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ich schon fast unten am Wasser. Aber da, direkt am Strand, standen sämtliche Autos und Wohnwagen der Zeltbesitzer. Ich schlüpfte zwischen ihnen hindurch und lief auf einen grünen Wohnwagen zu, dessen Tür offenstand.

      Ich blickte zurück. Zwischen mir und meinen Verfolgern befanden sich gerade einige Wagen. Ich sprang darum schnell die Treppe des grünen Wagens hinauf und verschwand in seinem Innern. Ich bemerkte erst hinterher, daß ein junges Mädchen dicht neben der Treppe gestanden hatte. Ich hatte es nicht gesehen, weil es Wäsche auf eine Leine hängte. Es konnte aber kein Zweifel darüber bestehen, daß es mich gesehen hatte.

      Ich hatte mich gerade unter dem Tisch im Wohnwagen versteckt, als ich die beiden Beamten heranstürmen hörte.

      Der eine rief:

      »Ist hier ein Junge vorbeigelaufen?«

      Ich hörte das Mädchen antworten:

      »Ja, er ist da hinuntergelaufen, zum Festplatz hin.«

      Aus dem Geräusch der Schritte hörte ich, daß die beiden Beamten weiterliefen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Ich war gerettet!

      Das Mädchen tauchte im Türrahmen auf. Es war wohl im gleichen Alter wie ich. Es trug einen enganliegenden Pullover mit Silberpailletten und einen ganz kurzen Faltenrock.

      Ich kroch aus meinem Versteck hervor.

      »Ich danke dir«, sagte ich.

      Das Mädchen lächelte mich an. Es war sehr hübsch und hatte ganz blonde Haare.

      »Hat das nicht prima geklappt?« fragte sie.

      »Ganz prima«, antwortete ich.

      Sie sah mich neugierig an.

      »Was hast du denn angestellt?« fragte sie dann.

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Das ist es ja gerade, ich habe nichts getan. Es handelt sich um einen Irrtum, verstehst du? Sie glauben, daß ich etwas getan habe. Darum bin ich fortgelaufen, und nun laufen sie hinter mir her. Ich war mit zwei Freunden zusammen, aber die sind ihnen entwischt.«

      »Und ihr habt wirklich nichts getan?«

      Ich sah ihr an, daß sie nicht ganz glaubte, was ich sagte.

      »Es ist wahr«, bekräftigte ich.

      »Ja, aber warum . . .?«

      Ich guckte mich im Wagen um. Ich war noch nie vorher in einem Wohnwagen gewesen. Es war sehr schön und gemütlich hier, vor allem war viel mehr Platz, als ich je gedacht hatte.

      »Da ist irgend so ein Flegel gewesen, der sämtliche Gewinne in einem der Schießstände zerschlagen hat. Wir waren daher um das Zelt herumgegangen und wollten nachsehen, ob von dem Täter noch eine Spur zu entdecken wäre. In dem Moment kamen die Polypen und behaupteten, daß wir es getan hätten. Da sind wir abgehauen. Das ist alles.«

      »Ein Schießstand? Welcher denn?«

      Das Mädchen wirkte ganz aufgeregt. Ich schilderte ihr, wo das Zelt stand.

      »Das gehört meinem Vater.«

      »Deinem Vater? War das dein Vater, der da drin stand?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, aber mein Vater ist der Eigentümer. Der Mann in dem Schießstand ist nur bei meinem Vater angestellt. Ist viel zerstört worden?«

      Ich nickte.

      »Das glaube ich wohl. Der Kerl hat einfach durch die Zeltwand hindurch auf die Gewinne eingeschlagen.«

      Das junge Mädchen wurde ganz blaß vor Zorn. Ich verstand das sehr gut.

      »So ein Flegel!« sagte sie. Ich hatte Angst, daß sie anfangen würde zu weinen.

      Da hörten wir jemanden schnellen Schrittes herankommen.

      Das Mädchen stellte sich in die offene Tür. Ich hörte eine Männerstimme:

      »Inge, wo ist dein Vater? Irgend jemand hat die ganzen Gewinne im Schießstand und in der großen Tombola vernichtet.«

      »Auch in der Tombola?« fragte Inge.

