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Namen ‚Tor der Steine‘ mit vollem Recht, durch das wir unseren Weg nach El Kaßr suchen mussten, von dem ich annahm, dass dort Renaud Latréaumont gefangen gehalten wurde. Wir kamen an eine Schlucht und gelangten nun in einen Felsenkessel. Oben sahen wir El Kaßr liegen. Emery und ich wollten einen Weg hinauf erkunden und kamen an einen schmalen, tiefen Spalt, wo eine verborgene Treppe zu Höhe führen musste. Wir entdeckten dann eine niedrige, türähnliche Öffnung im Felsen und sahen auch menschliche Schädel und Knochen liegen: die Richtstätte von Hedschân Beis Gefangenen. Oben am Kaßr aber fanden wir den Eingang verschlossen. Wir stiegen wieder abwärts und ich bestieg mein Bischarin, und Josef nahm ein Mehari von Emery. Dann ging es in Eile den Weg zurück, den wir gekommen waren, und wir ritten nun in gerader Richtung auf das Schloss zu. Die Sonne tauchte soeben hinter den westlichen Himmelsrand hinab, als wir den hohen, offenen Eingang erreichten, wo hinter seinen Seitenpfeilern vier Männer hervortraten und uns ihre langen Flinten entgegenstreckten. Obwohl ich das Korallenstück zeigte, traten sie uns feindlich entgegen und wir mussten sie niederschießen. Wir machten noch einen Gefangenen, von dem wir erfuhren, dass nur diese fünf Männer die Bewacher des Kaßr waren. Unsere Leute stiegen nun alle die steinernen Stufen herauf und der Gefangene musste das Steintor öffnen. Als alle oben waren, führte der Gefangene Emery und mich in ein Gewölbe. Darin lag auf dem harten, bloßen Boden, von Stricken festgehalten, eine menschliche Gestalt: Renaud Latréaumont. Ein paar rasche Messerschnitte lösten die Bande. Wir ließen nun unsere Tiere herbeiholen und saßen bis in die späte Nacht hinein über der Erzählung der Leiden und Freuden, die wir hinter uns hatten.

      Dienstag, 26. November 1861:

      Als ich mich am Morgen erhob und in den Hof trat, sah ich unten über die Ebene eine Reihe von Arabern kommen. Wir brauchten nicht lange zu warten. Sie traten unbesorgt in den Hof und alle Gewehre krachten. Der Hedschân Bei aber war noch nicht oben, er stand noch mit zwei Männern unten bei den Kamelen und winkte diesen, ihm zu folgen. Sie schritten auf den Treppenaufgang zu. Der Bei trat mit seinen beiden Begleitern aus der Pforte in den Hof. Während sich Emery den Bei packte, hatten meine Kugeln seine beiden Begleiter niedergestreckt. Der Pehlewân Bei – der Räuberwürger Emery Bothwell – packte den Hedschân Bei – den Karawanenwürger –, trug ihn zur Mauer und schleuderte den Mörder hinab in die Tiefe, wo die Gebeine der Gemordeten lagen. Die Gum war bis auf den letzten Mann vernichtet.

      Freitag, 13. Dezember 1861:

      Vierzehn Tage später hatten wir die Serir durchschritten und ein wunderbar liebliches Bild breitete sich vor uns aus. Es war die Oase Ghat, wohin wir die Karawane glücklich brachten. Mit ihr trennte sich nach einem mehrtägigen Aufenthalt auch der Tebu von uns.

      Mitte Januar 1862:

      Und wieder mehrere Wochen später hielten wir unseren Einzug in Algier, wo wir von der glücklichen Familie Latréaumont mit unendlicher Freude empfangen wurden.

      Ende Januar 1862:

      Für Latréaumont und die Seinen war der Abschied von uns recht schwer. Der Staffelsteiner wollte mich nicht verlassen. Er ging mit mir und Emery, der mir zu Liebe seinen ursprünglichen Reiseplan änderte, nach Deutschland, um wieder einmal den ‚laufigen‘ Trank seiner Heimat zu kosten.

      3. ERSTE OSTASIEN-REISE (1862-1863)1

      Dienstag, 27. Mai 1862:

      Gestern Abend kam ich hier in Hamburg an und heute Morgen war ich gleich bei mehreren Schifffahrtslinien und habe mich nach einer Fahrt in die ostasiatischen Gewässer erkundigt. Ich hatte Glück: Morgen früh kann ich auf einem Frachtschiff mitfahren. Normalerweise ist so ein Schiff für Passagiere nicht eingerichtet, aber in letzter Zeit hat man dort einige Kajüten etwas umgerüstet, sodass auch eine geringe Anzahl an Privatpersonen befördert werden kann, wenn sie nicht allzu große Ansprüche stellen. Man bot mir auch an, als Ersatz einzuspringen, wenn einer der Matrosen durch Krankheit einige Tage ausfallen sollte. Dafür würde mir dann eine Heuer ausgezahlt, deren Höhe pro Tag ich aber noch nicht weiß. Das wäre gar nicht schlecht, denn dadurch würde ich mir mein Reisegeld etwas auffrischen.

