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einer schönen Statue.

      Angelika erschrak, als sie die Marquise sah.

      »Mama«, rief sie leise und hilflos und wagte nicht, sich zu nähern.

      Christina bewegte sich leicht. »Komm zu mir, Angelika«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie geborsten.

      Angelika trat ein paar Schritte näher.

      Christina faßte nach der Hand der Prinzessin.

      »Du weißt, weshalb ich dich zu mir bitten ließ, Angelika?«

      »Ich kann es mir denken, Mama. Michael hat mich gesehen und es dir berichtet. Aber…«

      »Ja«, sagte Christina tiefernst, »und ich bin sehr traurig, es erst jetzt und nicht aus deinem Mund erfahren zu haben.«

      Angelika atmete heimlich auf. War es nur das, was die geliebte Mama verletzt hatte? Aber sie mußte doch verstehen.

      »O Mama«, rief sie, »ich wollte es dir ja sagen, und ich hätte es auch bestimmt bald getan. Du mußt doch verstehen…«

      »Nein, Angelika, ich verstehe es nicht! Du bist nicht irgendein Mädchen aus dem Volk, das Heimlichkeiten in der Liebe haben darf. Du bist eine Prinzessin, und das erlegt dir Verpflichtungen auf.«

      »Das weiß ich ja, und ich kann dir versichern, Mama, daß ich. . .«

      »Du wirst diesen Mann niemals wiedersehen, Angelika«, wandte Christina ein, der es entsetzlich schwer fiel, so mit der Prinzessin zu sprechen. »Versprich mir das, Angelika!«

      Angelika zuckte zurück.

      »Aber das kann ich nicht, Mama!« rief sie fassungslos, und Tränen traten ihr in die Augen. »Ich liebe ihn doch.«

      »Gerade deshalb darfst du ihn niemals wiedersehen, wenn du nicht sehr unglücklich werden willst.«

      »Wie kann ich unglücklich werden, wenn ich ihn liebe? Du machst mich unglücklich, Mama, wenn du das von mir verlangst. Bedenke es doch, Mama, ich bitte dich! Ich war dir immer eine gehorsame Tochter, und ich möchte das auch bleiben, aber bestehe nicht darauf, bitte, daß ich ihn nicht wiedersehe. Ich kann das nicht, Mama, ich würde todunglücklich werden.«

      »Weißt du überhaupt, was du da sprichst, Angelika? Weißt du denn, was du tust? Der Mann, den du zu lieben glaubst, ist…«

      »Der Graf von Wertach, ich weiß«, unterbrach Angelika die Marquise. »Aber was macht das aus? Gerade du hast mich gelehrt, nicht dünkelhaft zu sein. Ist ein Graf jetzt nicht gut genug für mich? Mama, das kann dein Ernst nicht sein.«

      Christina war noch um einen Schein blasser geworden. So ahnte Angelika nicht einmal, mit wem sie es zu tun gehabt hatte. So war der König unehrenhaft gewesen und hatte der jungen, unerfahrenen Prinzessin gegenüber seine Identität verschwiegen. Und das konnte nur einen Grund haben.

      Christinas Herz erbebte in namenloser Angst und entsetzlicher Verzweiflung.

      »Angelika«, sagte sie, und sie nahm sich mit letzter Kraft zusammen, um ruhig sprechen zu können, »höre mir einmal zu. Habe ich jemals etwas getan oder von dir verlangt, was nicht gut für dich gewesen wäre, auch wenn es anfangs nicht immer so ausgesehen hat? Verdiene ich dein Vertrauen jetzt nicht mehr? Glaube mir, Angelika, ich will nichts weiter, als dich glücklich zu sehen. Mit diesem Mann aber kannst du nur unglücklich werden. Deshalb darfst du ihn nicht wiedersehen, solange es noch Zeit ist und die Narben in deinem Herzen noch zu heilen vermögen. Ich muß dir jetzt weh tun, Angelika, aber nur, um dir größeren Schmerz zu ersparen. Dieser Mann wird dich niemals zu seiner Frau machen.«

      »Das glaube ich nicht, Mama«, rief Angelika aus und warf trotzig und erbittert den Kopf in den Nacken. »Graf von Wertach ist ein Ehrenmann.«

      »Und woher weißt du das, Angelika?«

      »lch weiß es, weil ich ihn liebe. Ich fühle es. Niemals hat er etwas Unehrenhaftes getan, seit ich ihn kenne.«

      »Bist du ganz sicher, Angelika? Könnte er nicht ein ganz anderer sein als der Mann, der er dir gegenüber scheinen möchte?«

