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      „Mir ist da eben etwas eingefallen“, sagte er hastig. Dann ging er quer durch die Halle auf den Empfangstisch zu.

      Die Türen des Fahrstuhles begannen sich zu schließen. Bonnie drückte rasch auf den Halt-Knopf und hielt die Türen offen. Sie sah zum Empfangstisch hinüber und beobachtete den jungen Mann, der sich gerade wieder umdrehte und zum Fahrstuhl zurückkam. Jetzt hielt er einen Brief in der rechten Hand.

      Als der Junge sah, daß Bonnie den Fahrstuhl für ihn zurückgehalten hatte, lächelte er scheu und kam herein. „Danke“, sagte er, während er vor die Schalttafel trat und auf den Knopf drückte, der die Nummer seines eigenen Stockwerkes aufwies.

      Bonnie hatte es aufmerksam beobachtet.

      Der junge Mann blickte sie über die Schulter hinweg an. „Ich hab’s mir überlegt“, sagte Bonnie. „Für mich bitte zwölftes Stockwerk. Ich habe dort oben noch etwas zu erledigen, und das möchte ich nun doch lieber gleich tun.“

      Der Bursche drückte auf den entsprechenden Knopf, und der Fahrstuhl setzte sich nach oben in Bewegung. Während der Fahrstuhl langsam nach oben schwebte, riß der junge Mann den Brief auf, nahm das Blatt heraus, faltete es auseinander und begann zu lesen. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand. Der Blick aus seinen großen blauen Augen huschte über die Zeilen hin und her. Als er mit der Lektüre fertig war, zeigte sein Gesicht einen bitteren Ausdruck, und es war dem Jungen anzusehen, wie wütend er war, als er nun den Brief zusammenknüllte und das Papierknäuel unwirsch auf den Boden des Fahrstuhlkorbes warf.

      Beinahe im gleichen Augenblick hielt der Fahrstuhl an.

      Bonnie wartete darauf, daß sich die Türen automatisch öffnen würden. Es dauerte ungewöhnlich lange.

      Der junge Mann trat dicht vor die Tür und schien es kaum erwarten zu können, den Fahrstuhl endlich zu verlassen, aber die Türen öffneten sich nicht.

      „Was ist denn los?“ murmelte der Bursche. Er trat zurück und drückte auf den Knopf, der die Tür zum Öffnen bringen sollte. Dabei blickte er ständig zur Tür, doch die beiden Flügel schoben sich nicht auseinander. Die Tür blieb geschlossen. Dann drehte sich der Junge um und blickte Bonnie fragend an.

      „Verdammt, was geht denn hier vor?“ fragte er, als könnte Bonnie ihm eine Erklärung geben.

      Bonnie trat nun ebenfalls vor die Schalttafel und drückte auf den Knopf. Das Ergebnis war das gleiche. Die Türen öffneten sich nicht. Da versuchte es Bonnie mit dem Not-Knopf, aber es blieb alles still. Kein Laut war zu hören. Die Fahrstuhltür blieb nach wie vor fest geschlossen.

      Plötzlich erlosch auch noch das Licht. Es wurde stockdunkel in der Kabine. Es war beinahe, als wären die beiden jungen Menschen in einer Gruft eingeschlossen.

      „Ob irgendwo eine Sicherung durchgebrannt ist?“ fragte der junge Mann.

      „Kann schon sein“, meinte Bonnie.

      „Und was machen wir jetzt?“

      „Wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als zu warten, bis man den Schaden behoben hat“, antwortete Bonnie und lächelte unwillkürlich in der Dunkelheit vor sich hin, als wäre sie über diesen Zwischenfall höchst amüsiert. Sie drehte sich um, tastete sich an der Wand entlang und lehnte sich an die Rückwand des Fahrstuhlkorbes.

      „Verdammt!“ knurrte der junge Mann gereizt.

      „Ist doch kein Grund zur Aufregung“, sagte Bonnie.

      „Sicher wird man die Sache sehr schnell wieder in Ordnung bringen.“

      Pechschwarze Dunkelheit umgab die beiden jungen Leute.

      Bonnie stand da und starrte, aber sie konnte nicht einmal bis zur anderen Seite der Kabine blicken. Es war absolut nichts zu erkennen.

      Sie lauschte sehr intensiv, aber es war auch nicht das geringste zu hören.

      Doch dann hob sie plötzlich den Kopf und lauschte noch intensiver. Was war das denn? Fiel sie etwa in dieser Dunkelheit irgendeiner Sinnestäuschung zum Opfer?

