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      Walter Laufenberg

      Hitlers Double. Tatsachenroman

      Saga

      Hitlers Double. TatsachenromanCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2000, 2020 Walter Laufenberg und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726482355

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Soweit es sich in diesem Tatsachenroman um Schauplätze, Geschehnisse und Personen handelt, die aus den Geschichtsbüchern bekannt sind, hat der sich streng an die Gegebenheiten gehalten. Im übrigen wären irgendwelche Ubereinstimmungen mit Namen und Handlungen lebender oder verstorbener Personen rein zufällig.

      Gewidmet dem Andenken meines Großvaters, Jakob Laufenberg, einem der ersten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

      1

      Ob es schwierig war, zum Fernsehen zu kommen? Für mich nicht. Ich hatte Pineladder angeschrieben, den Abteilungsleiter der täglichen aktuellen Sendung von Kelowna TV, und ihm mitgeteilt, daß ich seine Sendung gut finde und mich selbst auch. Und daß ich deshalb bei ihm mitmachen will. Und habe fünf Wochen lang nichts von ihm gehört. Dann war meine Geduld zuende. Das war - Moment mal - Ende Juli. Es war lähmendheiß. Jeden Tag beinahe hundert Grad Fahrenheit. Und jetzt ist fast Herbstanfang. Tatsächlich, erst in diesem Jahr war das, in diesem sonnenverbrannten 1966. Soll ein guter Weinjahrgang werden. Aber nicht nur deshalb werde ich dieses Jahr nie mehr vergessen können.

      Also: Ich habe den Fernsehmann angerufen und gefragt, was er von meiner Bewerbung hält. Da kam erst nur heiße Luft, doch dann erinnerte er sich. Er hat ihn gesehen, meinen Brief, der anschließend aber irgendwie untergegangen ist. Weshalb er mir leider nicht schreiben konnte, daß er zur Zeit ... Ehe er noch den Satz zuendebringen konnte, habe ich gesagt: „Meine Münzen sind alle. Ich bin morgen gegen Mittag bei Ihnen im Büro. Dann können Sie mir alles Weitere mündlich mitteilen.“ Das muß ihm gefallen haben. Er sagte einfach „Okay“ und „Bis morgen“ und legte auf. Mir war klar, daß er ein schlechtes Gewissen hatte wegen der Schlamperei in seinem Laden. Sehr gut. So habe ich das am liebsten, wenn ich was von einem will.

      Und nun sitze ich hier im Schneideraum und versuche, aus dem Mann, der da erschossen im Wald lag, einen Film zu machen. Der unbekannte Tote mit dem kleinen, feinen Loch im Hinterkopf unter den hohen Ponderosakiefern. Ein Fremdkörper im üppigen Salbeigesträuch rundum, das er rot eingefärbt hatte - er lag wohl schon einige Stunden da. Die drei von der Mordkommission, so lustlos eifrig, und der Zinksarg am Straßenrand. Über allem der blaue Endloshimmel mit den weißen Kunstpostkartenwölkchen. Ein wunderlich friedliches Bild, ein Werbefilm, wenn da nicht die Leiche wäre. Neben Maggy Fry sitze ich und ertappe mich immer wieder dabei, daß ich auf ihre Hände schaue statt auf den Monitor. Maggy hat von unseren Cutterinnen die schönsten Hände. Wenn nicht die schönsten der Welt. Langfingrig und zartgliedrig und so beweglich. Als ob ihre Finger ein Glied mehr hätten. Und jede Bewegung ist so elegant wie aus Harper’s Magazin abgeschaut. Dabei diese sexy Fingerkuppen, die wie elektrische Kontakte sind. Man weiß, was die Berührung bringt, und hält sich vorsichtig zurück. Nicht nur wegen der leuchtend roten Warnfarbe auf den spitzgefeilten Fingernägeln.

      Ich bin noch zu neu bei Kelowna TV. Noch kann ich mir keine Eskapaden leisten. Und sie ist eine - sagt man da alte Häsin? Sie weiß auch ohne meine Anweisungen, wie sie das etwas überhastet gedrehte Filmaterial sinnvoll zusammenschneidet. Aber ein paar Anweisungen muß ich ihr geben, schließlich bin ich der Reporter. Nein, so nicht. Geht doch nicht, daß sie immer wieder eine andere Einstellung nimmt als ich ihr sage. Na, wird schon seine Richtigkeit haben. Man kommt ja auch kaum mit bei diesem derwischartigen Fingertanz über die aufgeschreckt vor und zurück fahrenden Filmrollen, über die Klebepresse, gepackt, geklackt und weggeschoben und schon wieder in der Hand. Schwindelerregend. Und dazwischen immer wieder mit dem vollen weißen Arm hinauf zu den Klammern am Galgen neben ihr, wo sie Filmtakes aufhängt und abnimmt, hin und her, endlos her und hin, als könnte sie sich nicht entscheiden, welches Kleid sie aus dem Kleiderschrank holen soll. Mit diesem erregend weißfleischigen Arm. In der lüstern lockenden Schummerbeleuchtung.

