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sicher, er wird einer der wenigen Künstler sein, die von ihrem Tun leben können.«

      Ohne ein weiteres Wort zu sagen, lässt Franco mich im Raum zurück und macht sich auf den Heimweg.

      Ich schultere meine Tasche, wende mich um und will ihm folgen, als ich am Türausgang den begnadeten Nachwuchskünstler stehen sehe. Er hat mein ganzes Gesicht fest im Blick. Die Tatsache, dass außer uns beiden niemand mehr hier ist, macht seinen Grund eindeutig. Er wartet auf mich und seltsamerweise werde ich innerlich nervös. Ich versuche, meine Selbstsicherheit beizubehalten, konzentriere mich auf einen aufrechten Gang und will an ihm vorbeigehen.

      »Schönen Abend. Bis zum nächsten Mal«, verabschiede ich mich dezent.

      »Schade, dass du schon gehst. Ich würde gern mehr von dir verinnerlichen.« Seine Stimme ist ähnlich wie sein Blick. Jung und doch voller Selbstvertrauen.

      Wie kann jemand in so einem zarten Alter eine solche Sicherheit ausstrahlen? Keinerlei Zeichen von Zurückhaltung. Er ist etwas größer als ich und wirkt drahtig wie ein Marathonläufer.

      »Ich denke, die gewünschten Details solltest du dir bei Mädchen in deinem Alter holen.«

      »Das habe ich versucht, doch ich habe eine Schwäche für erwachsene Frauen. Solche, die Erfahrung mit sich selbst haben, keine Komplexe mehr besitzen, die sie von einem erfüllten Dasein abhalten würden.«

      Ich muss zugeben, dass er recht hat. Mit zwanzig wäre ich noch nicht in der Lage gewesen, als Aktmodell herzuhalten, ohne mich dabei zu schämen. Eine wirkliche Frau war ich nicht durch meine Entjungferung geworden, sondern durch das Bewusstsein, wer ich war und wer ich sein wollte. Vor allem durch die Tatsache, mich so zu akzeptieren wie ich bin.

      Er macht einen Schritt auf mich zu und fährt mit einem Zeigefinger über meinen Oberarm. Die Berührung ist so schwach, als würde eine Mücke auf mir tanzen. Doch ich fühle jede Millisekunde so genau, als stünde die Zeit still. Es dauert Sekunden, bevor ich empört reagieren und einen Schritt zur Seite machen kann. Ich funkele ihn böse an, denn dieser Vorstoß ist eindeutig zu forsch. »Was erlaubst du dir?«

      »Ich erlaube mir, der zu sein, der ich bin.«

      Im ersten Moment bin ich verwirrt von dieser Aussage und antworte: »Ein ausgewachsenes Ego allein reicht nicht.«

      Er legt den Kopf schief, lächelt, als wüsste er genau, dass mir seine Berührung gefallen hat, aber er widerspricht mir nicht. Wir stehen beide im Flur. Er wissend, ich verwirrt. Bevor mir der Moment peinlich werden kann, schultere ich meine Tasche erneut und mache mich auf den Weg.

      Er folgt mir nicht, spricht kein weiteres Wort und ich drehe mich auch nicht um.

      Normalerweise schlendere ich gemütlich nach Hause, doch heute habe ich es eilig, in meine schützenden vier Wände zu gelangen. Der einsetzende Nieselregen trägt zu einem flotten Schritttempo bei.

      ***

      Kaum zu Hause, lasse ich alles von mir fallen und ziehe mich mit einem Glas Wein auf mein Sofa zurück. Meistens bin ich sehr ordentlich und hänge die Jacke auf, wechsle die Kleidung in etwas Bequemes und überlege in Ruhe, was ich als Nächstes tun möchte. Doch heute lassen meine Gedanken die üblichen Abläufe nicht zu.

      Um mich herum herrscht völlige Stille. Es ist mir nicht fremd, sondern sogar eine Wohlfühlatmosphäre für mich. Doch dass ein junger Mann, der gerade aus der Pubertät erwacht ist, mich erfahrene Frau so durcheinanderbringt, beschäftigt mich. Habe ich mich bisher für eine starke Person gehalten, wurde ich heute eines Besseren belehrt. Männer in meinem Alter können mich nicht mehr in Verlegenheit bringen und jüngere eigentlich erst recht nicht. Dennoch war ich vorhin einen Moment lang verwirrt und unsicher gewesen. Warum nur? Ich ärgere mich über meine Reaktion. Aber man kann sich nicht immer vollständig unter Kontrolle haben. Und vielleicht wollte das Schicksal mir damit zeigen, dass solche Überraschungsmomente mir auch guttun. Unvorhersehbares ist aufregend und hinterlässt viel mehr Spuren als Routine.

