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      „Ich hoffe, Senhor, Sie verstehen unsere Vorsichtsmaßnahmen. Leider ist mir die Flagge unbekannt, unter der Sie segeln.“

      „Ebenso wie mir Ihr Name“, erwiderte der Seewolf.

      Der Mann bedachte ihn mit einem forschenden Blick, dem er mühelos standhielt. Danach zeigte er ein anerkennendes Lächeln. Ihm imponierte Hasards offene Art.

      „Ich bin Chandra Bose, Hauptmann der Stadtwache.“

      Der Seewolf deutete zu der im Wind flatternden Flagge am Besanmast.

      „Das sind die Farben Englands.“

      Der Inder zog die Stirn in Falten. „Inglés“, wiederholte er nachdenklich. „Ich habe von dem fernen Land gehört. Stimmt es wirklich, daß eine Frau über England regiert?“

      Schon der Gedanke daran war ihm sichtlich unangenehm, was aber wenig verwunderte, bedachte man, daß Indiens Frauen ohne Bildung aufwuchsen und in der Mehrheit ihr Leben mit schwersten Arbeiten verbrachten, von rühmlichen Ausnahmen natürlich abgesehen.

      Dennoch sagte der Seewolf: „Unsere Lissy ist eine besondere Frau, am besten einer Maharani vergleichbar, nur ist ihr Reichtum größer und …“

      Er wurde unterbrochen, weil in diesem Moment Malindi Rama wie ein Mehlsack außenbords sprang und Dan O’Flynn das Achterdeck betrat, um Bericht zu erstatten. Zwei Männer der Stadtwache, die das Geschehen verfolgt hatten, redeten auf ihren Hauptmann ein.

      Chandra Boses Miene verfinsterte sich. Er zielte mit seiner Flinte auf den Seewolf und klemmte die noch glimmende Lunte fest.

      „Sie haben Inder an Bord?“ fragte er mißtrauisch. „Warum haben Sie das verschwiegen, Senhor?“

      „Niemand hat danach gefragt. Außerdem hielt ich es für unwichtig.“

      Der Hauptmann rief seinen Soldaten einen Befehl zu. Daraufhin gingen sie über die Stelling an Bord und postierten sich, daß sie alle Decks überblicken konnten.

      „Laßt sie gewähren!“ rief der Seewolf. „Kein Widerstand!“

      „Was haben Sie gesagt?“ Chandra Bose sah sich nun ebenfalls gezwungen, das Schiff zu betreten. Im Laufschritt stürmte er die Planken hinauf – ein farbenprächtiges Chamäleon, das den Arwenacks ein belustigtes Grinsen entlockte. „Nun?“ herrschte er den Kapitän an, als er gleich darauf unmittelbar vor ihm stand. „Sie sind mir eine Antwort schuldig, Senhor.“

      „Ich habe meine Mannschaft nur wissen lassen, daß Sie und Ihre Soldaten willkommene Gäste seien.“

      Der Hauptmann verfärbte sich, das Blut schoß ihm in die Wangen.

      „Wer war der Mann, der über Bord gesprungen ist?“ Er schnaubte zornig.

      „Ein Singhalese“, erklärte Hasard. „Ein Schiffbrüchiger, den wir von einer kleinen Insel geholt haben.“

      „Natürlich.“ Bose fuchtelte mit der Flinte herum, als könne er sich nicht entscheiden, ob es besser sei, erst zu schießen oder erst Fragen zu stellen. „Der Mann bedankt sich bei Ihnen, indem er im nächsten Hafen über Bord springt. Einfach so. Und dann rudert er mit einem Boot, das ihm nicht gehört, aufs Meer zurück.“ Er deutete hinter dem Singhalesen her, der mittlerweile unbehelligt das Ende der Mole erreicht hatte.

      „Er bat uns, ihn nach Tuticorin zu bringen.“

      „Warum?“

      „Fragen Sie ihn selbst. Ich weiß es nicht.“

      „Senhor, ich glaube Ihnen nicht.“ Der Hauptmann klemmte sich den Schaft der Flinte unter die rechte Achsel. Auf die Distanz von nur zwei Schritten konnte er den Seewolf keinesfalls verfehlen. „Ihr Schiff ist beschlagnahmt, Sie selbst begleiten mich an Land. Falls Sie die Wahrheit sagen, wird sich das herausstellen. Wenn nicht …“ Die Bewegung mit der linken Hand an seiner Kehle entlang war eindeutig.

      „Akzeptieren Sie einen Beweis?“

      In den Augen des Inders blitzte es flüchtig auf, als hätte er nur auf diese Frage gewartet.

      „Wenn der Beweis gut ist“, erwiderte er.

