschluss gefasst hatte, wünschte er, es würde schneller gehen – doch diese letzte Frist war nötig, um eine Entdeckung zu vermeiden. Eine Transition direkt in den Orbit von Plophos mit anschließendem Notmanöver würde eine ganze Kaskade diplomatischer und militärischer Probleme auslösen. Um dies zu vermeiden, würde der Dolphin sich stattdessen anschleichen und sich auf einer sicheren Frequenz melden, sobald er einen geeigneten Landeort lokalisiert hatte. Danach konnte Princess Nikulina Bescheid geben ...

      Princess hatte schon fast die Tür erreicht, als er innehielt.

      Eins blieb noch zu tun – so viel war er ihnen schuldig. Beinahe hätte er es vergessen.

      Er ging zurück zu seinem Tisch, setzte abermals den Neurostreamdimmer auf und rief Vivian an.

      Vivian war die einzige weitere Mitarbeiterin der Abteilung III auf Plophos, von der er Kenntnis hatte. Er hatte sie nie persönlich getroffen, ihm war weder ihr echter Name noch ihre Tarnidentität geläufig. Er kannte nur ihren internen Decknamen sowie ein altes Bild und wusste, dass sie zwar deutlich jünger war als er, aber nicht weniger fähig. Und dies war einer der drei im Handbuch vorgesehenen Fälle, in denen er sich bei ihr melden sollte. Die anderen beiden – unmittelbare Gefahr für sein oder ihr Leben – waren bislang nie eingetreten.

      Es dauerte eine Weile, bis sie den Ruf entgegennahm. Dann baute sich ihr Bild vor ihm auf.

      Vivian hatte sich verändert. Sie war eine Strigoidin – wie viele genetisch angepasste Plophoser litt sie an einer erhöhten Lichtempfindlichkeit. Nicht dramatisch in ihrem Fall, aber irgendwann im Laufe der vergangenen Jahre musste sie sich dazu entschlossen haben, die Patina aufzutragen, mit der sich viele der Betroffenen schützten: ein kupfergrüner Film aus Nanopartikeln, der den ganzen Körper einhüllte. Schimmernd. Anmutig. Fremd.

      Für Princess sah sie dadurch aus wie eine Meerjungfrau im Schuppenkleid.

      »Mein Gott – Arthur?«, hauchte sie schläfrig und nannte ihn bei seinem Decknamen. »Was gibt es?«

      »Ich gehe«, informierte er sie ohne Umschweife. »Ich gehe heim.«

      Sie warf sich eine Decke über die Schultern. »Sind schlechte Zeiten.«

      »Kommst du zurecht?«, fragte er.

      Sie gähnte, konnte kaum die Augen offen halten. Hinter ihr sah er undeutlich hingestreckte Gestalten vor einer Mauer. »Besser als die meisten anderen ...«

      »Willst du nicht ebenfalls gehen?«

      »Gehen?« Sie blinzelte, so langsam, dass er kurz fürchtete, sie würde vor seinen Augen einschlafen. »Wohin denn?«

      »Zurück zur Erde natürlich.«

      »Ich muss doch bleiben ... beobachten ...«

      »Das habe ich auch versucht. Anderthalb Jahre lang. Jetzt ist es vorbei.«

      Sie kommentierte seinen Entschluss nicht. »Auf Wiedersehen, Arthur. Und alles Gute.«

      »Auf Wiedersehen, Vivian.«

      Mit einem Kloß in der Kehle beendete Princess das Gespräch und sah sich ein letztes Mal um. Die kleine Bar an der Wand, das stolze Geweih über dem Sessel. Es waren gute und ereignisreiche Jahre gewesen – die besten seines Lebens wahrscheinlich. Nun war es vorbei. Hondro hatte gewonnen. Princess löschte den privaten Speicher seiner Positronik und packte die verbliebenen Drogen ein.

      Den Männern und Frauen im Vorraum konnte Stewart Princess nicht mehr helfen. Mit offenen Augen und flachem Atem lagen sie unter den Tischen. Schon spürte er, wie die Lethargie auch ihn zu übermannen drohte. Am liebsten hätte er sich zu ihnen gelegt. Er schluckte eine weitere Pille, dann fuhr er mit dem Fahrstuhl nach unten.

      Durch die Lobby schritt er hinaus auf die dunkle Straße. Überall lagen die Menschen hilflos umher wie Fische, die nach Luft schnappten. Einige fanden noch die Kraft, zu kriechen, schwach auf Nahrungs- und Getränkespender einzuschlagen, um gierig die karge Ausbeute zu verzehren. Sie wirkten wie die letzten Überlebenden einer Katastrophe. Plophoser, Terraner – niemand war gegen die unheimliche Schlafseuche immun.

      Princess tauchte tiefer in die nächtliche Stadt ein.

      Die Hauptverkehrswege waren nach wie vor gelähmt. Privatfahrzeuge, Busse, Einsatzwagen türmten sich wie schimmernde Korallenriffe im flackernden Licht der Neonreklame. Princess sah zu den hohen Türmen von New Taylor auf,

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