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kommunikative Variation kontinual modelliert werden sollte, als eine Landschaft der sanften Übergänge, oder doch eher so, dass an manchen Stellen Abgründe oder Gräben sichtbar werden? Die Tatsache, dass wir die mediale Variation in das Nähe-Distanz-Kontinuum integriert haben, spricht dafür, dass wir die Auffassung teilen, dass es entscheidende Brüche in der kommunikativen Landschaft geben kann. Wir teilen aber nicht die Auffassung, dass die von den Gräben abgegrenzten Räume isoliert voneinander betrachtet werden sollten. Dies gilt auch für die beiden Plateaus, die durch die räumliche und zeitliche Ko-Präsenz der Interaktant*innen bzw. durch deren Fehlen voneinander getrennt sind. Nicht so sehr deshalb, weil beide intern wieder in Räume gegliedert sind, die konzeptionell variieren und deshalb jeder Gedanke an eine kommunikative Homogenität auszuschließen ist. Die Gesprochene-Sprache-Forschung vergisst dies manchmal, weil sie sich (fast) ausschließlich auf den Bereich der phonischen Nähekommunikation konzentriert. Aber auch dann, wenn mediale und konzeptionelle Faktoren zusammengenommen werden, ergeben sich keine Räume, deren fundamentale Andersartigkeit kommunikative und sprachliche Regeln schafft, die nur für diese, nicht aber für die anderen, gültig wären. Denn es gibt Brücken zwischen den Räumen, die die Kontinuität über die medialen und konzeptionellen Differenzen hinweg sicherstellen.

      Vielleicht sollten wir dennoch zuerst von den Gräben und den Abgründen sprechen. Denn es könnte der Eindruck entstehen, die Metapher der Brücken sei nichts anderes als der Versuch, die Unterschiede zwischen den Räumen herabzuspielen und die Vorstellung einer kommunikativen Landschaft zu privilegieren, die nur sanfte Übergänge und allseitige freie Zugangsmöglichkeiten kennt. Deshalb hier noch einmal mit aller Klarheit: Mediale Differenzen schaffen unabhängig von ihrer jeweiligen konzeptionellen Überformung Unterschiede im Formulieren, im Grad der Sprachlichkeit der Kommunikation und in der Zahl und Art der möglichen semiotischen Dimensionen, die keine konzeptionelle Variation aufheben oder ausgleichen kann. In der physisch geteilten Sprechsituation ist die sprachliche Kommunikation eingebettet in die Semiotik, genauer in die Indexikalität der Stimme und in die Kommunikation über körperliche Gesten. Die Nähekommunikation kann daher, wenn sie phonisch ist, sprachlich Inhalte übermitteln, aber nicht ohne die Interpretationsanweisungen der übrigen Modi, und da die übrigen Modi schwerer zu kontrollieren sind als unsere sprachlichen Äußerungen, sind sie aus der Perspektive der Rezipient*innen womöglich die wichtigeren. Auch die Distanzkommunikation kann den multimedialen Raum und die Präsenz der Körper nicht zurücklassen. Kontrollmechanismen sind notwendig, um die mimischen und gestischen Indizien in Situationen der sozialen Distanz zu verringern. Auch ein gemeinsam akzeptiertes Neutralitätsgebot ist denkbar, das in sachbezogener Kommunikation dafür sorgt, dass die Körperlichkeit der Kommunikationspartner*innen keine Rolle spielen sollte. Aber ist dies in letzter Konsequenz wirklich denkbar?

      Mit der Schrift wiederum geht die face-to-face-Situation und mit ihr gehen die medialen Dispositive der Phonie verloren, unabhängig von der Konzeption. Es gehen also alle kommunikativen Modi außer der Sprache und aus der Lautsprache der Laut, also die Prosodie annähernd unweigerlich verloren. Wir könnten dies als die Entkörperlichung (das dis-embodiment) der Sprache bezeichnen. Lautsprache ist unausweichlich an die Körperlichkeit ihrer Produzent*innen gebunden, sie bringt in der Klangqualität der Stimme die Individualität des Körpers, in der Prosodie die Stimmung der Produzent*innen zum Ausdruck, welche sich parallel in deren Gesten manifestiert. Die Domäne der Körperlichkeit und damit auch die Authentifizierbarkeit des Kommunikats über die parallelen Modi sind in schriftlosen Kulturen auch in rituellem Sprechen gegeben. Erst die Schrift schaltet sie ab. Die Sprache sucht sich nach ihrer Entkörperlichung neue Körper – die Stele, die Tafel, den Körper des Buchs. Sie findet in den visuellen Dimensionen des graphischen Plateaus neue analoge Ausdrucksmöglichkeiten. Aber es sind nicht mehr die Körper der Kommunizierenden, die die sprachlichen Kommunikate stützen und interpretieren, und die neuen graphischen (und bildlichen) Umgebungen der sprachlichen Kommunikate auf dem graphischen Plateau sind weit eher kontrollierbar als es die körperlichen waren.

