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wiederholte Lulu. »Klingt alles total logisch.«

      Mehrere Leute kamen durchs Schultor, musterten verwundert die beiden Mädchen, die zwischen Tupperdosen auf dem Schulhof hockten, und liefen weiter zur Sporthalle. Energisch sprang Lulu auf, als hätte sie soeben einen Entschluss gefasst, und sammelte die Tupperdosen ein, die – wie ich ungläubig bemerkte – bis oben hin voll mit Törtchen waren.

      »Wir gehen da jetzt rein«, erklärte sie entschieden. »Dann werden wir ja sehen, was los ist.«

      »Okay«, erwiderte ich zögernd, bewegte mich aber nicht von der Stelle.

      »Claire«, rief Lulu ungeduldig. »Komm schon. Was soll denn passieren?«

      Keine Ahnung, wollte ich erwidern und Lulu sagen, dass genau da das Problem lag. Aber dann riss ich mich zusammen. Es war albern anzunehmen, dass überhaupt etwas Außergewöhnliches passieren würde. Es musste eine einfache Erklärung für all das geben, und die würden wir nur finden, wenn wir zurück in die Sporthalle gingen. Also folgte ich meiner Freundin.

      Am Eingang stand noch immer Frau Dr. No Wache.

      »Ihr könnt den Kuchen da vorne aufs Buffet stellen«, erklärte sie uns, kaum hatten wir die Halle betreten. Mit offenen Mündern starrten wir sie an.

      »Ich sagte, ihr könnt den Kuchen da vorne aufs Buffet stellen«, wiederholte Frau Dr. No streng.

      Ich packte Lulu am Arm und zog sie ohne ein Wort zum Buffet.

      »Viel Spaß, ihr zwei«, rief Frau Dr. No uns hinterher.

      »Das ist so gruselig«, raunte ich Lulu zu, während wir die Dosen auf dem Buffet platzierten.

      »Ziemlich«, erwiderte Lulu, im Gegensatz zu mir klang sie jedoch, als würde ihr das gefallen.

      Ich riskierte einen Blick Richtung Bühne, und wie ich bereits befürchtet hatte, entdeckte ich dort auf Anhieb Sophie und Lucas, die gemeinsam lachten. Immerhin war ich dieses Mal auf den Anblick vorbereitet, was ihn natürlich nicht besser machte.

      »Lecker, ich mag Mohn!«

      Ohne dass ich ihn bemerkt hatte, war Samuel neben Lulu und mir am Buffet aufgetaucht. Na klar. Und genau wie vorhin griff er nach dem dreckigen Sahnetörtchen, das ich an diesem Abend schon ein paarmal vom Boden aufgesammelt hatte. Mist!

      »Stopp!«, rief ich, ohne darüber nachzudenken, und schlug Samuel das Törtchen zum zweiten Mal an diesem Tag aus der Hand. Aber dieses Mal konnte ich ihn unmöglich noch einmal mit der Erklärung abspeisen, dass die Mohntörtchen für die Lehrer reserviert waren.

      »Die sind, äh, gar nicht gut für deine Figur«, improvisierte ich schnell. »Als Sportler musst du doch besonders darauf achten, was du isst, oder? Proteine und so, Low-Carb, was weiß ich, auf jeden Fall keinen Zucker. Und diese Törtchen enthalten massenweise Zucker!«

      »Ach, echt?« Samuel grinste leicht ironisch. »Na ja, recht hast du ja. Danke. Morgen hätte ich das bestimmt bereut.«

      »Äh, gern geschehen«, erwiderte ich perplex, als Samuel sich umdrehte, um auf die Tanzfläche zu gehen. Und erst, als ich mich zu Lulu wandte, die Samuel mit düsterer Miene hinterherschaute, machte es in meinem Kopf klick.

      Was, dachte ich plötzlich, wenn das hier gerade wirklich die Wiederholung wäre? Was, wenn Samuel gerade nicht zum zweiten Mal versucht hätte, das dreckverseuchte Törtchen zu essen, sondern zum ersten Mal? Was, wenn Frau Dr. No nicht unter Demenz litt, sondern sich nur deshalb nicht daran erinnern konnte, dass sie uns bereits viel Spaß gewünscht hatte, weil sie es noch gar nicht getan hatte? Was, wenn Sophie und die Doppel-Ds nicht zurückgekommen waren, sondern gerade zum ersten Mal angekommen waren, als sie ihre dummen Sprüche machten?

      Was, wenn das hier tatsächlich so eine Murmeltier-Sache war?