      Was sie da eben gehört hatte, klang unzweifelhaft nach Weinen, ja beinahe nach Schluchzen. Wie war das möglich? Sie war doch mit dem jungen Mann ganz allein hier drin. Sollte vielleicht er . . .?

      Bonnie streckte beide Arme aus und tastete sich im Dunklen durch den Fahrstuhlkorb, bis ihre Finger auf Widerstand stießen. Sie legte dem Jungen beide Hände auf die Schultern.

      Unter dieser unerwarteten und plötzlichen Berührung zuckte der Bursche heftig zusammen, stöhnte erschrokken und zog sich unbeholfen zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Ecke des Fahrstuhlkorbes stieß und gezwungen war, stehenzubleiben. Er preßte sich eng an die Wand, stand im Dunklen da und stöhnte erneut.

      Bonnie stieß mit der Schuhspitze an den zusammengeknüllten Brief, bückte sich rasch, tastete auf dem Boden herum, bis sie das Knäuel gefunden hatte, hob es auf und schob es in den tiefen Ausschnitt ihres Kleides.

      „Ein Mädchen?“ fragte sie leise.

      „Ich möchte nicht darüber sprechen, wenn’s Ihnen recht ist“, antwortete der junge Mann gereizt. Er fügte trotzig hinzu: „Außerdem geht es Sie ja wirklich nichts an!“

      Bonnie machte ein paar Schritte und berührte mit den ausgestreckten Händen erneut die Schultern des jungen Mannes, der sofort wieder in sich zusammenzuschrumpfen schien.

      „Das ist doch kein Grund zur Aufregung“, sagte Bonnie mitfühlend. „Bitte, weinen Sie doch deswegen nicht.“ Ihre Hände griffen noch etwas fester zu und streichelten die Schultern des jungen Mannes, der sich unbehaglich hin und her wand. Ihm war offensichtlich alles andere als wohl zumute. Daß er hier mit diesem hübschen, fremden Mädchen ganz allein in der dunklen Kabine eingesperrt war, schien ihm beinahe Angst zu machen.

      Der Junge stöhnte wieder sehr laut.

      Bonnie schlang kurzentschlossen beide Arme um seinen Oberkörper.

      Sofort zuckte der junge Mann heftig zusammen und wollte sich aus dieser Umarmung befreien, doch dann schien er es sich plötzlich anders zu überlegen. In einer verzweifelten Geste riß er das Mädchen an sich, preßte es fest an die Brust und umschlang es nun seinerseits mit beiden Armen. Mit einer Hand tastete er nach ihrem Hinterkopf und drückte ihr Gesicht an seinen Hals.

      Bonnie strich ihm mit einer Hand übers Gesicht und spürte, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Ihre Finger berührten seinen Mund. Seine Unterlippe zitterte heftig.

      „Ich . . . oh . . . ich brauche jemanden!“ stöhnte der Junge. „Oh, verdammt . . . und wie ich jetzt jemanden brauche! Ich halte es sonst einfach nicht mehr länger aus!“

      Bonnie schloß die Augen, und ein zufriedenes Lächeln spielte um ihre Lippen. Sie kuschelte sich fest an den jungen Mann und drängte ihren Leib energisch an seinen Körper. Ihre Hände schoben sich unter sein Jackett, legten sich auf seinen Rücken und drückten ihn noch fester an ihren vor Erregung zuckenden Körper.

      „Halt mich fest!“ flüsterte sie leidenschaftlich. „Ich möchte, daß du mich ganz fest in deinen Armen hältst!“ Er stöhnte noch lauter, dann drehte er das Mädchen herum, drängte es gegen die Wand und preßte es hart dagegen. Dann beugte er sich hinab und drückte die Lippen auf die süß duftende Halsgrube. Es war ein sehr zarter und behutsamer Kuß.

      „Du bist so hübsch!“ sagte er leise, dann preßte er seinen Mund sofort wieder auf ihren Hals. „Herrgott, wie hübsch du bist!“ stöhnte er nach einer Weile.

      Bonnie tastete im Dunklen nach seinem Gesicht und nahm es zwischen beide Hände. Sie tastete das Profil ab und lächelte dabei. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, versuchte sie doch, ihm in die Augen zu blicken.

      „Du wirst es ja keinem Menschen erzählen“, sagte sie.

      „Aber ich bin auch sehr einsam.“

      Mit beinahe kindlichen Bewegungen, sehr unbeholfen und verlegen, als wüßte er nicht, wie er es anstellen

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