Скачать книгу

er ein leichtes Gewicht auf seiner Schulter, und Tays Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm: »Feierabend, Kumpel, unsere Schicht ist zu Ende.«

      Zayn suchte den Rückweg durch die Datenbahnen, reparierte hier und da noch einen fehlerhaften Code und reiste durch die Steckverbindung des USB-Ports zurück in seinen Körper. Prompt nahm er wieder die Kommandozentrale wahr und den großen, schwarzhaarigen Krieger, der direkt neben ihm stand.

      »Lass uns noch was essen«, sagte Tay. »Wer so viele Daten verarbeitet wie du, muss ordentlich Kohldampf haben.«

      Tatsächlich merkte er erst jetzt, nachdem er den Zeigefinger aus der Buchse gezogen hatte, dass sein Magen knurrte. Die Zeit verging immer rasend schnell, wenn er am System hing, und er gewann die Energie, die sein modifiziertes Organ benötigte, aus gewöhnlicher Nahrung.

      Zayn erhob sich aus seinem bequemen Sessel und grinste Tay an. »Ich brauche mindestens drei Kuchenstücke als Vorspeise.«

      Schmunzelnd klopfte ihm der Krieger auf die Schulter, während sie mit dem Warrior Vigour zum Aufzug liefen. Dort nickten sie Seth zu. Der braunhaarige Mann war soeben eingetroffen und übernahm nun Tays Schicht. Steel, ihr Kommandeur, würde etwas später dazustoßen, er hielt im Nebenraum gerade eine Videokonferenz mit dem Warrior Jax aus Resur ab. Da es zurzeit sehr ruhig war, reichte die Mindestbesetzung zur Überwachung aus.

      Seth, der ihr Gespräch mitbekommen hatte, rief ihnen hinterher, kurz bevor sich die Aufzugtüren schlossen: »Aber lasst mir noch ein Stück vom Schokoladenkuchen übrig!«

      Zayn lief schon das Wasser im Mund zusammen, wenn er bloß an Silas Kuchenkreationen dachte. Sie verstand es wie keine andere Kantinenmitarbeiterin, die optimal ausgewogene Mischung aller Zutaten zu finden. Na gut, hier und da würde er die Mengenangaben ein wenig modifizieren. Dennoch waren Silas süße Köstlichkeiten nahezu perfekt – genau wie die Huntress selbst.

      Als Zayn aus dem Hauptgebäude in die Nachmittagssonne trat, stopfte er schnell sein beiges T-Shirt ordentlich in die Einsatzhose und wandte sein Gesicht der Sonne zu. Selbst im Februar war es tropisch warm auf Mokupuni, genau wie während des restlichen Jahres, wobei die Temperatur aktuell mit 25,23 Grad sehr moderat war und auch nachts nur selten unter 20 Grad fiel.

      Hätten ihn die Jungs nicht befreit, hätte er die Sonne wohl nie gesehen. Er bewunderte die geballte Kraft dieses Sternes und spürte regelrecht, wie die Strahlen ihm frischen Mut verliehen. Heute wollte er Sila endlich ansprechen. Bisher hatte er, außer seine Bestellung aufzugeben, kaum ein Wort mit ihr gewechselt. Dabei war er schon öfter dabei gewesen, wenn sie sich mit ihrer besten Freundin Taicoon – die Tays Gefährtin war – für ein Picknick am Wasserfall oder an einem anderen schönen Ort der Insel verabredet hatten. In Silas Nähe fehlten ihm einfach immer die perfekten Worte.

      Zayn kontrollierte, ob das schwarze Tuch, das er zu einem Stirnband gefaltet täglich um den Kopf gebunden trug, noch an der korrekten Stelle saß, und schritt mit Tay und Vigour über den hellen, frisch gefegten Platz auf die Kantine zu. Früher sollten die meisten Wege auf dieser Insel recht staubig gewesen sein, doch die Hauptverbindungen waren in den letzten Jahren alle gepflastert worden.

      Ihm gefiel es auf diesem kleinen Eiland. Sehr viele Familien wohnten hier, weshalb oft Kinder durch das Inselzentrum liefen und nie Ruhe einkehrte. In der Nähe gab es einen Hort sowie einen Abenteuerspielplatz, der stets gut besucht war.

      Zayn liebte es, viele Eindrücke aufzusaugen. Dennoch grummelte es leicht in seinem Bauch, weil er wohl nie selbst eine Partnerin haben oder eine Familie gründen würde. Das war okay. Ihm war schon so viel geschenkt worden, und vielleicht rührte das seltsame Gefühl einfach von seinem leeren Magen her.

      Als Tay die Glastür zur Kantine aufstieß und Zayn ihm mit Vigour folgte, richtete er sein Augenmerk sofort auf die Essensausgabe, in der Hoffnung, Sila zu erspähen. Meist war sie in der Küche beschäftigt, doch heute erblickte er sie bei der Kühlvitrine, in die sie gerade einen neuen Kuchen stellte. Zuerst fiel ihm immer ihr blondes Haar auf, das sie an diesem Tag zu zwei dicken Zöpfen geflochten hatte. Danach folgte ihr wunderschönes Gesicht mit den großen blauen Augen, den hohen Wangenknochen, den vollen rosigen Lippen und dem kleinen Kinn. Sie besaß porentief reine Haut, war die perfekte Schöpfung.