      »Das ist gemein, Mama, und deiner nicht würdig! Du wertest einen Mann herab, den du gar nicht kennst. Das hast du noch niemals getan, Mama, ich bitte dich, gönne mir doch meine Liebe.«

      »Aber Kind, ich gönne dir alles Glück der Welt. Gerade deshalb muß ich darauf bestehen, daß du diesen einen Mann niemals wiedersiehst. Niemals mehr, verstehst du?«

      »Nein, Mama, das verstehe ich nicht. Und darin kann ich dir auch nicht folgen. Vergib mir, Mama, aber meine Liebe ist stärker als mein Gehorsam und meine Dankbarkeit.«

      »So muß ich dich zwingen, Angelika?«

      Angelika erhob sich. Hoch aufgerichtet stand sie vor der Marquise. Die hellen Augen loderten, und das ganze Temperament dieses schönen Geschöpfes brach durch.

      »Du kannst mich nicht zwingen, Mama. Niemand kann meinem Herzen befehlen, auch du nicht. Die Liebe ist stärker. Ich habe es nie zuvor glauben wollen, aber es ist so. Ich werde niemals von meiner Liebe lassen.«

      »So werden wir abreisen, Angelika, wir kehren sofort nach Roussillon zurück. Das wird dich zur Vernunft bringen.«

      Was es Christina kostete, so zu reden, das wußte nur sie allein.

      Sie war einem Zusammenbruch nahe.

      Warum nur machte Angelika ihr alles so entsetzlich schwer? Warum hatte sie ihr Herz an diesen einen Mann verlieren müssen? Konnte das Schicksal denn so unbarmherzig sein? Hatte dieser Mann noch nicht genug Unheil und Leid gestiftet?

      Mußte er nun auch Angelika unglücklich machen?

      Sie hatte es geahnt, daß diese Reise nach Rothenstein ihnen Kummer und Ärger bringen würde. Ihre Ängste hatten sie nicht getrogen, nur hatte sie das Unglück nicht in dieser Form erwartet, die wohl die schlimmste für sie alle war.

      »Wir werden nicht abreisen«, sagte eine totenblasse, aber sehr entschlossene Angelika. »Das Testament von Großvater zwingt mich, bis zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag auf Rothenstein zu bleiben. Du kannst dich über diese Bedingung nicht einfach hinwegsetzen, ohne an mir schuldig zu werden, ohne mir mein Erbe gegen meinen Willen zu rauben. Ich will bleiben, Mama!«

      Unendlich traurig sah Christina die junge Prinzessin an.

      »Es gab eine Zeit«, sagte sie leise, »da verlangtest du, auf Roussillon bleiben zu dürfen, da batest du mich im voraus um Verzeihung dafür, daß du auf Rothenstein verzichten wolltest.«

      »Ich weiß, Mama, und es tut mir entsetzlich leid. Aber ich kann nicht fort von hier, solange ich Graf von Wertach liebe. Und ich werde niemals aufhören, ihn zu lieben. Niemals!«

      »Angelika«, bat Christina hilflos und mit Tränen in den Augen. »Angelika, du wirst in dein Unglück rennen.«

      »Und wenn ich unglücklich werden muß, Mama, ich kann es nicht ändern. Das Herz hat seine eigenen Gesetze. Es kümmert sich nicht darum, ob der Liebe das Leid auf dem Fuß folgt. Ich will es auf mich nehmen, wenn ich nur jetzt in seiner Nähe bleiben kann.«

      »So muß ich einen anderen, bitteren Weg gehen, Angelika, du zwingst mich dazu. «

      »Mama«, rief Angelika mit heller Stimme, in der all ihre Entschlossenheit mitschwang. »Mama, überlege dir, was du tun willst! Es könnte sein, daß ich lerne, dich zu hassen.«

      Christina erhob sich mit Anstrengung. Sie sah entsetzlich aus. Das Leid und die Verzweiflung brannten in ihren schönen Augen. Sie wankte ein wenig, aber Angelika kam ihr nicht zu Hilfe. Aufgerichtet und mit blitzenden Augen stand die Prinzessin vor der Marquise.

      »Auch um diesen Preis werde ich dein Unglück zu verhindern wissen«, sagte Christina und ging wankend hinaus.

      Angelika stand allein mitten in diesem eleganten Salon und hielt beide Hände zu Fäusten geballt.

      »Ich werde um mein Glück zu kämpfen wissen, Mama«, sagte sie laut in die

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