Скачать книгу

jetzt gibts überall auf dem Lande Ponys.“

      „Das kann sie ja nicht wissen.“

      Dori hatte ihr Fahrrad aus dem Gepäckwagen des Zuges in Empfang genommen und machte sich nun daran, ihr Gepäck darauf zu verstauen. Der Rucksack kam auf den Gepäckträger, eine Tasche an die Lenkstange, die andere ...

      „Gib her“, sagte Peter nicht gerade freundlich, aber schließlich mussten sie ja weiter. „Ich hänge sie bei mir dran. Wir müssen sowieso die meiste Zeit schieben.“

      „Gehts bergauf?“, fragte Dori. Peter nickte.

      „Klar. Wir wohnen auf dem Schlossberg.“

      „Zu schade, dass ihr keine Pferde habt“, wiederholte Dori, während sie die Fahrräder nebeneinanderher aus dem Bahnhofsgelände schoben. „Bei uns ist ein Reitverein gleich nebenan, da bin ich jeden Tag zum Helfen. Zum Ausmisten und Stallgasse-Kehren, na, zu allem, was gemacht werden muss. Manchmal darf ich auch trockenreiten.“

      „Trockenreiten?“

      „Na ja doch. Wenn die Pferde nass geschwitzt sind, in der Abteilung oder beim Ausreiten, müssen sie zehn Minuten geführt oder im Schritt geritten werden, bis sie trocken sind. Ich führe natürlich nicht, sondern reite.“

      „Hm. Einen Reitverein gibts hier auch. Nicht in Neuenstein, aber in Oeffingen. Das ist das Nachbardorf. Wir können ja mal hinradeln.“

      „Mal? Jetzt gleich. Wir bringen nur das Gepäck weg, zu euch – oder können wir es woanders lassen, damit wir nicht erst den Berg rauf müssen?“

      „Nee, das müssen wir erst raufbringen. Mutter wartet. Sonst denkt sie, du bist gar nicht gekommen.“

      Peter sprang vom Rad, sie waren am Fuß des Schlossbergs angelangt. Während sie ihre Räder den steilen Fußweg hinaufschoben, wobei Dori immerzu der Rucksack vom Gepäckträger rutschen wollte, betrachtete Peter sie unauffällig. Sie war etwas größer als er, was ihn ärgerte, trug eine kurze Hose und ein T-Shirt und hatte ziemlich kurz geschnittenes Haar, braun mit einem rötlichen Schimmer darüber. Ein rundes Gesicht mit lustigen Sommersprossen, muntere Augen und einen Mund, der nicht stillstand, auch hier nicht, wo man die Luft doch eigentlich zum Steigen brauchte, vor allem, wenn man ein beladenes Fahrrad schob. Dori scherte sich nicht darum, sondern fragte und fragte, wollte alles wissen, vor allem vom Reitverein. Schließlich fand Peter, der nicht allzu viel vom Reitverein wusste, nun könnte er ja auch mal was fragen.

      „Wie heißt du eigentlich? Doria?“, setzte er also an. Es klang nicht sehr liebenswürdig.

      „Eigentlich Dorothea“, antwortete sie, „das heißt ‚Gottesgeschenk‘. Meine Eltern haben sich eine Tochter gewünscht und mich deshalb so genannt.“

      „Na, wie ein Gottesgeschenk siehst du nicht aus“, meinte Peter. „Aber keiner kann für den Geschmack seiner Eltern. ‚Peter‘ mag ich ja auch nicht.“

      „Peter heißt bei uns ein Rappe, ziemlich schwer, aber gutmütig“, sagte Dori. „Damit es schneller geht, sagen sie Doria oder Dori oder Dor zu mir. Ich hieße gern anders. Es gibt aber viel mehr hübsche Jungenals Mädchennamen. Petra würde ich gern heißen.“

      „Ausgerechnet Petra?“, fragte Peter erstaunt. Sie lachte.

      „Noch lieber richtig Peter. Es gibt Mädchen, die Peter heißen. Oder Hansi. Ich aber leider nicht.“

      „Gefällt dir denn ‚Peter‘?“, fragte er erstaunt.

      „Und wie! Ich nenne mein erstes Kind bestimmt mal so, ob Junge oder Mädchen.“ Sie sagte das so selbstverständlich, wie ein anderer vielleicht gesagt hätte: Mein Rucksack rutscht schon wieder. Eine Schmeichelei war es also auf keinen Fall.

      Peter schwieg. Dann waren sie oben.

