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      Rudolf G. Binding

      Sankt Georgs Stellvertreter: Legende

      Saga

      Sankt Georgs Stellvertreter: Legende

      German

      © 1942 Rudolf G. Binding

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711517765

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Es begab sich eines schönen Tages, daß der heilige Georg, welcher seit Jahrhunderten die Reiterei der himmlischen Heerscharen befehligte, bei Gott dem Herrn um Urlaub einkam. Dessen hatte sich der Herrgott freilich nicht versehen; denn wenn er es auch gewohnt war, daß sich einige Heilige minorum gentium, die sich nicht gerade in verantwortungsreichen Stellungen befanden, in ihrem Dienst solche Freiheiten erlaubten, denen er großmütig nachsah, so war doch von dem heiligen Georg während der ganzen langen Jahre, die er ihm in Treuen diente, niemals ein Urlaubsgesuch eingegangen. Er ließ ihn also zu sich rufen und beschied ihn, daß das doch ganz gegen die himmlische Ordnung sei, wenn er, der sich noch niemals seinen ritterlichen Heiligendiensten entzogen hätte, damit jetzt auch beginnen wollte wie andere, welche die Sache nicht so genau nähmen. Sankt Georg, welcher als Heiliger der Ritter und als Ritter unter den Heiligen das Haupt hoch und frei trug, so wie ihn Donatello in seinem Standbild an Or San Michele in Florenz dargestellt hat, sah seinem Gott ins Angesicht, und da er einen festen Stand bei ihm hatte, so war er auch um eine freimütige Antwort nicht verlegen, wie er es seiner Ritterwürde schuldig zu sein glaubte. Er sagte also zu Gott dem Herrn, er möge bedenken, daß seine Gerechtigkeit mit diesem Bescheid, den er ihm gegeben, zu dem nämlichen Ziel gelangt wäre wie die Vernunft der Obersten auf Erden, welche da ihre pflichteifrigsten Offiziere, wenn sie wirklich einmal um Urlaub einkämen, teils verwundert, teils entrüstet mit der Begründung abwiesen: „Ja, wie kommen Sie nur dazu? Das fehlte ja gerade noch!“ während sie anderen lustigeren Kameraden jede Dienstumgehung dieser Art als selbstverständlich nachließen. Zudem, so fuhr der heilige Georg fort, sei von einer leichtfertigen Beurlaubung seinerseits gar keine Rede; vielmehr betrachte er eine längere Abwesenheit von seinen Truppen, und zwar mindestens auf ein Jahr, für ganz unerläßlich, da er fühle, daß er seinen heiligen Aufgaben als Befehlshaber der Himmelsreiterei nicht mehr so voll gerecht werden könne; nicht als ob seine Kräfte nachließen, sondern es sei eine ganz bekannte Tatsache der Erfahrung, daß zu langes ununterbrochenes Befehlen an höchster Stelle nicht gut tue, die Leistungsfähigkeit der Befehligten wie des Befehlshabers darunter leide und eine unüberwindliche Stumpfheit auf beiden Seiten Platz greife, von welcher, wie Gott der Herr wohl wisse, nur er selbst als Herrscher des Himmels und der Erden frei sei. Er gedenke aus diesem Grunde sich in längerem Betrachten gänzlich anderer Verhältnisse im Kriegsdienst, der auf Erden ihm unbekannte Fortschritte gemacht haben müsse, neue belebende Gesichtspunkte zu erwerben, wie sie ihm für seine Stellung notwendig erschienen.

      Der Allmächtige konnte sich ebensowenig der Richtigkeit der letzten Bemerkungen wie der Einsicht entziehen, daß sein erster ablehnender Bescheid, wie Sankt Georg herausgefühlt hatte, nicht der himmlischen Gerechtigkeit entspräche, welche er übte. Er bedachte sich also. Mochte er auf der einen Seite seinem vornehmsten Heiligen gegen unanfechtbare Gründe nicht entgegentreten, so schien es ihm auf der anderen Seite ganz gegen alle Ordnung, daß die himmlische Reiterei solange ohne einen Führer sich selbst überlassen sein solle. Aber zur Übernahme der himmlischen Stellung des heiligen Georg war kein anderer Heiliger tauglich; das ergab sich ohne weitere Erwägung. Indem er ihm das vorstellte, gedachte ihn Gott von seinem Vorhaben abzubringen. Aber Sankt Georg blieb bei seinem Gesuch; so wie sie jetzt sei, habe die himmlische Reiterei überhaupt keinen Zweck mehr, führte er aus, also müsse er auf neue Erfahrungen für sie ausziehen, und wenn sie nicht für die Zeit seines Urlaubs ohne Befehlshaber belassen werden könne, was er übrigens einsehe, so solle man sie für diese Zeit abrüsten; vielleicht brauche man sie dann überhaupt nicht mehr zusammentreten zu lassen, wenn man den allgemeinen Abrüstungsbestrebungen, die auf Erden sich nur mühsam Boden verschafften, mit gutem Beispiel vorausgehen wolle. Aber davon wollte Gott, solange die Macht der Finsternis bestehe, nichts wissen. Wenn also, wie Georg zugäbe, seine Reiter nicht ein volles Jahr lang führerlos bleiben könnten, so sei der Herr zur Bewilligung seines Urlaubs nur dann in der Lage, wenn er ihm für die Zeit desselben einen geeigneten Stellvertreter bringe, dessen Bestätigung er sich vorbehalte.

