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Meilen zurück, als er es hört.

      Links von ihm dringt das dumpfe, dröhnende Geräusch einer in Panik dahinrasenden Herde durch die Nacht. Es zieht nach Nordwesten davon. Schüsse peitschen. Dann wird alles still, bis das Brüllen jäh anschwillt und er genau darauf zureitet.

      Bald darauf sieht er Stiere pulkweise durch ein Tal jagen und reißt sein Pferd herum, lenkt es blitzschnell zwischen Büsche.

      Reiter tauchen auf. Sie preschen dicht an ihm vorbei und jagen brüllend um die verstreuten Rinderrudel. Noch zwei Reiter erscheinen, galoppieren hinter den anderen her. In einer weit ausholenden Kreisbewegung beginnen sie die Rinder zu einem Block zusammenzutreiben. Doch sie sind keine fünf Minuten damit beschäftigt, als das nächste Rinderrudel, vielleicht hundert Tiere, aus dem Einschnitt des French Creek heranrast. Sofort wenden sich die vier Mann von dem gerade zusammengetriebenen Rudel ab. Sie stellen sich dem neuen Rinderpulk in den Weg und fangen es dicht vor dem Buschstreifen, in dem Cliff steckt, ab.

      »Pablo, drüben hin, wir haben sie schon. He, Londsdale, hierher.«

      Zwei Mann treiben jetzt das Rudel auf die anderen Stiere zu. Die beiden anderen halten keine dreißig Yards vor Cliff Thayer am Hang. Ihre Stimmen schallen laut zu ihm hin.

      »Pablo, du mußt auf die Ranch, schnell. Hier ist nicht mehr zu machen, überall bewegen sich einzelne Rinderpulks durch das Buschgelände. Du mußt die Mannschaft holen! Alle Mann müssen her, sonst zerstreuen sich die Rinder im Umkreis von zehn Meilen. Verdammt, diese Katastrophe. Wir vier – das ist alles, was noch da ist. Hau ab, Mann, hol die Mannschaft!«

      »Und was soll ich Big Jim sagen, Ferguson?«

      »Nun, irgendwer hätte die Herde in Stampede gebracht, wir hätten keinen gesehen. Es könnten zwanzig oder auch nur fünf Mann gewesen sein. Sage ihm, es sei aus mit der Herde. Mindestens dreihundert tote Rinder allein hinten am Bach. Sie sollen unterwegs aufpassen, daß sie nicht auf die Kerle stoßen, die uns das einge­brockt haben! Los, hau ab, schnell!«

      »In Ordnung, Ferguson.«

      »Paß selbst auf, die Kerle können überall sein.«

      Als Pablo davonreitet, lenkt Cliff langsam sein Pferd herum. Er hört Ferguson noch irgend etwas rufen. Dann reitet er im Schritt zweihundert Yards weiter, ehe er dem Pferd die Hacken gibt und Pablo vorsichtig folgt.

      Zwanzig Mann? geht es Cliff durch den Kopf. Einer, Freunde, nur einer. Jetzt habt ihr es, den Schlag muß Jim Vance erst verdauen. Es wird ihm verdammt schwer werden. Ray war da und hat es auf seine Art getan. Aber wohin ist er jetzt? Was hätte Dad getan?

      Cliff Thayer grübelt zwei Minuten. Dann weiß er, was sein Vater getan hätte. Old Nat Thayer wäre jetzt zur Ranch geritten und hätte sich Big Jim­ Vance gekauft. Ray müßte nicht sein Sohn sein, wenn er es nicht auch täte.

      *

      »Lieg still, Ratte!« zischelt der Mann neben Lemmy Lane und setzt ihm den Revolver an den Kopf. »Rühr dich nicht, Hundesohn, sonst passiert dir was!«

      Er schlägt mich nieder, denkt Lane voller Furcht. Mein Gott, ich bin halbtot von diesem Ritt. Als ich schreien mußte, hat er mir einen Knebel in den Mund gestopft und ist weitergejagt. Ich bin schon tot.

      Hufgetrommel vor ihm, das sich von Südwesten nähert. Und dann prescht jemand auf den Ranchhof, schreit gellend wie ein Indianer los.

      Es wird lebendig vor ihnen, Türen fliegen auf, Lichtschein breitet sich aus.

      »Boß, die Herde ist überfallen worden! Boß…«

      Der alte Mann im Haus quält sich hoch. Mühsam nur zieht er sich den Hausrock über, nimmt den Stock und humpelt durch den Flur. Als er die Tür öffnet, sieht er seine Männer laufen, Pferde satteln und sich unter dem Vorbau zusammenrotten.

      Pablo tritt hastig auf ihn zu, sieht an ihm vorbei.

      »Boß, sie haben die Herde überfallen. Wir sind nur noch vier Mann. Wo Clay geblieben ist, wissen wir nicht. Adam fehlt, die Lanes sind verschwunden. Boß, ungefähr dreihundert Rinder liegen tot im French Creek­.­ Wo ist Howard, Boß?«

      So ist es, denkt der Alte und lehnt sich an die Wand. Howard ist nie da, wenn man ihn braucht. Hm, die Herde, meine Herde haben sie überfallen.