      Montag, 30. März 1863:

      Ich bin nach einer über zehnmonatigen Reise wieder glücklich in der Heimat angekommen. Wir waren auf dem Hinweg um das Kap der Guten Hoffnung gefahren, wo ein Matrose von starkem Fieber erfasst wurde und ich für einige Tage einspringen musste. Insgesamt waren wir drei Personen, die die Reise in die asiatischen Gewässer mitmachten: ein Geschäftsmann, der auf Ceylon aussteigen wollte, ein Forscher, der ebenfalls Ceylon als Ziel angab, und ich, der aus reiner Abenteuerlust diese Reise machte. Beide hatten mir unterwegs diese Insel so ans Herz gelegt, dass ich beschloss, Ceylon vielleicht doch noch zu besuchen. In Karatschi, als erster Stadt in Indien, wo der Dampfer anlegte, bevor er nach Südosten zur westlichen Küste abbog, verließ ich das Schiff. Indien bildet keine politische Einheit, sondern ist nur ein geografischer Name; man versteht darunter die Halbinsel Vorderindien mit ihren der britischen Krone untergebenen Ländern. Karatschi, wo ich von Bord ging, entwickelt sich immer mehr als Handelsplatz, auch wenn große Überseeschiffe noch keinen Hafen vorfinden; man benutzt die vorgelagerte Insel Kiamari als Anlegestelle. Über Haiderabad, das auf einer Felsplatte liegt, ging es mit einem Katamorin den Indus hinauf ins Pandschab-Gebiet, dem Land der fünf Ströme, einer großen Ebene mit steinlosem, sandigem Lehmboden. Die Tierwelt im Pandschab ist sehr reichhaltig. Vorher gelang es mir noch, einen Engländer aus einer misslichen Lage zu befreien. Er stellte sich als Lord David Percy vor, ‚ungeratener‘ Sohn des Earl von Forfax2. Mit ihm durchstreifte ich die Ebenen des Pandschab und wir konnten, teilweise unter Lebensgefahr, jeder einen jener Tiger schießen, die man Könige der indischen Tierwelt nennt.3 Wir beschlossen, bis Kalkutta zusammenzubleiben, was wir auch taten, und wir konnten so manches Abenteuer miteinander erleben. Vom Pandschab-Gebiet aus gelangten wir hinüber nach Delhi, einst Residenz der Großmoguln, am rechten Ufer der Dschamna mit berühmten alten Bauten und Ruinen. Schon früher hieß Delhi die Stadt der sieben Burgen. Das jetzige Delhi wurde im 17. Jahrhundert erbaut und ist auf drei Seiten mit einer starken Mauer umgeben. Die vierte Seite begrenzt die Dschamna, ein rechter Nebenfluss des Ganges. Von alters her war die Dschamna ein heiliger Fluss, dessen Wasser reinigende Kraft besaß, was jetzt noch von den Hindus geglaubt wird. Auch diesen Fluss ging es mit Booten hinunter, oft unterbrochen durch gewaltige Stromschnellen bis zu dessen Zusammentreffen mit dem Ganges. Hier machten wir Station in Allahabad. Allahabad, was übersetzt Gottesstadt heißt, hat als Wallfahrtsort unter dem Namen Prajâga (Opferstätte) schon in der altindischen Zeit existiert. Ab hier dominiert der Ganges, der Hauptstrom Vorderindiens, obwohl er kürzer ist als der Indus und der Brahmaputra. Man bezeichnet ihn auch als den heiligen Fluss, an dessen linkem Ufer Benares liegt, die heilige Stadt der Hindus und uralter Mittelpunkt der brahmanischen Kultur und Religion. Am Ende dieses riesigen Flusses liegt in dessen Delta die Stadt Kalkutta, Sitz des englischen Vizekönigs in Indien. Die Stadt zerfällt in die ‚weiße Stadt‘ im Süden mit Amtsgebäuden und Wohnungen der Reichen und der Europäer und in die ‚schwarze Stadt‘ im Norden und Osten mit engen, krummen und schmutzigen Gassen und den ärmeren bis ärmsten Eingeborenen, meist Bengalen. Viele europäische Dampfschiffe legen hier an, doch keines fuhr hinunter nach Ceylon. Ich machte aber einen bengalischen Küstenfahrer ausfindig, der an der Ostküste entlang bis nach Madras fuhr und der mich mitnehmen wollte. Lord Percy war davon so begeistert, dass er sich sofort anschloss. Wir dümpelten mit diesem bengalischen Handelsfahrer an der Ostküste von Vorderindien entlang, legten an vielen kleinen Hafenstädtchen an, kamen dann an die Koromandel-Küste, die sich zwischen Point Calimere und der Kistna-Mündung hinzieht und in deren Mitte wir nach gut drei Wochen in Madras anlegten. Die Einheimischen nennen Madras auch Tschennapattam. Madras ist Sitz des englischen Gouverneurs und eines anglikanischen Bischofs. Den Kern bildet die Schwarze Stadt, an die sich Fort St. George anschließt. Das Klima soll im Sommer für Europäer sehr gefährlich sein, doch ich hatte nicht vor, länger hierzubleiben, denn ich hoffte, eine Weiterfahrt nach Ceylon zu finden. Mein bisheriger Weggefährte Lord Percy wollte sich erst von mir trennen, um sich quer durch das Land über Bangalore zu den West-Ghats und dann hinauf bis nach Bombay durchzuschlagen, überlegte es sich aber dann anders. Ein französischer Frachter, der Zwischenstation an den französischen Städten der Koromandel-Küste machen wollte, nahm uns mit. Zuerst legten wir in Pondichery und zwei Tage später in Karikal an, beides Kolonialgebiete der Franzosen an

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