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verabschiedete ich mich ganz schnell wieder von der Idee, dass Horror und Nervenkitzel eine sinnvolle Urlaubsbeschäftigung darstellen könnten. Erotik klang da doch schon wesentlich vielversprechender. An mein letztes erotisches Abenteuer konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Bevor die nächsten zwanzig Jahre genauso unerotisch vorbeiflogen wie die letzten zwanzig Jahre, sollte ich diese Gelegenheit vielleicht beim Schopfe packen. Andererseits bin ich auch nicht der Typ, der eine Woche lang in einem Luxuspuff im Indischen Ozean den Adonis raushängen lässt. Ich behielt die Sparte Erotik auf jeden Fall im Hinterkopf und beschäftigte mich mit der nächsten Rubrik. Spiel und Spaß. Könnte ja auch ganz lustig sein. Die Spiele, die mir da Spaß machen könnten, würde ich dann aber doch eher im Erotik-Programm vermuten. Halma am Strand brauchte ich eigentlich nicht unbedingt. Spiel und Spaß war also auch gestorben, über Kultur brauchte ich erst gar nicht lange nachzudenken. Eine Woche im Museum oder in der Oper würde ich eher als Strafmaßnahme denn als Traumurlaub bezeichnen. Und ob es auf den Seychellen ein Museum oder eine Oper gab, hielt ich sowieso für zweifelhaft. Das letzte Angebot hieß Überraschung. Volles Risiko, dachte ich mir und fand den Gedanken eigentlich ganz spannend. Die Wahrscheinlichkeit, einen vollen Reinfall zu erleben, erschien mir nach einigem Grübeln aber doch ziemlich hoch. Des Weiteren weckte die Frage, ob eine Überraschung noch eine Überraschung ist, wenn man sie vorher bucht, den Philosophen in mir. Nach gründlichem Philosophieren verneinte ich diese existentielle Frage und konnte somit auch die Rubrik Überraschung mit gutem Gewissen streichen.

      Trotz allem Für und Wider summten und schwirrten mir die angebotenen Urlaubsträume weiter durch den Kopf. Abenteuer, Erholung und Entspannung, Erotik, Spiel und Spaß, alle diese Begriffe bildeten ein heilloses Durcheinander in meinem Kopf. Ich überlegte, bis mir der Schädel rauchte. Die Sparten Abenteuer, Sport und Bewegung, Horror und Nervenkitzel, Spiel und Spaß, Kultur und Überraschung verdampften dann auch ziemlich schnell, bis nur noch eine Mischung der beiden Rubriken Erholung und Entspannung sowie Erotik meine Gedanken beherrschte. Aus dem noch verbliebenen Sumpf traumhafter Urlaubsvorstellungen kristallisierte sich die Erotik im wahrsten Sinne des Wortes heraus. Vor meinem geistigen Auge tummelten sich wunderschöne Frauen in atemberaubenden Bikinis. Natürlich konnte ich mir eine aussuchen. Ich hatte die Qual der Wahl. Ich saß mitten in einem Waffenarsenal, hochexplosive Sexbomben, die kontrolliert gesprengt werden mussten - und ich war der Sprengmeister.

      Von meinen Tagträumen angestachelt, klickte ich endlich auf die Rubrik Erotik und beobachtete gespannt, wie sich die nächste Seite des Fragebogens vor mir aufbaute. Hier wurde nach meinen sexuellen Neigungen gefragt. Ob ich heterosexuell, homosexuell oder bisexuell veranlagt wäre, sollte ich beantworten. Jetzt bloß nichts falsch machen, dachte ich mir. Einmal falsch geklickt und schon wäre die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Das hätte mir gerade noch gefehlt, wenn ich aus dem Urlaub zurückkäme und die Kollegen würden fragen: Na, Bremer, wie war der Urlaub? Und ich: Super. Blaues Meer, Sonne pur und jeden Abend eine ausgelassene Schwulenparty am Strand.

      Mir der Gefahr bewusst, ging ich mit voller Konzentration ans Werk. Langsam, aber sicher bewegte ich den Mauszeiger auf den Link zu der heterosexuellen Zone und atmete erleichtert auf, als die nächste Seite des Fragebogens erschien. Hier durfte ich auswählen, auf welchem Niveau meine erotischen Träume wahr werden sollten. Der erste Menüpunkt hieß Kuscheln und Schmusen. Das klang zwar nicht so furchtbar aufregend, viel falsch machen konnte ich da aber auch nicht. Soft und prickelnd, lautete die nächste Kategorie. Das hörte sich schon spannender an. Aber auch die nächsten Auswahlpunkte mussten gut bedacht werden. Jetzt erst verstand ich die eindringliche Bitte des Veranstalters, ehrlich mit mir selbst zu sein. Ich hatte noch die Wahl zwischen hart und heftig; devote Unterwerfung; Fetisch, Lack und Leder; Dominanz und Peitsche; Öl und Massage und zu guter Letzt wieder die Überraschung. Meine Augen verharrten einen Augenblick auf dem Link zu hart und heftig. Meine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Wilde Orgien unter Palmen, unersättliche Nymphomaninnen saugten mich aus. Sie kannten keine Gnade, erbarmungslos pumpten sie an meiner Manneskraft. Stattliche Rubensmodelle ritten mich im wilden Galopp, unentwegt verlangten sie nach Befriedigung. Ich hatte keinen Namen, ich war einfach nur der Stier, dazu verdammt, hemmungslose Damen mit meiner animalischen Triebkraft zu beglücken. Eine nach der anderen musste ich nehmen, von vorne und von hinten, laut stöhnend und ausdauernd stoßend, schneller und tiefer, heftig und hart, noch schneller und noch tiefer, rammelnd bis zur völligen Erschöpfung, Durchhänger waren verpönt.