      Mutter kam ihnen nicht entgegen. Sie fanden sie auch nicht in der Küche, sondern endlich im oberen Flur.

      „Ich muss fort, Vater hat eben angerufen. Sucht euch etwas zu essen – Tag, Dori! Wie schön, dass du da bist ...“ Schon war sie um die Ecke der Garderobe verschwunden. Peter lachte vergnügt.

      „Na schön, können wir machen, was wir wollen. Spiegeleier oder –“

      „Hast du Hunger?“, unterbrach ihn Dori. „Ich nicht. Bloß Durst. Lass, ich trinke Wasser.“ Peter hatte den Kühlschrank aufmachen wollen. „Damit wir fortkommen.“

      „Fort? Wohin denn?“

      „Na, zum Reitverein natürlich. Wohin denn sonst?“

      Dori warf den Rucksack in eine Ecke und die Taschen darauf. „Komm, los, desto mehr Zeit haben wir dort.“

      „Na schön.“

      Peter wäre lieber in der kühlen Küche geblieben, aber er konnte seinen Gast nicht gut allein loslaufen lassen. Außerdem wusste Dori ja nicht, wo der Reitverein war. So trank auch er nur ein Glas Wasser und wollte Dori folgen, besann sich aber und erwischte sie noch am Arm, ehe sie die Treppe hinunter war.

      „Komm noch mal her, ich will dir was zeigen.“

      Aus der Küche führte eine zweite Tür in den oberen Flur und von da aus ging eine Wendeltreppe hinab, bei der man rundum sausen konnte, wenn man sich am mittleren Geländer festhielt. Peter machte es vor, Dori folgte. Dann standen sie in einem großen Raum, der nach zwei Seiten hin Fenster hatte.

      „Das ist das Atelier. Früher war es der Pferdestall.“

      Bei dem Wort Pferdestall riss Dori die Augen weit auf.

      „Richtig. Das müssen die Boxen gewesen sein.“ Sie ging von einem der Pfosten, die noch vorhanden waren, zum anderen. „Hier – und hier – und da –“

      „Dort hinten war der Wassertrog. Der Kutscher pumpte ihn immer abends voll, sagt Mutter.“

      „Damit das Wasser abgestanden war. Pferde müssen abgestandenes Wasser bekommen, kein eiskaltes.“

      „Und dort oben ist die Luke.“ Peter deutete zur Decke hinauf. „Da durch warfen sie das Heu herunter.“

      „Das ist praktisch“, lobte Dori. „Bei uns im Reitstall ist das auch so: oben der Heuboden mit den vielen Katzen.“

      „Gibts dort so viele?“, fragte Peter.

      „Klar. Wo Pferde sind, die Hafer zu fressen bekommen, sind immer Mäuse, deshalb hält man sich Katzen. Nur bekommen sie oft Junge, ohne dass man es merkt – im Heu. Meist findet man sie erst, wenn sie schon ziemlich groß sind. Was glaubst du, wie oft ich schon mit jungen Katzen herumgezogen bin und sie Leuten angeboten habe, in der Hoffnung, dass sie sie nehmen würden. Katzen vermehren sich wahnsinnig schnell. Ich habe mal ein Bild bei unserem Tierarzt gesehen, da war oben eine Katze, darunter zwei, dann vier und acht und so weiter, zuletzt lauter, lauter, lauter Katzen, ein ganzer Berg. Kein Mensch will so viele. Aber man kann sie ja beim Tierarzt sterilisieren lassen. Das sollten alle Leute tun, die sich eine Katze wünschen.“

      „Kann man das?“, fragte Peter.

      „Man kann. Man muss. Du, im Reitverein hatten wir mal eine Ratte. Die saß in einer leeren Tonne, in der vorher Kraftfutter gewesen war. Da haben wir unseren größten Kater geholt und dazugetan. Und weißt du, was dann passierte?“

      „Er brachte die Ratte um.“

      „Denkste! Überhaupt nicht. Er hat sich gefürchtet wie vor wer weiß was, hat gemaunzt und ist schließlich aus der Tonne herausgesprungen und weg war er.“

      „Und die Ratte?“

      „Die hinterher! Über den Hof haben wir beide fegen sehen und dann waren sie weg. Das heißt, der Kater kam eines Tages zurück. Er gehörte ja zu uns. Den haben wir aber ausgelacht.“

      „Ob er das gemerkt hat?“

      „Na sicher. Katzen sind sehr feinfühlige Tiere.“

      „Aber so eine Ratte ist auch was zum Fürchten.

Скачать книгу