      „Damit Ihr aber erkennet,“ fuhr Gott fort, „daß ich der Genehmigung Eures Wunsches, dessen Berechtigung ich anerkenne, geneigt bin, will ich selbst, sofern Ihr nur die geeignete Persönlichkeit ausfindig gemacht oder in Vorschlag gebracht habt, Euch beistehen, sie zu gewinnen.“

      „Und wie, mein Herr und Gott,“ fragte der heilige Georg, welcher sich mit seiner Nachfolgerschaft oder seiner Vertretung noch nie in Gedanken befaßt hatte, „müßte der beschaffen sein, welcher an meiner Statt dir dienen dürfte?“

      „Das ist bald gesagt,“ erwiderte der Herr; „ein Ritter müßte er sein wie Ihr, ohne Tadel und Furcht, und nicht als armer Sünder dürfte er in den Himmel eingegangen sein. — Aber er wird nicht so bald gefunden werden.“ Und mit diesen Worten entließ er ihn.

      Daran mußte sich der heilige Georg als an einem weisen, gerechten und gütigen Bescheid genügen lassen, und wenn er auch noch nicht wußte, wo er den Stellvertreter, den Gott verlangte, hernehmen sollte, so verzagte er doch insoweit keinen Augenblick, eingedenk dessen, daß er ihm seinen Beistand versprochen hatte, die geeignete Persönlichkeit zu gewinnen.

      Also hielt er Umschau nach seinesgleichen; zuerst unter den Heiligen, auf die er seine Hoffnung wohl setzen durfte, denn keiner von ihnen war als Sünder in den Himmel eingelassen worden. Aber so viele ihrer waren — und Sankt Georg sah bei dieser Gelegenheit einige, die er noch nie gesehen zu haben glaubte —, so war doch kein einziger Ritter unter ihnen. Da waren weiter die Erzengel, die wohl mit den Waffen umzugehen wußten; aber weder Gott noch er selbst hatte sie jemals als wirkliche Ritter gelten lassen, obgleich er mit ihnen wegen ihres ritterlichen Wesens auf gutem Fuße stand. Die anderen Engel kamen insoweit noch weniger in Frage, und die übrigen Himmelsbewohner waren allesamt arme Sünder. Als er diese Erfahrung gemacht hatte, beschied sich der heilige Georg, daß er vielleicht noch manchen Tag an seinem Platz würde ausharren müssen, ehe er seinen Urlaub antreten könnte. Denn es war wenig Aussicht vorhanden, daß durch die Himmelstür etwas anderes eingehen würde als arme Sünder und ab und zu ein neuer Heiliger, der aber dann sicher kein Ritter war. Nichtsdestoweniger begab er sich in den nächsten Tagen, so oft es seine Dienstobliegenheiten erlaubten, nach dem Himmelstor in der unbestimmten Hoffnung, daß er seinen Stellvertreter durch dasselbe eingehen sehn würde.

      Aber nichts dergleichen. Einen armen Sünder nach dem andern lieferte der Tod an der Pforte ab, und der heilige Petrus, welcher es wissen mußte, sagte seinem Mitheiligen auf die Beschreibung von der Persönlichkeit, die er suchte, so etwas gäbe es heutzutage nicht mehr. Aber das wollte der heilige Georg nicht glauben, daß auf Erden alle Ritter ohne Furcht und Tadel ausgestorben seien und es von diesen keiner zuwege bringen sollte, ohne zum Sünder geworden zu sein, von der Erde zu scheiden. „Mag schon solche Ritter geben, die keine Sünder sind,“ sagte der heilige Petrus; „aber wenn sie es nicht zu ihren Lebzeiten waren, so machen sie die Pfaffen noch in ihrem letzten Stündlein dazu, indem sie’s ihnen so lange einreden und ihnen so lange zusetzen, sich als arme Sünder zu bekennen, bis sie sich in ihrer Todesangst dazu verstehen; und dann kommen sie eben an das Himmelstor, demütig gesenkten Hauptes, wie die andern, und gehen als arme Sünder bei mir ein. Siehst du einen,“ fuhr der heilige Peter fort, indem er die endlose Straße hinab wies, die zur Erde führte, und auf der in Abständen viele, viele Pilger zum Himmel heranzogen, „siehst du einen, der erhobenen Hauptes daherkäme? Auf den könntest du deine Hoffnung setzen.“

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