      Die Ermahnung, ehrlich zu mir selbst zu sein, holte mich wieder ein. Selbstüberschätzung war hier nicht angebracht. Enttäuschte Blicke von wilden zweibeinigen Stuten auf mein bestes Stück wollte ich mir lieber ersparen. Aber es gab ja noch andere Themen. Devote Unterwerfung konnte ja auch sehr spannend sein. In meiner Fantasie schlüpfte ich in die Rolle eines gehorsamen Hausboys. Natürlich bekam ich eine junge, hübsche, wohlgeformte Herrin, die sich aufopfernd um meine Erziehung kümmerte. Mit Zuckerbrot und Peitsche brachte sie mir bei, alle ihre Wünsche zu erfüllen. Nachts schlief ich auf dem Fußboden vor ihrem Bett. Am Tag lackierte ich ihre Zehennägel, massierte bei Bedarf ihre Schultern und war stets bemüht, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. War sie zufrieden mit mir, durfte ich auch mal unter ihre Decke schlüpfen, war sie aber unzufrieden, bekam ich den Rohrstock zu spüren. Sicherheitshalber stellte ich mir anstatt der jungen, aufreizenden Herrin eine ältere, fettleibige und hysterische Herrin vor. In diesem Fall wäre ich wahrscheinlich von morgens bis abends auf der Flucht vor dem Rohrstock. Hin- und hergerissen von den Vor- und Nachteilen eines unterwürfigen Sklavendaseins, beschäftigte ich mich anschließend mit der Fetisch, - Lack- und Leder-Abteilung. So sehr ich auch angestrengt nachdachte, der erotische Stellenwert dieser Spielart wollte mir nicht so recht einleuchten. Die Vorstellung, in einem Lederhöschen oder einem Latex-Ganzkörper-Kondom über eine Insel im Indischen Ozean zu hüpfen, fand ich eher suspekt und ich wandte mich dem nächsten Punkt zu, der Dominanz und Peitsche hieß. Mit einem feisten Grinsen im Gesicht stellte ich mir vor, wie ich inbrünstig knackige Mädchenpopos versohlen würde. Die nackten süßen Hinterteile bettelten förmlich nach meiner strafenden Hand. Natürlich gab es auch das eine oder andere ganz besonders schwer erziehbare Mädchen, da tat auch schon mal die Rute not. Ich sah mich als strengen und gerechten Meister, umgeben von lüsternen Mädchen, deren Erziehung mir sehr am Herzen lag. Jeden Abend pickte ich mir eine heraus, eine, die sich durch ihr besonnenes Verhalten eine Belohnung verdient hatte. Zur Belohnung durfte sie mir dann in der Nacht Freude bereiten. Meine Ansprüche waren hoch und meine auserkorenen jungen Damen gaben sich alle Mühe, um mich nicht zu enttäuschen.

      Seien Sie ehrlich zu sich selbst, diese Mahnung stoppte erneut meine blühende Fantasie. Weder war ich ein Eros, noch war ich es gewohnt, Befehle zu erteilen oder Führungsqualitäten an den Tag zu legen. Die Gefahr, dass sich meine dominante Ader in der Realität nur als zaghaftes Wunschdenken entfaltete, durfte ich nicht unterschätzen. Nach einem starken, dominanten Mann hechelnde Frauen konnten grausam sein, wenn ihre Sehnsüchte nicht in Erfüllung gingen. Als dominanter Meister anzutreten, um hinterher als verspotteter Schlappschwanz verjagt zu werden, könnte äußerst deprimierende Spuren auf meiner Seele hinterlassen. Je länger ich vor diesem Fragebogen saß, desto größer wurde die Frage nach meinem eigenen Ich. Noch nie war ich mir so unsicher in Bezug auf meine Rolle im Leben gewesen. Eigentlich wusste ich überhaupt nichts über meine Stärken oder über meine Schwächen. Was sollten Frauen bloß an mir finden, wenn ich selbst keinen blassen Dunst von meinen Neigungen habe, fragte ich mich voller Selbstzweifel. Unsicher über mich und diesen merkwürdigen Hauptgewinn, quälte ich mich weiter durch den Fragebogen. Öl und Massage klang nach einer Option, die wenigstens keinen allzu großen Erwartungsdruck auf mich ausüben würde. Allerdings war ich mir sicher, dass ich es hinterher bereuen würde, wenn ich mich eine Woche lang nur von öligen Händen betatschen lassen müsste, anstatt mich in ein gewagtes Abenteuer zu stürzen. Den Punkt hakte ich also ab und die Überraschungsvariante überzeugte mich ebenso wenig. Nachdenklich ging ich die Liste ein zweites Mal durch. Bei aller Fantasie, die bei den Gedanken an devote oder dominante Spielereien in mir erwachte, versuchte ich, so ehrlich wie nur möglich zu mir selbst zu sein. Das Ergebnis meiner Bemühungen spiegelte sich in einem selbstbewussten Klick auf das Feld soft und prickelnd wider. Zufrieden mit meiner Wahl erwartete ich gespannt die nächsten Auswahlmöglichkeiten. Es dauerte auch nur einen kurzen Augenblick, bis sich die

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