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die medizinischen Ratschläge, die dieser falsche Hekim gab, schienen sich auf das Austeilen von Amuletten und die Entgegennahme von Piastern zu beschränken. Einem kleinen Jungen, der an Räude litt, hätte ein Bad wohl mehr geholfen als ein Talisman gegen den Bösen Blick. Als der Hekim einem jungen Mann, der sich offensichtlich eine Maulsperre zugezogen hatte, ein weiteres Amulett in die Hand drücken wollte, hielt ich es nicht länger aus. Ich warf Asifa einen raschen Blick zu. Sie nickte nur – ein Handzeichen, und Ifrit und Rasad bahnten mir einen Weg durch die Menge.

      Dann trat ich auf den jungen Mann zu – „Du erlaubst?“ – und versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige.

      Der Geschlagene taumelte zurück. „Was fällt dir ein … oh!“ Er bewegte seine Kinnlade. „Ich kann wieder sprechen! Du hast mich geheilt! Bist du ebenfalls ein Hekim, Effendi?“

      Ich lächelte. „Solche einfachen Handgriffe kennt bei uns in Frankistan jedes Kind. Aber lass sehen, was in dem Amulett steckt, das Iskander dir gegeben hat.“

      Der Grieche war aufgesprungen, das Gesicht gerötet. „Ich verbiete es! Darin wohnt ein mächtiger Dschinn …“

      „… der die Gestalt einer toten Fliege angenommen hat“, vollendete ich seinen Satz. Und schnippte das Insekt in den Sand, wo es blitzschnell von einer kleinen Eidechse verschlungen wurde.

      Iskander riss sich zusammen. „Effendi, Unheil wird über dich kommen!“, versicherte er mir. „Und es wird noch schlimmer werden, wenn du mir nicht sofort meinen Sklaven Abdul auslieferst, den dein Diener festhält.“

      „Gern, wenn du mir sagst, was er tief in der Nacht bei den Uëlad Sebira zu suchen hatte!“

      „Frag ihn doch selbst!“, spottete der Dicke. „Aber wenn du mir mein Eigentum nicht wiedergibst, bist du ein Dieb.“

      Weiter kam er nicht, denn der kleine Halef war auf den Teppich gesprungen und hatte seine Peitsche gezogen. „Wer meinen Sihdi einen Dieb nennt, macht mit meiner Kurbatsch Bekanntschaft!“, rief er.

      „Und wer meinem Herren droht, mit mir!“ Aus dem Schatten des Zeltes war ein Koloss getreten, kahlgeschoren und nackt bis zur Hüfte. Auf seiner Stirn trug er ein aufgemaltes drittes Auge. Er hätte für den antiken Polyphem Modell stehen können. „Ich diene dem Vater der Zyklopen. Willst du es mit mir aufnehmen, Zwerg?“

      Wenn Halef etwas nicht leiden konnte, dann, wenn man ihn auf seine geringe Körpergröße ansprach. „Nichts lieber als das, Großmaul!“

      „Nein, Halef, ich verbiete es, du rennst in dein Unglück!“, protestierte ich und wollte mich zwischen ihn und den Riesen stellen, doch die schöne Araberin hielt mich zurück. „Effendi, du humpelst, dein Fuß ist verletzt. Vertrau deinem Gefährten. Kopf und Herz sind oft wichtiger als rohe Kraft!“ Diesen Augen war schwer zu widerstehen, und schließlich gab ich nach, woraufhin Asifa Halef aus seinem Überwurf half und seinen Oberkörper auf seine Bitte hin mit Talg einrieb.

      Dann stellte sich der Kleine seinem Gegner. Ein Raunen ging durch die Menge und mein Magen zog sich zusammen. Der Kerl war nicht nur einen Kopf größer als Halef, sondern auch muskelbepackt wie ein Stier. Er griff ohne Vorwarnung sofort an, aber Halef wich ihm geschickt aus und zielte mit heftigen Tritten immer wieder nach den Knien seines Gegners. Einmal gelang es dem Riesen, Halef zu packen, und die Menge hielt den Atem an, aber dank des Talgs gelang es dem Kleinen, sich ihm wie ein Aal zu entwinden. Plötzlich ging Halef in die Hocke, schleuderte dem Riesen eine Handvoll Sand ins Gesicht und sprang ihm an die Kehle. Der taumelte einen Moment, wischte sich den Sand aus den Augen, schüttelte Halef ab und lachte heiser. Nun hatte der Kleine seinen Trick ausgespielt und würde bald die Nerven verlieren. Und tatsächlich, Halef sah sich gehetzt um, machte auf der Ferse kehrt und flüchtete. Sein Verfolger setzte ihm nach wie ein gereizter Stier. Wie blind vor Angst lief Halef direkt auf die riesige Palme zu, die den Platz beschattete. Nur noch einen Moment, dann würde der Riese ihn zwischen sich und dem Stamm zerquetschen. Aber statt seine Richtung zu ändern, griffen Halefs nackte Füße in die Rinde der Palme. Er rannte den Stamm zwei volle Schrittlängen empor und machte dann einen geschmeidigen Salto rückwärts. Der Koloss hatte keine Chance mehr zu bremsen und streckte die Hände vor, um den unvermeidlichen Aufprall abzumildern. Halef landete direkt hinter ihm, und mit der vollen Wucht, die ihm sein Schwung verlieh, trat er den Koloss ins Gesäß. Dessen Schädel prallte mit einem dumpfen Ton gegen den Stamm und er brach zusammen, ohne einen weiteren Laut von sich zu geben.

