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Tisch gestellt hatte, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. »Sind Sie Polizist?«, fragte er Radek scharf und unvermittelt.

      »Ja.«

      »Warum haben Sie nicht schon am Wochenende gesagt, dass Sie bei der Polizei sind?« Falks Haltung wurde mit einem Schlag feindselig.

      Radek hatte keine Ahnung, warum es beim Wirt zu dieser Ablehnung kam und wie er darauf reagieren sollte. »Hätte das etwas geändert?«, stellte er eine vorsichtige Gegenfrage.

      »Na klar.«

      »Hätte ich dann kein Zimmer bekommen?«

      »Nein, das nicht.«

      »Was dann?« Radek spürte eine wachsende Gereiztheit in sich aufsteigen.

      »Wir hätten uns von Ihnen nicht bespitzeln lassen!« Falk wurde zornig.

      »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie bespitzeln wollte?«

      »Warum nehmen Sie sich sonst übers ganze Wochenende ein Zimmer hier, obwohl Sie Polizist sind?«

      Radek verstand den Sinn der Frage nicht, trotzdem antwortete er: »Weil ich aus Sankt Pölten bin und mich zwei Tage erholen wollte.« Er sah keinen Grund, den Wirt anzulügen.

      Der musterte ihn argwöhnisch, als könnte er dadurch feststellen, ob sein Gast die Wahrheit sagte oder nicht. Dann entschied er sich für eine versöhnlichere Tonart. »Wir mögen eine solche Geheimnistuerei gar nicht«, erklärte er und damit schien für ihn die Sache erledigt zu sein. Er nahm ihre Bestellung entgegen und verzog sich in die Küche.

      Während des Essens sprachen Radek und Steiger zunächst über belanglose Dinge. Steiger erzählte vom Polizeidienst in Gresten, von ihrem Mann und ihren Kindern.

      Radek hatte keine Frau und keine Kinder, von denen er stolz berichten konnte. Er hatte nicht einmal einen Job, der ihm so viel Spaß machte, um darüber zu reden. Das Einzige, das ihm für ein zwangloses Plaudern brauchbar erschien, war sein geplantes Studium, aber selbst das kam ihm großkotzig vor. So schwätzte er über Sankt Pölten, dessen Sehenswürdigkeiten und verschiedene Lokale, die ihm besuchenswert erschienen. Unverbindlicher Small Talk eben. Wenn Radek sich mit Steiger verglich, ihrem geregelten Leben in ordentlichen Bahnen, fühlte er sich wie ein Außerirdischer, der hier in der Idylle der Provinz nichts verloren hatte.

      Trotzdem kamen sie dann auf das LKA, klar, das interessierte Steiger mehr als die Organisation der Studieneingangsphase für Geschichte. Als er erklärte, was er dort machte, wurde sie hellhörig und fragte nach, weshalb das LKA ihn geschickt habe und nicht einen anderen Kriminalbeamten, einen, der schon zuvor in diesem Fall ermittelt hatte. Einen Moment lang glaubte Radek, sie hätte »einen versierten Kriminalbeamten« sagen wollen, aber vielleicht bildete er sich das nur ein. Jedenfalls hatte er keine Lust, ihr etwas zu verheimlichen, und sagte ganz offen, dass er glaubte, nur deshalb geschickt worden zu sein, weil niemand anderer diesen Fall übernehmen wollte. Steiger lachte und kommentierte es mit: »Der mit der geringsten Widerstandskraft kriegt immer die beschissensten Jobs.«

      Nachdem Falk, der nun etwas zuvorkommender wirkte, die leeren Teller abgeräumt und den bestellten Kaffee serviert hatte, brachte Radek das Gespräch auf den Grund ihres Hierseins. »Was hältst du von dem Friseur? Der macht einen ziemlich durchgeknallten Eindruck.«

      »Ja, ein unangenehmer Zeitgenosse«, antwortete Steiger.

      »Ich dachte, solche Typen gibt’s nur in der Stadt.«

      »Offensichtlich nicht.«

      »Was weißt du über Schandau?« Radek wollte versuchen, sich ein genaueres Bild über das Dorf zu verschaffen.

      »Im Grunde nicht viel. Ein ruhiges Nest, ich kann mich an keine bemerkenswerte Amtshandlung erinnern. Hier leben nicht viele Leute, 600, glaube ich. Also eine sehr überschaubare Gemeinschaft. Die Leute kennen sich und haben gelernt, miteinander auszukommen. Klar gibt es wahrscheinlich Rivalitäten und Neidgeschichten, aber die werden so ausgetragen wie auf dem Land eben üblich: Hinten herum wird böse getratscht und nach vorne wird gelächelt. Das kennst du ja.«

      Radek dachte an seinen Wohnort Senftenberg im Waldviertel, eine 1.500-Seelen-Gemeinde, und nickte. Ja, das kannte er.