      »Ja, eben, vor ein paar Minuten. Zuerst im Schießstand und ein paar Minuten später in der Tombola. Im Schießstand ist viel verdorben worden, aber in der Tombola war es nicht so schlimm. Wo ist dein Vater?«

      »Das weiß ich nicht. Er ist vor fünf bis sechs Minuten fortgegangen. Ich nehme an, daß er zum Festplatz wollte. Ich selber gehe auch gleich hin, weil ich in wenigen Minuten auftreten muß.«

      Der Mann lief weiter. Inge kam wieder in den Wagen zurück.

      »Was gibt es doch für Rüpel«, sagte sie.

      Ich nickte.

      »Gehört die Tombola auch deinem Vater?«

      »Ja. Er hat eine ganze Reihe Zelte hier. Herrje, wird er zornig sein, wenn er das erfährt! Es ist wirklich ärgerlich. Vater hat vorher schon so viel Sorgen gehabt.«

      »Jedenfalls weißt du jetzt, daß wir es nicht getan haben. Denn das in der Tombola muß passiert sein, als die Polypen schon hinter uns herliefen.«

      Sie lächelte ganz schwach.

      »Das habe ich auch gar nicht angenommen«, sagte sie. Dann guckte sie auf ihre Uhr.

      »Wo trittst du auf?« fragte ich.

      »Drüben im ›Varieté‹. Das ist das größte Zelt von allen. Ich bin Jongleur. Ich werfe Teller in die Luft und fange sie wieder auf.«

      »Gehört das Zelt auch deinem Vater?«

      »Ja«, antwortete sie. »Jetzt muß ich aber fort.«

      »Ich werde auch wieder gehen«, erklärte ich. »Ich danke dir, daß du mir geholfen hast.«

      »Nein, geh doch nicht fort!«

      »Das werde ich wohl müssen«, sagte ich.

      »Nein, du kannst hierbleiben, bis ich zurückkomme. Wohin willst du denn auch gehen?«

      Ich zuckte mit den Schultern.

      »Zum Festplatz.«

      »Dann wirst du sofort geschnappt. Nein, du mußt hierbleiben, bis sie es aufgegeben haben, nach dir zu suchen.«

      »Ja, wenn nun aber jemand kommt, solange du fort bist? Dann sieht es doch sonderbar aus, wenn ich hier herumsitze. Und wenn dein Vater kommt?«

      »Dann brauchst du ihm nur alles so zu erzählen, wie es ist. Grüß ihn von mir und sag ihm, ich werde, sobald ich nur kann, zurückkommen.«

      Sie sah wieder auf ihre Uhr.

      »Ich laufe jetzt, aber in einer Viertelstunde bin ich schon wieder zurück. Ich bin bei der großen Schau nicht dabei. Ich werde mich sehr beeilen.«

      »Schön«, sagte ich, »nochmals vielen Dank.«

      Sie lief hinaus, und ich setzte mich an den Tisch und wartete darauf, daß sie zurückkäme.

      An der Wand hing eine Uhr. Mir kam es so vor, als tickte sie nur ganz langsam. Ich horchte auf das Ticken und sah zwischendurch einmal auf den Zeiger. Er bewegte sich kaum.

      Ich überlegte, wie es Erik und Brille wohl ergangen sein mochte. Höchstwahrscheinlich standen sie jetzt dort hinten bei der Schiffschaukel und warteten darauf, daß ich auch auftauchte. Vielleicht glaubten sie auch, daß ich festgenommen worden wäre.

      Ich habe nie gern gewartet. Vielleicht gibt es Menschen, die dafür geschaffen sind – ich bin es jedenfalls nicht. Ich stand auf und ging in dem Wohnwagen hin und her wie ein Löwe im Käfig. Vom Festplatz herüber konnte ich den Lärm hören. Am lautesten aber klang während der ganzen Zeit die Musik von der Tanzfläche. Ich hätte gern gewußt, ob Katja wohl noch immer mit John tanzte, aber ich hoffte, daß sie es nicht tat. Statt dessen wünschte ich mir, daß sie auf dem ganzen Festplatz

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