      Sie sah aus wie ein Engel.

      Zayn starrte sie wie gebannt an, während er weiter in das Gebäude hineinschritt, und ließ den Blick über ihre weiblichen Rundungen gleiten. Sie trug ein Bustier aus Leder, Shorts aus demselben Material und Riemchensandalen.

      Ob sie ihre Zehennägel heute wieder farblich lackiert hatte? Leider war Sila hinter der Theke verschwunden, sodass er nur noch ihren Oberkörper erkennen konnte.

      Als sie ihnen gut gelaunt winkte, donnerte sein Herz kräftig gegen seinen Brustkorb. Allein Sila zu sehen, sorgte dafür, dass sich seine Mundwinkel wie von allein zu einem Lächeln anheben wollten. Das Grummeln in seinem Magen verwandelte sich prompt in ein wildes Flattern, und seine Knie wurden ganz weich.

      Zayn konnte sich diese seltsamen Reaktionen seines Körpers nicht erklären, versuchte ernst zu bleiben und überließ Tay das Winken. Hoffentlich wurde er nicht krank. Warrior wurden so gut wie nie krank! Aber er war kein normaler Warrior mehr …

      Da der Schichtwechsel ihres Teams zwischen den regulären Essenszeiten lag, war nicht allzu viel los an diesem Nachmittag. Viele holten sich Kaffee und Süßspeisen ab, um sie draußen im Schatten der großen Bäume oder in der kleinen Parkanlage zu verzehren. Zayn war daher froh, dass ihre kleine Gruppe meistens drinnen aß. Draußen wäre es ihm viel zu heiß. Er hatte sich noch nicht ganz an die höheren Temperaturen gewöhnt. Obwohl die Kantine über eine Klimaanlage verfügte, war es Zayn gerade auch ein wenig zu warm in seinem T-Shirt und der Armeehose.

      Leider verschwand Sila durch eine Flügeltür in der Küche, und sie wurden an der Essensausgabe von einem jungen Mann bedient. Zayn bekam gar nicht genau mit, was ihm auf den Teller geladen wurde; bloß als er vor der Auswahl des Nachtisches stand, wusste er genau, wofür er sich entschied: den Schokoladenkuchen.

      Er nahm sich gleich zwei Stücke, aber nur, weil nichts los war, Sila zuvor die Vitrine aufgefüllt hatte und er bei ihrer süßen Kreation einfach nicht widerstehen konnte. Anschließend setzte er sich zu seinen Kollegen an einen Tisch am Fenster.

      Während sie aßen und er Tay und Vigour lauschte, die ihm eine Anekdote aus Paradisia erzählten, spähte Zayn ständig zur Küchentür. Ob Sila noch mal auftauchte?

      Ihm gefiel es, wenn sich die Huntress in seiner Nähe aufhielt. Sie war zu jedem freundlich, hatte immer ein offenes Ohr und machte den besten Schokoladenkuchen der Welt. Nicht dass er viele Vergleichsmöglichkeiten oder Erfahrungswerte besaß, schließlich fehlten ihm sämtliche Erinnerungen an sein früheres Leben – aber dank seiner KI wusste er es einfach.

      Während er seinen Eintopf löffelte, der zwar gut schmeckte, aber dem drei Prozent mehr Salz nicht geschadet hätten, blickte er sich weiterhin in der Kantine um. Manchmal versuchte er noch unbewusst, einen Gegenstand heranzoomen zu wollen, doch er war froh, wieder echte Augen zu haben. Anfangs war es ungewohnt gewesen, nicht mehr alles wie durch eine Art Suchfernrohr mit Raster zu sehen und Umgebungsinformationen eingeblendet zu bekommen. Doch er musste zugeben, dass seine eigenen Augen, die nach seinem Genom gefertigt worden waren, auch nicht zu verachten waren. Dadurch fühlte er sich ein bisschen normaler oder besser gesagt: ein wenig mehr wie ein Warrior. Obwohl er noch einer der genmanipulierten Krieger der »Ersten Generation« war, verfügte sein Körper über erstaunliche Extras, die einem Normalsterblichen fehlten. Er besaß die Reflexe, das Gehör, den Geruchssinn und das Sehvermögen eines Raubtieres. Dank seiner künstlichen Intelligenz kam noch eine unfassbar schnelle Auffassungsaufgabe hinzu, leider aber auch die Eigenart, alles haargenau analysieren zu müssen.

      Zayn betrachtete seinen Zeigefinger, in dem sich sein USB-Stecker befand und in dem er keinerlei Gefühl hatte. Falls man nicht sehr genau hinsah, fiel es zum Glück nicht auf, dass er keinen echten Finger mehr besaß. Ein Kabel führte durch seinen Arm, dessen Knochen mit einem speziellen Metall verstärkt worden waren, bis zu seinem modifizierten Gehirn. Ansonsten hatten ihn diese Bastarde in Paradisia – dem Universum sei Dank – nicht weiter umgewandelt,

Скачать книгу