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Blofeld nickte. »Er hat gesprochen. Er hat ganze Arien gesungen. Pavarotti hätte es nicht besser machen können. Er sang sogar sein eigenes Todesurteil. Offenbar befanden sich an Bord von Flug BA 12 einige Personen, die uns erwartet haben. Wir müssen noch herausfinden, ob jemand geredet hat oder ob mittlerweile alle Risikoflüge beschützt werden.

      Anfangs lief der Plan perfekt wie ein Uhrwerk. Die Frau hat großartige Arbeit geleistet, indem sie sich für diesen Flug einteilen ließ und die Rauchbomben und Waffen an Bord schmuggelte. Der Angriff fand pünktlich statt, auf die Sekunde genau, daran besteht kein Zweifel. De Luntz hatte allerdings eine Ausrede parat, warum er nicht daran teilnahm. Er behauptete, im hinteren Bereich des Flugzeugs festgesessen zu haben. Wie es scheint, befanden sich fünf Wachleute an Bord. De Luntz’ Beschreibung zufolge handelte es sich bei ihnen allen um Mitglieder des britischen Special Air Service.« Blofeld hielt inne und schaute jeden Mann der Reihe nach an. »Abgesehen von einem.«

      Die Männer rund um den Tisch warteten. Eine gewisse Erwartungshaltung lag in der Luft.

      »Die Neuorganisation dieser großartigen Gesellschaft, der wir alle angehören«, fuhr der Boss fort, »hat sehr lange gedauert. Wir befanden uns im Winterschlaf. Nun wird die Welt bald erkennen, dass wir erwacht sind. Wir werden uns besonders um einen alten Feind kümmern müssen, der meinem erlauchten Vorgänger ein ständiger Dorn im Auge war. Mr de Luntz – Gott hab ihn selig – identifizierte vier der Sicherheitsbegleiter in diesem Flugzeug als mögliche verdeckt arbeitende SAS-Männer. Außerdem identifizierte er eindeutig den fünften Mann – denjenigen, der, wie ich hinzufügen darf, den größten Schaden angerichtet hat. Ich habe de Luntz persönlich befragt. Meine Herren, unser alter Feind James Bond befand sich an Bord dieses Flugzeugs.«

      Die Gesichter rund um den Tisch verhärteten sich. Alle wandten sich Blofeld zu.

      Mascro war schließlich derjenige, der sprach: »Wollen Sie, dass ich einen Auftragsmörder auf ihn ansetze? Früher, als Ihr …«

      Der Boss unterbrach ihn: »Das wurde bereits versucht. Nein. Keine Auftragsmörder, keine Spezialisten, die nach London geschickt werden. Ich habe noch eine persönliche Rechnung mit Mr Bond offen. Meine Herren, ich habe eine Methode entwickelt, um mit ihm fertigzuwerden – wenn Sie so wollen, können Sie es als einen Köder bezeichnen. Wenn es funktioniert ‒ und ich wüsste keinen Grund, warum das nicht der Fall sein sollte ‒, werden wir schon bald das Vergnügen haben, Mr Bond auf dieser Seite des Atlantiks in unserer Gesellschaft begrüßen zu dürfen. Ich beabsichtige, genauso mit ihm zu verfahren, wie dieses Reptil mit dem eigensinnigen de Luntz verfahren ist.«

      Blofeld hielt inne und schaute sich am Tisch um, um sicherzustellen, dass sich alle auf das derzeitige Thema konzentrierten.

      »Schon bald«, fuhr Blofeld fort, »werden wir voll und ganz mit der Planung dessen beschäftigt sein, was wir zum aktuellen Zeitpunkt aus Sicherheitsgründen als HOUND bezeichnen.«

      Der Boss lachte. »Ironisch, nicht wahr? Eine nette Idee, von hound zu reden. Das Wort habe ich dem christlichen Gedicht ›The Hound of Heaven‹ entnommen.« Das Lachen hatte sich in ein Lächeln verwandelt. »Der Jagdhund des Himmels, oder eher die Jagdhunde des Himmels, nicht wahr? Jagdhunde … Wölfe. Das passt gut, da unser Ziel Amerikas große Bedrohung ist. Die Wölfe des Weltalls umrunden den Erdball bereits in Rudeln und warten darauf, sich auf ihre Opfer zu stürzen und sie zu zerreißen – und mittendrin Bond. Dieses Mal wird SPECTRE Mr James Bond vom Erdboden tilgen.«

      Alle Anwesenden murmelten zustimmend, bevor Blofeld einen Blick auf eine kleine goldene Armbanduhr warf und erneut das Wort ergriff. »Tatsächlich sollte mein Köder mittlerweile geschluckt worden sein. Bald, meine Herren, bald werden wir James Bond von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Und das Schöne daran ist, dass er nicht wissen wird, wem er hier begegnet oder was ihn eigentlich erwartet.«

      BETTGEDANKEN

      Liebevoll betrachtete James Bond Ann Reillys Gesicht, das auf dem Kissen neben ihm lag und im Schlaf ruhig und wunderschön aussah. Das glatte und glänzende blonde Haar war um ihr ovales Antlitz herum zerzaust. Für eine flüchtige Sekunde erinnerte sie Bond an Tracy – mit der er nur ein paar Stunden verheiratet gewesen war, bevor Ernst Stavro Blofeld sie auf der Autobahn von München nach Kufstein zu Beginn ihrer Flitterwochen so gnadenlos erschossen hatte.