      »Wer war es, Pablo?«

      Seine Stimme klingt gebrochen, das Sprechen fällt ihm schwer.

      »Ich weiß nicht, wir haben keinen gesehen. Es ging ganz plötzlich los, Boß. Ferguson führt jetzt, aber wir haben keine Munition mehr, und die Rinder verstreuen sich immer mehr. Boß, wir brauchen jede Hand, um die Herde wieder zu sammeln, sonst rennen die Stiere zehn Meilen weit und wandern ab. Ist denn Howard nicht da, Boß?«

      »Er ist mit Kilburn zur Stadt«, antwortet der Alte bedrückt. »Reitet – du auch, Flint – alle Mann zur Herde! Und treibt sie zurück auf – auf unsere Weide!«

      »Boß, willst du allein hierbleiben? Soll nicht jemand von uns…?«

      »Die Herde, rettet sie!« bestimmt der alte Jim Vance. »Macht, was ich sage! Ich brauche niemanden.«

      Sie sehen sich an, ehe sie losreiten. Manch einer sieht sich nach dem Alten um. Er lehnt an der Wand und rührt sich nicht.

      Verloren, denkt Jim Vance. Aber es ist kein Zorn mehr in ihm, er ist nur todmüde. Verloren, Howard Ich habe dich machen lassen, was du wolltest, Junge. Jetzt sieh auch zu, wie du damit fertig wirst. Wo ist meine Bank, meine Bank…

      Er geht los. Der Stock tackt auf die Vorbaubohlen. An der Bank bleibt er stehen, setzt sich seufzend. Die Nacht ist kühl. Die Hauswand ist in seinem Rücken. Und vor ihm liegt der Hof – seine Ranch, eine große, mächtige Ranch.

      Der alte Mann macht die Augen zu, er will warten. Und es ist ihm gleich, ob es kühl ist oder ob es lange dauert. Warten auf Howard, seinen Sohn, der ihm sagte, er sei damals nur feige gewesen, zu feige, gegen Nat Thayer hart genug einzusteigen.

      Feige, denkt der Alte, war ich nie. Ich war nur zu klug. Er hätte mich umgebracht. Ja, Nat hätte es getan, wenn ich keine Ruhe gegeben hätte. Etwas fehlte mir, was Nat immer besaß. Der Mut, sich selbst zu opfern, wenn es sein mußte. Ich war nie der Mensch, der das getan hätte. Feige nennt mich mein eigener Sohn, weil er keinen Verstand hat. Er hat keinen, ich habe es befürchtet. Wer mag meine Herde angegriffen haben, wer nur? Sollte Clay doch recht behalten, daß Old Bill Cooley gefährlicher ist als zehn rauhe Burschen? Hat er sich Leute geholt? Oder ist es…

      Er will das nicht zu Ende denken. Der Gedanke bereitet ihm beinahe körperliche Schmerzen. Zweimal hat er Nat und dessen ältesten Sohn miteinander gesehen, und er hat gewußt, daß dieser Junge vielleicht noch entschlossener sein mußte, als der alte Nat. Sollte der etwa… Der? Dem traut er es zu. Wenn der hier wäre, der ging sie alle mit offenem Visier an, der würde jedem an den Hals springen.

      So einen Sohn, denkt der Alte, so einen Sohn müßte ich haben. Und Nat hat seinen Jungen weggejagt. Mir ist unbegreiflich, wie er das tun konnte.

      Wenn Ray hier wäre, dann…

      *

      »Hast du gehört?« fragt der Mann neben Lemmy Lane leise. Er flüstert nur, seine Stimme klingt zischelnd. Und doch hört Lane den Grimm heraus. »Jetzt sind sie weg, wie? Und mein Freund Howard Vance ist mit dem Mörder Kilburn in der Stadt. Sie werden bald hier sein, lange kann es nicht mehr dauern, Lane, du Ratte. Der Alte ist allein. Siehst du, dort sitzt er. Er wartet auf seinen Sohn, Lane. Bald kommt er und mit ihm Kilburn. Wenn sie da sind, gehen wir los. Ich halte dich mit einer Hand, mein Freund. So werden wir um die Ecke kommen. Und dann wirst du deine Geschichte erzählen. Du wirst sie laut erzählen. Verstehst du? Sehr laut, Lane.«

      Lane friert erbärmlich und preßt die Zähne aufeinander. Er weiß jetzt, daß der Mann neben ihm nicht nur eisenhart, sondern auch verschlagen ist. Dieser Mann hat keine Nerven, und er hat Zeit.

      »Sie werden Tyler irgendwo auflesen, Lane«, flüstert Ray Thayer. »Und dann wird er ihnen sagen, daß er deinen kleinen Bruder aus Versehen erschossen

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