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geschickt hatten.«

      »Stimmt«, bestätigte Lord Rosebery. »Ich hätte mir denken können, daß Sie wie stets gut informiert sind.«

      Er schwieg für einen Augenblick und sah nachdenklich den gutaussehenden jungen Mann an, der ihm gegenübersaß. Ohne merklichen Übergang fragte er plötzlich: »Warum spielen Sie mit Ihrem Verstand und Ihrer Weltkenntnis keine größere Rolle in der Politik? Wir brauchen Leute wie Sie.«

      Der Marquis lächelte, so daß der gelangweilte Ausdruck von seinem Gesicht verschwand.

      »Die Ursache dafür liegt vermutlich darin, daß die hochtrabenden Reden im Oberhaus ebenso langweilig sind wie die Leute, von denen sie gehalten werden.«

      Lord Rosebery lachte über den Scherz.

      »Nun gut, ich will Sie nicht zu irgendeiner Tätigkeit im Parlament treiben, wenn Sie mir, wie früher schon, auch außerhalb des Parlaments zu helfen verstehen.«

      »Wollen Sie wirklich, daß ich gerade jetzt nach Siam reise?«

      »Wenn Ihnen eine solche Fahrt so ungelegen kommt«, erwiderte Lord Rosebery, »kann ich mir bestens vorstellen, weshalb dieses Unternehmen Ihnen widerstrebt. - Ist sie sehr verführerisch?«

      »Ja, durchaus.«

      Dabei dachte er daran, daß Lady Bradwell, die gerade in sein Leben getreten war, anders war als alle Frauen, die er vor ihr gekannt hatte - zumindest glaubte und hoffte er das.

      Die zahlreichen Liebesaffären des Marquis, allesamt feurig und leidenschaftlich, dauerten indes nie lange, weil ihn ihre Gleichartigkeit unweigerlich langweilte.

      Mit seinen 33 Jahren war er noch immer unverheiratet, und zwar aus dem einfachen Grund, daß er noch nie eine Frau getroffen hatte, die immer um sich zu haben er ernstlich hätte in Erwägung ziehen wollen.

      Bei den meisten seiner affaires de coeur war deshalb von Heirat keine Rede.

      Er hatte festgestellt, daß sogar die verlockenden, geistreichen und gefeierten Schönheiten, die mit schmeichelhafter Bereitwilligkeit in sein Leben traten, bereits nach kurzer Weile einander in ihren Ansichten und ihrer Konversation ihm so ähnlich schienen, daß sie ihn nur zu bald zum Gähnen brachten.

      »Großer Gott, Vivien«, hatte sein engster Freund Harry Prestwood erst vor einer Woche zu ihm gesagt, »was zum Teufel erwartest du eigentlich vom Leben? Wonach suchst du? Und, da wir gerade dabei sind, was hat dir eigentlich Daisy getan?«

      Er sprach von einer Dame, die man einhellig als größte Schönheit des Jahrhunderts bezeichnete und die, wie so viele Frauen vor ihr, an den Marquis zuerst ihr Herz und dann auch all ihr Denken verloren hatte.

      Die Gräfin besaß einen langmütigen Gatten, der das Leben auf dem Lande dem Aufenthalt in der Stadt London vorzog und nach zehnjähriger Ehe die privaten Vergnügungen seiner Frau geflissentlich übersah, solange sie in der Öffentlichkeit die Würde seines Namens nicht verletzte.

      Der Marquis hatte bereits einen Ruf der Liederlichkeit, der besser in die Regierungszeit Georgs IV. gepaßt hätte als in die der Königin Viktoria; daher begann der Klatsch schon, wenn eine Frau auch nur mit ihm gesehen wurde.

      Er hatte sich jedoch sehr bemüht, in Bezug auf Daisy umsichtig zu sein, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß sie beide bekannte Persönlichkeiten waren und ihre Verbindung daher bei Bekanntwerden auf jeden Fall Sensation machen mußte.

      Doch Daisy verliebte sich immer offenbarer in ihn, und man begann schon, über sie beide zu tuscheln. Weil dem Marquis aber die Anspielungen seiner Freunde und die abfälligen Bemerkungen der Klatschkolumnisten mißfielen, machte er der Affäre kurz entschlossen ein Ende.

      Wenn er wollte, konnte er sehr rücksichtslos und verletzend sein: Hatte er einmal eine Entscheidung getroffen, so konnten ihn keine Tränen und keine Vorwürfe mehr davon abbringen.