      Einen Moment herrschte Totenstille, dann brach die Menge in Jubel aus. Auch wenn die Umstehenden dem falschen Heilkundigen bisher freundlich gesonnen waren, konnten sie nicht anders, als dem Sieger dieses ungleichen Kampfes Respekt zu zollen. Und Asifa zwinkerte mir zu. Hab’ ich es dir nicht gesagt?

      „Halef, mein lieber Halef, du hast es tatsächlich geschafft!“ Erleichtert nahm ich den Kleinen in den Arm.

      „Sihdi, du wirst doch nicht an deinem Hadschi Halef Omar gezweifelt haben?“ Er schnüffelte. „O Allah, ich dufte wie ein Hammel, der gleich aufgetischt werden soll!“

      Der Grieche war unterdessen aus seiner Erstarrung erwacht.

      „Das war ein übler Trick!“, heulte er. „Diese Fremden sind böse Zauberer, die ihr schleunigst fortjagen solltet, wenn euch nicht der Fluch des Zyklopen treffen soll!“ Er wies auf den Schädel, der wie ein Wächter über dem Eingang seines Zeltes hing.

      „Den sollten wir uns einmal genauer ansehen!“ Bevor er mich daran hindern konnte, hatte ich den Schädel von seiner Aufhängung geangelt.

      Der Grieche wollte sich auf mich stürzen, doch die beiden Hyänen knurrten drohend. Dabei entblößten sie ein Gebiss, das einem Leoparden Ehre gemacht hätte, und er blieb wie angewurzelt stehen.

      Ich untersuchte den etwa kürbisgroßen Schädel genauer. Der Unterkiefer fehlte, aber der Schädel war eindeutig natürlichen Ursprungs, keine Fälschung, wie ich zunächst vermutet hatte. Und mitten auf der Stirn prangte ein großes Loch.

      „Der Schädel ist echt!“, musste ich zugeben.

      „Seht, hier saß das Auge des Zyklopen!“, erklärte der Grieche, der wieder Oberwasser spürte, eilfertig. „Er war einer meiner Vorfahren, und sein Geist ist mein Diener.“

      Halef, Asifa und der Scheik, der inzwischen mit seinen Männern vorgetreten war, sahen mich besorgt an. Wenn der Grieche tatsächlich kein Betrüger war … Ich drehte den Schädel herum. Der Unterkiefer fehlte, aber die Zahnreihe im Oberkiefer war intakt. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

      „Einem Effendi aus Almania7 kann man nicht so leicht etwas vormachen“, erklärte ich den Umstehenden. Ich griff nach dem vermeintlichen Zyklopenschädel und hob ihn hoch. „Seht her, hat sein Vorfahr etwa Stoßzähne gehabt? Das Loch in der Mitte, das ihr für den Sitz des Auges haltet, ist die Nasenöffnung, dort setzt der Rüssel an! Er hat euch den Schädel eines jungen Zwergelefanten, wie sie in grauer Vorzeit auf den Inseln vor der Küste lebten, als Kopf eines Zyklopen verkauft!“

      „Maschallah!“ Die Umstehenden drängten sich neugierig heran, um den Schädel näher zu betrachten.

      Aus der Menge löste sich ein älterer Beduine, der einen respektheischenden Eindruck machte. Er wandte sich an den Scheik. „Scheik Achmed es Sallah, wir wissen, dass dein Hengst Falasch ein Fohlen mit einem einzigen Auge auf der Stirn gezeugt hat – genau, wie von Abu Sikulus prophezeit. Wie kann das sein, wenn er nicht wirklich dem Geist dieses Zyklopen befiehlt?“

      Der Scheik warf mir einen hilfesuchenden Blick zu.

      Ich lächelte.

      „In meiner Heimat gibt es eine Pflanze, sie wird Nieswurz genannt und führt, wenn Muttertiere sie während ihrer Trächtigkeit fressen, zu Missbildungen bei der Frucht – einem einzigen, großen Auge auf der Stirn.“

      Der Alte nickte. „Ich habe von dieser Pflanze gehört, wir nennen sie Kharabaq. Aber sie wächst nicht in unserer Gegend …“

      „Nein, aber ihre unterirdischen Teile werden seit eh und je pulverisiert und zu Schnupfpulver verarbeitet, daher der Name …“

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