      Ich habe mich daher auch nie für das Thema Ehe erwärmen können und auch längerfristige Beziehungen passen nicht in mein Weltbild. Ich brauche die Einsamkeit wie andere Luft zum Atmen. Mit einem Mann dauerhaft zusammenzuleben, ist für mich unvorstellbar. Mein Drang nach Freiheit ist immer größer gewesen, als der Wunsch nach Nähe. So viele unterschiedliche Männer haben mein Leben bereichert! Nur einen davon ein ganzes Leben lang zu haben? Welch Verschwendung von Möglichkeiten wäre das. Manchmal giert es mich nach den rustikalen Berserkern, die mich grob anpacken und nie über Nacht bleiben. Und dann sehne ich mich nach den Fürsorglichen, die morgens das Frühstück fertig haben, wenn ich aufstehe. Doch spätestens, wenn mein Tag richtig beginnt, nach dem zweiten Kaffee, möchte ich wieder für mich sein.

      Warum ärgert mich also ein kurzer Moment so sehr? David ist ein junger Student, der versucht hat, seine Verführungskünste an einer Älteren auszutesten. Vielleicht ist es sogar eine Art Wette, ob er mich rumkriegen kann oder Ähnliches. Spielchen dieser Art sind mehrfach vorgekommen. Doch ich habe nicht den Eindruck, dass er mit mir spielen will. In seiner Bewegung hat etwas sehr bewusstes und Ernstes gelegen. Nichts an der Berührung war für ihn neu oder ungewohnt. Es ist wie eine Art Wunsch, den er sich selbst nicht abschlagen kann und für das eigene Seelenheil verfolgen muss. Es nicht zu tun, stand nicht zur Debatte.

      Ich versuche, die Gedanken an ihn abzuschütteln und widme mich meiner Lieblingsmusik und einem weiteren Glas Wein. Die Dunkelheit, das gleichmäßige Geräusch des Regens auf der Dachschräge, die weichen Kissen meines Sofas und die immer spätere Uhrzeit helfen mir durchzuatmen. Mein Inneres kommt zur Ruhe und ich schaffe es, völlig abzuschalten. Es ist nur ein Flirt gewesen, weiter nichts.

      Die Kurse von Franco sind so ausgelegt, dass die Studenten an drei aufeinanderfolgenden Tagen ein vorgegebenes Motiv nacharbeiten müssen. Gleichzeitig sollen sie eine persönliche Note einbauen. Um dies möglichst präzise tun zu können, wurde der Kurs so gelegt, dass zwischen den einzelnen Terminen maximal vierundzwanzig Stunden liegen. So bleibt die Konzentration auf dem Motiv und wird nicht durch andere Arbeiten abgelenkt.

      Dadurch bin ich gleich am nächsten Tag wieder im Einsatz und spüre die Blicke auf meinem Körper. Wieder ist es meine Aufgabe, mich bereitwillig zu präsentieren. Und wieder fühle ich die Augenpaare, die rein künstlerisch an mir interessiert sind – und die von David.

      Zweifelsohne geht er gewissenhaft seiner Arbeit nach und setzt das aktuelle Projekt fachmännisch um. Doch es bleibt die feine Gier in ihm, die ich jedes Mal spüre, wenn sich unsere Blicke treffen. Er hat echte Künstlerhände, unfassbar filigran, als hätte Gott selbst sein Können der Schöpfung daran zeigen wollen. Niemals würde er damit Holz hacken oder im Garten etwas ausgraben können, ohne sie zu zerstören. Aber um einen Zeichenstift oder Pinsel vollendet einzusetzen, dafür sind sie geschaffen.

      In der ersten Stunde passiert nichts, was mich in Verlegenheit bringen könnte. Ich bin ihr Projekt, keine Beute. Der für mich schwierigste Moment ist, als David mit der Zungenspitze seine eigenen Lippen nachzeichnet und meine vor ihm offenliegende Spalte eine Reaktion zeigt. In meinem Kopf findet sofort die Assoziation statt, dass diese Zunge meine Perle berührt und ich fühle, wie es in mir leicht zuckt. Ich bin selbst überrascht, dass eine kleine Geste eine solche Reaktion in mir auslöst, schließlich bin ich kein Teenager mehr. Dennoch ist es ungewöhnlich und regt meine Fantasie an. Ich fühle, wie sich in mir Feuchtigkeit bildet und kleine glänzende Tropfen ihren Weg nach außen finden. Ich schaue mich um und registriere beruhigt, dass der Rest der Gruppe konzentriert arbeitet.

      Doch David erkennt genau den Unterschied zwischen dem Beginn der Sitzung und dem Jetzt. Er betrachtet meine Weiblichkeit mit Neugier. Sein ganzes Gesicht beginnt zu strahlen, als er versteht, was in ihr vorgeht.

      Ich kann nicht anders, als im zuzuzwinkern und erlaube mir, die aufkommende Geilheit zu genießen. Hier ist für mich bekanntes Terrain, ungefährlicher, als autoritäre Flirtversuche. Sex ist ein Thema, mit dem ich offen und gut umgehen kann. Während ich dies tue, bemerke ich, dass er sich mit der rechten Hand langsam den Schwanz massiert. Nicht dass mich seine Offenheit überrascht, doch für einen kurzen Moment halte ich die Luft an und erwarte einen empörten Aufschrei von einem der anderen Teilnehmer. Aber

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