      Nicht weniger einschneidend als die Entkörperlichung ist die damit einhergehende offline-Produktion. Die Produzent*innen eines Schriftstücks haben alle Zeit der Welt zu formulieren, können ihre Formulierungen beliebig revidieren. Die Kognition kann die Emotion weithin kontrollieren, und ihre Arbeit bleibt für die Rezipient*innen unsichtbar. Aber die Produzierenden der Textstücke haben in keinem einzigen Modus mehr eine Rückmeldung über das, was in den Rezipierenden auf der Basis des Kommunikats entsteht. Sie können die Rezeption imaginieren und sich an diesem Entwurf orientieren. Aber die Möglichkeiten, sich der geteilten Aufmerksamkeit, der gemeinsamen Ausrichtung auf das kommunikative Anliegen, der emotionalen Zu- oder Abwendung der Partner*innen zu versichern, fehlen. Kommunikation unter den Bedingungen der zeiträumlichen Trennung ist anders, und man sollte diese Andersartigkeit nicht in einem der konzeptionellen Parameter verstecken, sondern sie voll entfalten. Auch, damit sichtbar werden kann, dass die medialen Konstellationen niemals alleine wirken, sondern immer nur im Verbund mit eben diesen Parametern.

      Vor diesem Hintergrund ist der Gedanke an eine sanfte, gering konturierte kommunikative Landschaft von vornherein ausgeschlossen. Wenn wir eine Modellierung des Gesamts aller Kommunikate vorschlagen müssten, wäre es ein Modell, das die Vielförmigkeit herausstellt und die Unterschiede nicht verdeckt. Texttypolog*innen und Gattungstheoretiker*innen wissen, dass die Gesamtheit der kommunikativen Ereignisse niemals, auch nicht auf der Ebene der gesellschaftlich geronnenen Muster und Vorerwartungen, umfassend und abschließend geordnet werden kann. Die Vielfalt der Einflussfaktoren ist zu groß, und die daran geknüpfte Variation ist allenfalls gerichtet, niemals aber linear. Es ist besser, Plateaus, strukturierte Räume der Variation, anzusetzen, die durchaus klare, auch mediale Grenzziehungen aufweisen können. Wichtig ist allein der Gedanke, dass die mediale Variation nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit den konzeptionellen Faktoren gesehen werden muss und dass kein vollständiger Bruch zwischen den einzelnen kommunikativen Domänen angesetzt werden darf. Es ist ein Kontinuum im schwachen Sinne des Wortes, eine typisierbare, aber allenfalls um prototypische Zentren herum zu ordnende Variation, die aber gemeinsam bezogen bleibt auf die sprachliche Kommunikation, die also den Raum des Sprachlichen nie vollständig verlässt.

      Denn die Sprache ist es, die die Verbindung zwischen den einzelnen Plateaus sichert. Dies gilt von Anfang an, vor jeder medialen Differenzierung der Kommunikation durch die kulturell-technische Entwicklung und über die konzeptionellen Differenzen hinweg. Sprache ist immer schon situationstranszendierend; sie ist als Zeichensystem immer situationsentbunden und immer rational in dem Sinne, dass sie begrifflich ist, digital und nicht analog. Menschliche Sprache ist von sich aus Distanz, Distanz zunächst einmal der Sprecher*innen von sich selbst. Für Handlungsanweisungen brauchen wir sie nicht, der Warnschrei ist älter als die Sprache, in authentischer Nähe kommen wir auch ohne Sprache zurecht (siehe Humboldt 1973: 5). Wir entbinden uns selbst im Sprechen aus der Situation des Sprechens. Menschliche Sprache ist Distanz auch deshalb, weil jede Kommunikation, auch die nicht-sprachliche Kommunikation, damit zurechtkommen muss, dass ihr Erfolg niemals gesichert ist. Nur wir selbst verstehen sicher, was wir meinen und was wir sagen – auch wenn wir selbst nicht mehr damit einverstanden sind, sobald wir es gesagt haben. Die anderen konstruieren einen Sinn auf der Basis ihrer eigenen kognitiven und emotiven Systeme, und dieser Prozess ist uns als Produzent*innen vollständig entzogen. In der face-to-face-Situation bauen wir auf die Zeichen der Bereitschaft zur Kommunikation, die uns das Gegenüber gibt (oder nicht gibt). Wir nutzen die (körperliche) Nähe, die wir gerade jetzt, aber keineswegs immer zum Gegenüber haben, um mit ihm oder ihr Sinn zu konstruieren. Wenn wir schreiben, konstruieren wir unsere Kommunikate mit Sorgfalt; weil wir die Distanz zum anderen für aufhebbar halten durch die Kommunikation, die wir betreiben.

      Auch das sprachliche Repertoire ermöglicht das Hin und Her zwischen den medialen Räumen. Wir finden auf beiden Seiten des Grabens nicht nur identische Signifikanten, sondern auch identische Kollokationen und Konstruktionen. Die sprachlichen Formen werden in der phonischen Nähekommunikation auf verschiedenen Ebenen nicht unbedingt vollständig ausgeführt, sie erscheinen als fragmentarisch und das Nähesprechen daher als ein Konglomerat von Fragmenten. Nähe und Distanz – und Phonie und Graphie – können außerdem eigene Wortformen und Konstruktionen entwickeln. Aber der Überschneidungsbereich ist doch unübersehbar groß. Wir würden für phonische Nähe und schriftliche Distanz, genauer für deren

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