      Wenn das so war, dann hatte meine Freundin gerade die Chance verpasst, mit dem Jungen zu tanzen, den sie seit Monaten still und heimlich anbetete. Und das womöglich bloß, weil ich mich anders verhalten hatte als beim ersten Mal. Obwohl ich nicht ganz so viel von Mr. Micky Maus hielt wie sie, wollte ich auf keinen Fall riskieren, ihr diese einmalige Chance verdorben zu haben.

      »Geh ihm nach.« Ich schob Lulu Richtung Tanzfläche.

      »Was?« Lulu stemmte sich gegen meine Hände. »Und was soll ich ihm sagen?«

      »Gar nichts. Du sollst nur mit ihm tanzen.«

      »Aber was, wenn er nicht will?«

      »Na, vorhin wollte er doch, oder? Warum sollte er also jetzt nicht wollen?«

      Ich schob energischer.

      »Lulu«, sagte ich eindringlich. »Ich hab keine Ahnung, was hier gerade passiert. Doch so wie es aussieht, kriegst du eine zweite Chance. Alles richtig zu machen, meine ich.«

      Lulu nickte langsam, als würde es nun auch bei ihr klick machen.

      »Du hast recht«, sagte sie und ihre Augen begannen zu leuchten. Dann drückte sie mir einen schnellen Kuss auf die Wange und eilte endlich ihrem Schwarm hinterher.

      Ich lehnte mich gegen das Buffet und konnte nicht aufhören, den Kopf über diese ganze seltsame Situation zu schütteln. Die Band spielte exakt dieselben Songs, die sie auch schon zuvor gespielt hatte, was man sich natürlich auch damit erklären konnte, dass das ihr übliches Bühnenprogramm war. Aber ich glaubte nicht mehr, dass das der Grund war …

      Ich nahm den Anhänger in die Hand und betrachtete ihn. Die Uhr zeigte Viertel vor acht, genau wie die große Sporthallenuhr. Was war hier bloß los? Mit dem Finger zeichnete ich die verschlungenen Gravuren nach und dachte daran, wie sich Lulus und mein Anhänger für einen kurzen Augenblick verbunden hatten, als wir uns umarmten. An den Stromschlag, der uns erwischt hatte. Und ich überlegte, ob das damit zusammenhängen konnte, dass irgendetwas Komisches mit der Zeit passiert war …

      Was war das für ein seltsames Schmuckstück, das meine Großmutter mir da hinterlassen hatte?

      In diesem Moment begann die Band, eine Ballade zu spielen. Ich ahnte bereits, was mich erwartete. Es war dasselbe Lied, das mir zu Beginn der Party bereits den ganzen Abend verdorben hatte. Ich seufzte.

      Das war der mit Abstand schrägste und zugleich schlimmste Geburtstag meines Lebens. Das Ganze war ein Albtraum! Ich kniff mich selbst in den Arm. Autsch! Nein, es war natürlich kein Traum.

      Doch dann machte es noch mal klick in meinem Kopf. Und plötzlich hatte ich eine ganz vage Idee. Was hatte ich Lulu gesagt: Das hier ist deine zweite Chance … Wenn das stimmte, also, wenn diese ganzen seltsamen Ereignisse so eine Murmeltier-Sache waren, dann bedeutete das womöglich, dass ich auch eine zweite Chance bekam!

      Und dass ich mir keine bewusstseinsverändernden Medikamente besorgen musste, um Lucas’ Erinnerung an die größte Peinlichkeit meines Lebens auszulöschen. Sondern dass ich einfach nur verhindern musste, dass sie erneut passierte. Die Frage war bloß: wie?

      Dummerweise sah ich Sophie mit Lucas im Schlepptau auf mich zusteuern, bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, geschweige denn eine Antwort auf diese drängende Frage gefunden hatte.

      »Hi, Claire«, begrüßte sie mich zuckersüß. »Das ist Lucas.«

      Ich seufzte. Der Satz wurde im zweiten Anlauf nicht gerade intelligenter.

      »Lucas hat mich nach dem Weihnachtskonzert gefragt, ob ich bei Echtzeit mitmachen möchte, weißt du«, fuhr Sophie fort. Als sie anfing, mir die Geschichte mit dem Song, den Lucas extra für sie geschrieben hatte, noch mal unter die Nase zu reiben, beschloss ich, einfach zu gehen.

      »Sorry«, sagte ich und wollte mich an Sophie vorbeischieben. »Das ist echt eine spannende Story, aber ich muss mal.« Leider drängelten sich mittlerweile so viele Leute vor dem Buffet, dass mir die Flucht nicht so einfach gelang.

      »Ich hol mir mal was zu trinken«, sagte Lucas und ging weg, drehte sich aber nach ein paar Schritten noch einmal um. »Soll ich dir was mitbringen?«, fragte er Sophie.

      »Eine

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