      »Wie kannst du mir das antun?« hatte Daisy geweint, als er ihr sagte, er halte es für besser, daß sie einander nicht mehr so oft sähen.

      »Ich fürchte, es gibt keine andere Möglichkeit«, antwortete der Marquis.

      »Ich liebe dich aber«, sagte Daisy, »ich bete dich sogar an. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ich jemals einen Mann so lieben könnte, wie ich dich liebe.«

      »Das ist zwar überaus schmeichelhaft«, antwortete der Marquis, »aber du kannst es dir nicht leisten, deinen Ruf zu schädigen, weder in der Öffentlichkeit noch in Marlborough House.«

      Daisy erstarrte für einen Augenblick, und ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen; sie sah den Marquis so ungläubig an, als ob sie bezweifelte, daß er die Wahrheit sage.

      »Was hat Marlborough House damit zu tun?« fragte sie. »Der Kronprinz würde nie etwas gegen mich sagen, das weißt du sehr gut.«

      »Gestern abend beim Dinner fragte mich die Prinzessin recht spitz, wann dein Mann denn wohl nach London zurückkehre«, antwortete der Marquis.

      Daisy verstummte darauf.

      Sie wußte genau, daß es gesellschaftlich verheerend wäre, sich die Prinzessin zur Feindin zu machen; sie hielt es zwar für unwahrscheinlich, daß die schöne Alexandra ihre erklärte Feindin werden würde, doch sie war auch nie so freundlich zu ihr gewesen, wie Daisy sich das gewünscht hätte.

      Als wüßte er, daß er in einem wichtigen Punkt gesiegt habe, sagte der Marquis ruhig: »Ich möchte dir danken, Daisy, für das Glück, das du mir geschenkt hast; ich hoffe daher, wir werden immer Freunde bleiben.«

      Noch während er sprach, spürte er, daß sich seine Worte übertrieben anhörten, doch er konnte nicht anders.

      In Wahrheit ging es ihm nicht so sehr um Daisys Ruf wie vielmehr um die Tatsache, daß sie ihn nicht mehr so fesselte wie am Anfang.

      Er konnte nicht verstehen, warum sich bereits nach sehr kurzer Zeit jede Frau, für die er sich interessierte, in ihren Reden nur noch zu wiederholen schien, bis er jedes Wort, das über ihre Lippen kommen würde, schon vorher kannte.

      Er wünschte sich keine allzu gescheite Frau - Gott behüte -, denn nichts brachte ihn mehr auf als Blaustrümpfe.

      Daisy konnte zwar seinen Körper in Flammen setzen, doch gleichzeitig ärgerte seinen Verstand die Banalität dessen, was sie sagte, auch wenn diese Worte aus einem Mund mit zwei üppig geschwungenen Lippen kamen.

      »Hol’s der Teufel«, hatte er zu Harry gesagt, und zwar nicht nur einmal, sondern viele Male, »ich werde eben nie heiraten!«

      »Natürlich wirst du es einmal müssen«, antwortete Harry. »Du mußt schließlich einen Erben haben, und, offen gesagt, würde es der Gastfreundschaft auf deinem Schloß guttun, wenn am Ende der Tafel eine Hausherrin säße.«

      Der Marquis hätte nicht aufgebrachter sein können, wenn Harry eine Bombe unter seinen Füßen gezündet hätte.

      »Willst du damit etwa sagen«, fragte er, »daß ich kein guter Gastgeber bin?«

      »Niemand könnte ein besserer sein«, antwortete Harry, »aber bei deinen Einladungen - und die könnten bei niemandem wohl großzügiger sein - wirkt es irgendwie unausgewogen, daß nicht am anderen Ende der Tafel eine schöne Frau sitzt und die Oakenshaw-Diamanten trägt, die sie auch bei der Zeremonie zur Parlamentseröffnung tragen würde.«

      Der Marquis lachte aus vollem Hals.

      »Du redest genau wie meine Mutter«, sagte er.

      Gleichzeitig wußte er aber, daß Harry recht hatte.

      Es wurde von ihm erwartet und war unvermeidlich, daß er schließlich eine Frau nähme, die als Herrin im Schloß, in London und in seinen anderen Häusern in verschiedenen Teilen des Landes auftreten und außerdem bei Hofe den ihr zustehenden Platz neben ihm einnehmen würde.

      Dann dachte er an die Langeweile, die er zu ertragen hätte, wenn er sich das Geschwätz irgendeines jungen Mädchens beim Frühstück, beim Mittagessen und auch noch

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