      Ann Reilly – ein Mitglied von Bonds eigenem Service, Assistentin des Waffenmeisters und stellvertretende Leiterin der Q-Abteilung – war bei allen im großen Hauptquartiergebäude am Regent’s Park als Q’utie bekannt. Es war ein passender Spitzname für die elegante, hochgewachsene, sehr effiziente und emanzipierte junge Dame.

      Nach einem etwas holprigen Start waren Bond und Q’utie Freunde und, wie sie es gern bezeichnete, »gelegentliche Liebhaber« geworden. Dieser Abend war in zwei Abschnitte aufgeteilt gewesen. Zuerst die Pflicht – das Überprüfen und Abfeuern von Bonds neuer persönlicher Handfeuerwaffe, der Heckler & Koch VP70. M und der Waffenmeister hatten entschieden, dass nun alle Offiziere des Service diese Waffe tragen würden.

      Bond hatte Einspruch erhoben. Immerhin hatte er sich seine Handfeuerwaffe bisher für gewöhnlich selbst aussuchen dürfen und war mehr als verärgert gewesen, als man seine zuverlässige Walther PPK 1974 aus dem Dienst genommen hatte. Bei seiner letzten Mission war er ernsthaft dafür kritisiert worden, dass er eine alte, aber dennoch höchst effiziente Browning benutzt hatte. Auf seine eigene sture Weise hatte 007 für seine persönlichen Rechte gekämpft – ein Verhalten, das Q’utie sehr befürwortete. Schließlich war sie eine Verfechterin des Feminismus, was per Definition bedeutete, dass sie sich auch für gewisse männliche Rechte einsetzte. Doch Ms Wort war Gesetz, also hatte der Waffenmeister dafür gesorgt, dass seiner Entscheidung Folge geleistet wurde, und Bond hatte schließlich die VP70 erhalten.

      Obwohl die VP70 sehr viel größer als die Walther war, musste Bond zugeben, dass die Waffe kein Problem darstellte, wenn es darum ging, sie heimlich bei sich zu tragen. Sie fühlte sich mit ihrem längeren Griff und der gleichmäßigen Gewichtsverteilung gut an. Außerdem war sie sehr zielgenau und tödlich – 9 mm, mit einem Magazin für achtzehn Kugeln und der Fähigkeit, halbautomatische Dreifachschüsse abzugeben, wenn man sie mit dem leichteren Schaft ausstattete.

      Es bestand kein Zweifel daran, dass sie auch eine beträchtliche Mannstoppwirkung besaß. In den vergangenen Tagen hatte Bond zwischen den langen Sitzungen mit Ms Stabschef, seinem alten Freund Bill Tanner, in denen es um die Flugzeugentführungen und die Identität der Terroristen gegangen war, eine Menge Zeit damit verbracht, sich mit seiner neuen Pistole vertraut zu machen.

      Und auch an diesem Abend war 007 von siebzehn bis neunzehn Uhr dreißig auf dem unterirdischen Schießstand gewesen und hatte mit der Expertin Q’utie einige Übungen zum schnellen Ziehen und Feuern durchgeführt.

      Fast vom ersten Augenblick seiner Zusammenarbeit mit Q’utie an hatte Bond Respekt für ihre enorme Professionalität entwickelt. Sie kannte sich zweifellos mit ihrer Arbeit aus, angefangen bei der Waffentechnik bis hin zu den komplexen Geheimnissen der Elektronik. Dennoch war sie überaus weiblich.

      Als sie an diesem Abend auf dem Schießstand fertig gewesen waren, hatte Ann Reilly ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie bis zum nächsten Morgen zur Verfügung stand, sofern Bond nichts anderes vorhatte.

      Nach einem gemeinsamen Abendessen in einem kleinen italienischen Restaurant – das Campana in der Marylebone High Street – war das Paar zurück in Q’uties Wohnung gegangen, wo sie sich mit einer Wildheit geliebt hatten, als würde ihnen die Zeit davonlaufen.

      Die körperliche Anstrengung hatte selbst die agile Q’utie erschöpft. Sie schlief fast sofort nach ihrem letzten langen und zärtlichen Kuss ein. Bond hingegen blieb hellwach. Die angestaute Nervosität der vergangenen paar Tage und das, was Bill Tanner herausgefunden hatte, sorgten dafür, dass sein Geist stets wachsam war.

      Die BA-12-Terroristen

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