      »Wenn du in Richtung Hollenstein weiterfährst, gibt es ein großes Sägewerk und einen Holzbaubetrieb, also eine Zimmerei und eine Tischlerei. Da habe ich vor ein paar Monaten einen Einbruch bearbeitet. Die Betriebe gehören Lenkstein. Das ist der Besitzer der Burg, ein verkappter Aristokrat mit einem Gehabe, als gebe es heute noch die Leibeigenschaft. Ich glaube, die Betriebe sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Gemeinde, sonst gibt es in der Gegend nicht viele Arbeitsmöglichkeiten.«

      »Aber die Infrastruktur ist gut.« Radek zeigte aus dem Fenster. »Mir scheint, dass es hier alles gibt, was man zum Leben braucht.«

      Steiger blickte ihn skeptisch an. »Wenn man keine allzu großen Ansprüche stellt. Aber ja, die Nahversorgung scheint ganz gut zu funktionieren.«

      Radek fiel noch etwas anderes ein. »Hat es mal mit dem Pfarrer Probleme gegeben?«

      »Was meinst du damit?«

      »Mir ist am Sonntag aufgefallen, dass kaum Leute in der Kirche waren. Das erscheint mir ungewöhnlich, und ich frage mich, ob der Pfarrer absichtlich gemieden wird, und wenn dem so wäre, warum?«

      Sie zuckte mit den Schultern. »Nein, ich hab noch nie etwas Negatives über den Pfarrer gehört. Der übliche Mitgliederschwund bei der Kirche wahrscheinlich.«

      Möglicherweise, dachte Radek. Aber eigentlich glaubte er das nicht. Ja, die Jungen blieben aus, das war plausibel, doch dass auch die Alten nicht mehr in die Kirche gingen, erschien ihm zumindest wert, hinterfragt zu werden.

      »Was machen wir jetzt?«, wollte Steiger unternehmungslustig wissen.

      Radek dachte einen Moment lang nach. »Wir befragen den Wirt. Die Lindner war zuletzt hier, bevor sie verschwunden ist. Möglicherweise ist dem Falk etwas aufgefallen.«

      »Das wollte ich auch schon machen«, gestand Steiger, »hab’s dann aber bleiben lassen, weil ich auf dich warten wollte.«

      Sie winkten dem Wirt und verlangten die Rechnung. Nachdem er ihre Zeche kassiert hatte, sagte Radek: »Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«

      »Welche Fragen?« Der Wirt wurde wieder argwöhnisch.

      »Zu Bernadette Lindner, sie war ja an dem Freitag, als sie verschwunden ist, hier bei Ihnen im Lokal.«

      »Wer sagt das?«

      »Das haben uns die Eltern erzählt«, erklärte Steiger. »Die haben noch am frühen Abend mit ihr telefoniert. Und da sagte Bernadette, sie sei hier im Gasthaus.«

      Falk überlegte kurz, aber es machte auf Radek nicht den Eindruck, als müsse er sich erst den Abend in Erinnerung rufen, sondern als wäge er ab, was er den Polizisten erzählen durfte und was nicht.

      »Ja, sie war hier und ist da drüben gesessen.« Er deutete auf einen der leeren Tische im hinteren Bereich der Gaststube.

      »Alleine?«, fragte Radek nach.

      »Nein, mit der Schächter.«

      »Wer ist das?«

      »Veronika Schächter, eine Freundin von der Lindner, aber ein paar Jahre älter.«

      »Und die beiden waren die ganze Zeit über beisammen?«, wollte Radek wissen.

      »Ja, bis Mitternacht ungefähr, dann ist die Lindner gegangen. Die Schächter ist noch ein bisschen geblieben, weil einer der Burschen an der Bar sie auf ein Glas Wein eingeladen hat. Die Lindner hat gesagt, dass sie morgen früh raus und arbeiten müsse, und ist abgehauen. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.«

      »Was, glauben Sie, ist passiert?« Steiger war daran interessiert, was die Gerüchteküche zu bieten hatte. Der Wirt hatte sich aus dem Querschnitt der Gästemeinungen sicherlich sein eigenes Bild gemacht.

      Aber Falk reagierte ablehnend. »Woher

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