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zuckten, durfte ich noch Leben in dem Eingegrabenen vermuten, und ich machte mich sogleich ans Werk, ihn aus dem Sand zu befreien.

      „Könnt Ihr mir nicht zur Hand gehen?“, bat ich den Araber auf dem Kamel.

      „Bei Allah. Dies ist nicht möglich, Effendi. Dies ist ein Verurteilter vor Allah. Ich darf mich nicht gegen dieses Urteil wenden.“

      „Woher wollt Ihr wissen, dass es rechtens war?“

      „Dies spielt keine Rolle. Nur der Herr weiß es.“

      „Nun, da ich es nicht weiß, werde ich dieser armen Seele helfen“, erwiderte ich.

      „Dann seid auch Ihr des Todes. Die Karawane wird Euch verstoßen.“

      Während wir so sprachen, hatten meine Hände schon das halbe Männlein ausgegraben. Denn dieser Mann war von sehr kleiner Statur, fast wie ein Kind und äußerst dürr. Aber er lebte, und das war die Hauptsache.

      „Sei’s drum“, entgegnete ich.

      Der Araber auf dem Hedschîn stöhnte: „Ihr seid ein seltsamer Mann.“ Sodann wendete er sein Reittier und ritt von dannen.

      Ich grub und wühlte und schaffte es schließlich, den armen Kerl aus dem Wüstenboden zu ziehen. Dann nässte ich ihm das Gesicht mit Wasser, und die Lebensgeister kehrten in ihn zurück.

      „Wer seid Ihr?“, fragte er noch ganz benommen. Unterdessen war die kurze Dämmerung der Wüste hereingebrochen und von der Karawane war keine Spur mehr zu erblicken. Doch dies stimmte nicht ganz. Denn im Osten sah ich einen Punkt in den Dünen, der rasch größer wurde. Bald konnte ich zwei Reittiere unterscheiden. Und schließlich erkannte ich meinen freundlichen Weggenossen, den Araber auf dem Hedschîn. Am Zügel führte er ein großes, dünnes Pferd hinter sich her.

      Ich erhob mich, um ihn zu begrüßen. Kurz vor mir blieb er stehen, stieg jedoch nicht ab. Er warf mir die Zügel des Pferdes entgegen. Geschickt fing ich sie auf.

      „Effendi“, begann er. „Ihr seid ein guter und gerechter Mann. Dem da möchte ich nicht helfen. Doch Euch wünsche ich nicht den Tod. Deshalb gebe ich Euch dieses Pferd. Es ist nichts wert und bedarf keines Dankes. Sodann mögt Ihr mit Eurem neuen Gefährten wohlbehalten Euer Ziel erreichen.“

      „Ich danke Euch. Wollt Ihr mir zum Abschied noch Euren Namen nennen?“

      „Mein Name ist Hassan, das soll Euch genügen.“

      „Ich danke Euch, Hassan. Allah sei mit Euch.“

      „Und mit Euch.“ Dann sprintete er auf seinem Kamel davon und ich sah ihn nie wieder.

      Sodann wand ich mich meinem Schützling wieder zu. „Wer seid Ihr?“

      „Mein Name ist Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah“, sprudelte es aus ihm heraus.

      Ich lächelte amüsiert. „Ein wohlklingender Name. Was hat Euch edlen Herrn in diese Lage gebracht?“

      Halef rückte seinen Turban zurecht und glättete seine Fransen, die er als Bart im Gesicht trug. „Ich muss Euch enttäuschen, Sihdi. Ich bin kein edler Herr. Ich wurde wegen Prahlerei und Aufschneidens bestraft.“

      „Und seid Ihr dessen schuldig?“

      Halef lächelte verschmitzt. „Das, lieber Sihdi, wird uns die Zeit lehren.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Wie ist Euer Name?“, fragte mich der kleine Muselmann dann.

      „Karl.“

      „Von wem stammt Ihr ab, Kara?“

      Ich wollte ihn nicht beleidigen und ließ es bei Kara. Denn ich wusste sehr wohl, dass er meinen Namen nicht recht auszusprechen vermochte.

      „Ich komme aus Deutschland.“

      „So bist du denn Kara Ben Nemsi“, beschloss er kurzerhand. Ich ließ ihn gewähren. War es doch ein vortrefflicher Name für mich in diesem Land.

      Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Wir machten uns auf, in die Klüfte des Dschebel Aures, stiegen zum Dra el Haura hinunter, um über den Dschebel Tarfaui nach Seddada, Kris und Dgasche zu gelangen, wo wir von einem Abenteuer ins nächste stürzten. Halef war stets an meiner Seite und hatte nur eine Sorge:

      „Und ist es wirklich wahr, Sihdi, dass du ein Giaur bleiben willst ...?“

      So beendete er seine Geschichte. Mit einem tiefen Seufzer stützte er wieder den Kopf auf die Hände.

      „Und Sie sind dieser Kara Ben Nemsi?“, fragte ich verblüfft.

      „Nehmen Sie es, wie Sie wollen“, antwortete er leise. „Gehen Sie nun. Lassen Sie mich allein.“

      So erhob ich mich. Ein Ruck ging durch das Schiff. Konnte dies schon die abendliche Anlegestelle sein? Waren tatsächlich schon so viele Stunden vergangen? Stunden, in denen ich mit Kara Ben Nemsi durch die Wüste geritten war. Ich blickte den Mann am Tisch an und wusste nicht, was ich von seiner Erzählung halten sollte. Also verließ ich ihn – den Abenteurer, den Erzähler, den Irren? – und machte mich selbst auf, um durch die Wüste zu reisen.

      Die Gesellschaft am Lagerfeuer hing gebannt an meinen Lippen. Erst jetzt, da ich aus den Tiefen meiner Erinnerung auftauchte, wurde mir dies gewahr. Das dürre Männlein warf einen Palmzweig ins Feuer. Funken stoben auf und wanderten gen Himmel, als wären es Sterne, die sich mit den Glanzlichtern der Milchstraße vereinen wollten. Ich blickte ihnen versonnen hinterher.

      „Dies war eine schöne Geschichte, Sihdi. Habt Dank dafür.“

      Ich lächelte großzügig. Doch war mein Geist noch gefangen in meiner Erzählung.

      Der dürre Araber erhob sich. „Nun denn, lasst uns Allah preisen und uns zur Ruhe begeben.“

      Die anderen erhoben sich nun auch. Sie hatten sich unter den Palmen Schlafplätze gerichtet, die sie nun aufsuchten. Ich selbst verweilte noch am verglühenden Feuer.

      Unverhofft legte jemand eine Hand auf meine Schulter. „Ich hoffe, Euer Freund hat den Weg zurück ins Leben gefunden.“

      Ich blickte mich um. Es war der dürre Araber.

      „Er war nicht mein Freund“, entgegnete ich. Die Stille der Wüstennacht wirkte erdrückend.

      „Aber der meine, Sihdi“, antwortete er leise.

      Ich stutzte und blickte ihn verwirrt an. „Wer seid Ihr?“, entfuhr es mir.

      Der Mann lächelte verschmitzt. „Dies ist mein Sohn, er heißt Kara“, stellte er mir einen jungen Burschen vor, der still an seiner Seite stand.

      Ein kalter Schauer überlief mich.

      Dann deutete er eine Verbeugung an und stellte sich selbst vor mit den Worten: „Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah.“

      Monika Niehaus

      Das Auge des Zyklopen

      „Und du glaubst wirklich nicht an Magie, Sihdi?“

      Halef, mein Führer und Gefährte, der ein paar Pferdelängen vor mir ritt, drehte sich zu mir um, sein dünner Bart ob so viel Begriffsstutzigkeit empört gesträubt.

      „Das meiste, was abergläubische Leute für Magie halten, lässt sich wissenschaftlich erklären. Und was uns heute noch phantastisch erscheint, werden wir morgen verstehen“, entgegnete ich ihm.

      „Sihdi, du bist so klug; wenn du nur auf mich hörtest, könnte aus dir der größte Magier von allen werden. Also werde ich dich überzeugen, du magst wollen oder nicht …“ Er trieb sein Pferd zu einem flotten Trab an.

      Diese Diskussion hatten wir schon häufiger geführt, daher hörte ich nur mit halbem Ohr zu und studierte den Ring an meiner linken Hand. Wir befanden uns auf dem Weg von Djelfa nach El Oued und wollten nach einem Abstecher über den Schott el Dscherid weiter nach Kairo. Unterwegs hatten wir in einer Karawanserei in

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