      Malindi Rama dachte gar nicht daran, im Hafenbereich an Land zu gehen. Die Gefahr, daß ihn jemand erkannte, war zu groß.

      Außerhalb der Mole ließ er das Boot in der Strömung treiben, überprüfte den Lederbeutel mit dem Weisheitszahn, wand die Wollmütze aus und zog sie sich bis zu den Ohren über den kahlrasierten Schädel. Er wußte, daß sein Anblick unweigerlich zum Lachen reizte, aber lieber hatte er dieses bunte Wollding auf dem Kopf, als daß ihm sofort der tätowierten Karte wegen der Prozeß bereitet wurde.

      Malindi zweifelte nicht daran, daß inzwischen in allen Hafenstädten entlang des Golfs von Mannar bekannt war, welcher Frevel den Tempel von Kandy entweiht hatte. Jeder gläubige Singhalese würde ihm und seinen Helfern ohne Zögern die Kehle durchschneiden.

      Er verließ den schon tief im Wasser liegenden Kahn eine halbe Meile vom Hafen entfernt und hielt sich im Schatten hoher Ölpalmen, bis er die ersten Häuser aus Korallengestein vor sich sah.

      Ein Weg führte an der Küste entlang nach Süden, wo in größerer Entfernung als einzige deutliche Erhebung der rötliche Berg Valland aufragte. Ochsenkarren hatten tiefe Spuren in den sandigen Boden gegraben.

      Aus den Ästen eines Gebüschs schnitt sich Malindi einen passenden Wanderstab. Es konnte nicht schaden, wenn jeder in Tuticorin glaubte, er hätte einen langen und beschwerlichen Fußmarsch hinter sich. Seine noch vom Salzwasser nasse Kleidung trocknete in der Sonne schnell.

      Er staubte zwei Handvoll Sand über seine Beine und die Hose und verrieb sich den Rest im Gesicht. Bei der Vorbereitung seines Diebstahls in Kandy hatte er gelernt, selbst unbedeutenden Kleinigkeiten genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Anderenfalls wäre es wohl unmöglich gewesen, die Reliquie aus dem Tempel zu entwenden und Kandy mit heiler Haut zu verlassen. Nun, da das alles wie ein Traum hinter ihm lag, wollte er sich nicht durch einen lächerlichen Fehler verraten.

      Zufrieden tastete er nach dem Lederbeutel. Er, Malindi Rama, hatte es geschafft. Die ewige Glückseligkeit, die Buddhas Weisheitszahn verhieß, war alle Strapazen wert.

      Kläffend stürmten zwei abgemagerte Köter heran. Malindi stieß ihnen den Ast zwischen die hervorstehenden Knochen, daß sie sich jaulend verzogen.

      Flüchtig verhielt er seinen Schritt und gab sich dem von allen Seiten auf ihn einstürzenden Lärm hin, den er auf der kleinen Insel im Golf von Mannar und ebenso auf der Schebecke der Engländer vermißt hatte. Lärm bedeutete Leben, die Stille der Einsamkeit erdrückte.

      Er roch Fisch, der in der Hitze des Tages allmählich zu stinken begann, und frisch gebackenes Brot. Am Wegesrand trocknender Kuhdung vermischte sich mit dem Aroma verschiedener Gewürze, Wolken buntschillernder Fliegen stürzten sich auf ihn, als hätte er etwas an sich, das sie in Schwärmen anlockte.

      Verschleierte Frauen, die vor den Häusern Teig kneteten, bedachten ihn mit scheuen Blicken. Er hörte, daß sie sich hinter seinem Rücken Bemerkungen über die seltsame Kopfbedeckung zuflüsterten.

      Und dann, er hatte eine der beiden mit Steinen gepflasterten Straßen erreicht, die vom Hafen aus zum Tempel und sogar noch einige Meilen weit nach Norden führte, standen plötzlich Kinder vor ihm. Sie riefen, schrien und redeten wild durcheinander, aber sie kreisten ihn so zielstrebig ein, daß er sofort die Absicht dahinter erkannte.

      Zwei Dutzend junge Burschen waren es, einige bestimmt schon dreizehn oder vierzehn Jahre alt.

      „Verschwindet!“ herrschte Malindi sie an.

      Die Meute achtete nicht darauf. Als er sich den Weg erzwingen wollte, sprangen sie ihn johlend an.

      Malindi Rama hatte Mühe, sich der Vielzahl von Fäusten und Füßen zu erwehren, die ihn traktierten. Zugleich versuchte er, den Lederbeutel zu schützen. Wie eine Bande von Straßenräubern fielen die Burschen über ihn her.

      Jemand

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