      „Fertig, Mister Harrison.“

      „Aber sagen Sie doch nicht immer Mister Harrison zu mir, Maggy. Ich heiße William.“

      „Trotzdem fertig.“

      „Danke, Maggy. Wie Sie das wieder gemacht haben. Toll.“

      „Gern geschehen. Aber wer ist denn nun der Tote, und warum hat man ihn umgelegt?“

      „Tja, das sind zwei gute Fragen. Und auf die fehlen mir bisher exakt drei Antworten.“

      Der Film läuft noch am selben Abend über den Bildschirm. Selbstverständlich. Aktuelles Fernsehen kann nicht darauf warten, daß sich Antworten zu offenen Fragen finden lassen. Schon am nächsten Abend wäre unsere schöne Leiche kalter Kaffee. Dann hätten die Zeitungen sie längst verhackstückt.

      Pineladder mit großem Doggengesicht, die Ärmel aufgekrempelt, hinter seinem wuchtigen Schreibtisch, sein Jackett hing am Fensterhaken. Bei meinem ersten mühsam ungehemmten Eintreten in sein Büro. Ich beim Big Boss. Das wabbelige Doggengesicht, genau so stellt man sich die Männer an den Hebeln der Macht vor. Hinterm Schreibtisch, dem vorgelagerten Befestigungswerk. Und dann entschuldigte der Boss sich dreimal für den verlorengegangenen Brief, kaum daß ich vor ihm stand. Ich gratulierte mir dreimal dazu. Ein optimaler Einstieg. Der Boss ließ sich sogar geduldig erzählen, wer ich bin und was ich zu bieten habe. Ich habe es kurz gemacht: Dreißig Jahre, Hobbyfotograf und Hobbyfilmer, Hochschulabschluß und viele Jobs, nur keinen festen, aber schon drei Kurzgeschichten in literarischen Zeitschriften veröffentlicht.

      „Was haben Sie studiert?“

      „Geschichte.“

      „Natürlich die beste Vorbereitung für eine Tätigkeit beim aktuellen Fernsehen“, bemerkte er trocken. Darauf wußte ich nicht gleich was zu sagen.

      „Alles sehr gut, sehr gut“, suchte er das Gespräch zu beenden, „aber ich habe leider keine Stelle frei.“

      „Irrtum. Ich brauche keine Stelle. Meine Eltern haben eine gutgehende Farm, auf der ich wohne. Nebenher verdiene ich einiges Geld als Kinderfotograf und auf Tanzveranstaltungen. Und ich habe Geld von meiner Großmutter. Aber ich will Neues kennenlernen. Ich will dabeisein, wenn Fernsehen gemacht wird, nur dabeisein, versteh’n Sie. Um zu lernen, wie es geht.“ Jetzt nur nicht noch einmal sprachlos sein, überlegte ich. Sonst habe ich verloren. Okay, es stimmt ja, daß ich hier wie ein typischer Hinterwäldler aufgewachsen bin. Aber so doof wie die bin ich nicht. Wie oft habe ich das schon zu hören gekriegt: „Ganz schön clever.“

      „Aber es gibt bei uns auch keine freie Volontärstelle,“ Pineladder, sich zurücklehnend, in dem Gefühl, mich nun endlich los zu sein. Das Fernsehvolk wartet auf ihn.

      „Volontärstelle? Brauch’ ich nicht. Ich bin nur so dabei. Ich helfe Ihren Leuten das Stativ und die Silberkoffer tragen. Kostenlos.“

      „Ja, wenn das so ist, Mister Harrison, wenn Sie keine Stelle wollen und auch kein Geld, dann kann ich ja schlecht nein sagen.“

      „Also kann ich kommen?“

      „Meinetwegen.“

      „Wann?“

      „Wann Sie wollen. Am nächsten Ersten oder ...“

      „Oder morgen?“

      „Oder morgen.“

      „Also bis morgen.“

      „Bis morgen.“

      Das war ein Tag. Ende Juli wie gesagt. Die schönste Sonne über dem Okanagansee. Und aufkommender Wind. Schon früh dieser

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