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Tor schwenkte nach oben.

      Die Männer blickten auf einen vornehm glänzenden, schwarzen Zweisitzer-Mercedes.

      Der Kommissar hatte sich zwischenzeitlich Einmalhandschuhe angezogen und trat als Einziger ein. Er öffnete Kofferraum und Fahrertür, erblickte eine Reisetasche, Skischuhe, Rucksack und Carving-Ski. Gleichzeitig bemerkte er aber auch noch eine seltsam verwischte Schmutzstelle seitlich an der Fahrertür des ansonsten makellos sauberen Wagens.

      »In die Wohnung?«, schaute Paul Wellmann fragend.

      Lindt nickte, wies einen Streifenbeamten an, Garage und Auto abzusperren und wollte gerade den Schlosser bitten, mitzukommen.

      »Halt, ich muss noch mal …«, drehte er sich um und ging zu dem schwarzen Sportwagen zurück. Er öffnete die Fahrertür und griff rechts neben die Lenksäule.

      »Ich glaube, wir brauchen Sie doch nicht mehr«, wandte sich der Kommissar an den Handwerker und zeigte einen kleinen Schlüsselbund, den er aus dem Zündschloss des Sportwagens abgezogen hatte. »Da ist bestimmt auch der Wohnungsschlüssel dran.«

      Schon der erste Schlüssel, den er in seiner Hand hielt, passte in das Zylinderschloss der Haustür.

      Sie stiegen vier Treppen hoch, dann wies Bauunternehmer Langenbach auf die linke von zwei Türen am obersten Absatz. ›Konrad Fink‹ stand in schwarzer Schrift, säuberlich in ein Edelstahlschild geätzt, neben dem Klingelknopf.

      Lindt wählte einen anderen Schlüssel und hatte wieder Glück. Zwei Mal umgedreht und die Wohnungstür öffnete sich.

      Der Streifenpolizist und Paul Wellmann entsicherten ihre Neun-Millimeter-Pistolen, stießen die Tür vollends auf und drangen, sich gegenseitig sichernd, in die Wohnung ein.

      »Sie bleiben bitte draußen«, drehte sich Lindt zu Langenbach in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ und folgte seinen Kollegen.

      »Niemand hier«, meldete der Uniformierte. Auch Wellmann sicherte seine Pistole, steckte sie wieder in das eng anliegende Gürtelholster und bestätigte: »Alles leer.«

      »Sagen Sie bitte der Spurensicherung Bescheid«, beauftragte Oskar Lindt den Polizisten, warf seinem Kollegen ein Paar Latexhandschuhe zu und begann, sich umzusehen.

      Erstaunlich wenige Einrichtungsgegenstände verteilten sich über die weitläufige Fläche des Wohnzimmers. Ein Zweiersofa und zwei einzelne Sessel in streng rechteckiger Formgebung, bezogen mit schwarzem, glattem Leder, davor ein freistehender, großformatiger, offensichtlich teurer Fernseher, neuestes Modell mit Plasmatechnik und Edelstahlgehäuse.

      Passend dazu auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes ein Schreibtisch mit Edelstahlgestell und einer Platte aus weiß mattiertem Glas, kombiniert mit einem Bürosessel, natürlich aus Edelstahl und schwarzem Leder.

      »Fühlst du es auch, Paul?«, schaute Lindt seinen Kollegen an. Der nickte: »Kalt, sehr kalt hier drin!«

      »Genau – alles in denselben Farben gehalten. Weiß, schwarz, silbergrau. Eigentlich sind das ja gar keine Farben.«

      Wellmann bestätigte: »Das Ganze passt ganz genau zusammen, fast wie in einer Ausstellung. Aber kein einziger warmer Ton im Raum.«

      Die Wände und die Dachschräge waren hoch bis in den First mit feinem, weißem Streichputz versehen, das Grau der Bodenfliesen passte zum Metallton des Edelstahls und auch der Computer auf dem Schreibtisch war samt Monitor und Drucker im selben Silberglanz gehalten.

      »Eigentlich hätte er die Bücher da hinten im Regal noch in passendes Papier einschlagen müssen.« Lindt drehte sich zur Rückwand. Dicke Regalbauteile, selbstverständlich in strahlendem Weiß, waren passgenau eingebaut und tatsächlich milderten nur die verschiedenfarbigen Bücherrücken die Kälte des Raumes. Mehrere Reihen von Aktenordnern, natürlich in glänzend schwarzem Kunststoff und sauber gedruckter Rückenbeschriftung, füllten die untersten Etagen der Regalwand aus.

      Die Kommissare nahmen sich noch Küche, Bad und Schlafzimmer vor und fanden überall dieselbe Farb- und Formgebung.

      »Möchtest du hier wohnen, Paul?«

      »Schön ruhig scheint es ja zu sein und die Aussicht ist auch nicht schlecht.« Wellmann zeigte durch die großen Glasfenster der Giebelwand nach draußen. »Da drüben der kleine Bach und dahinter der Wald.«

      »Wenn die Bäume dort in zwei Monaten grün werden, stört das die Farbkomposition in der Wohnung aber gewaltig.« Lindt schüttelte sich schaudernd. »Ich finde es hier drin richtig ungemütlich.«

      »Wenn Conny wenigstens eine Holzdecke hätte einbauen lassen. Das habe ich ihm so oft gesagt«, mischte sich Langenbach in die Unterhaltung der Kommissare.

      »Ach, wir hatten Sie ja ganz vergessen vor der Tür«, entschuldigte sich Lindt schnell. »Sie kennen sich aus hier?«

      »Das wäre zuviel gesagt, aber ein paar Mal im Jahr habe ich ihn schon besucht in seiner Designerwohnung. Klare Formen und klare Farben, das ist so ein Tick von ihm. Im Büro übrigens auch … kein Schriftstück zuviel auf dem Schreibtisch. Telefon, Computer, Bleistifte, Füller … alles hat seinen genau festgelegten Platz.«

      »Scheint ein sehr penibler Mitarbeiter zu sein. Sind Sie mit ihm zufrieden?«

      »Mein Bester! Denken Sie, ich hätte ihn sonst zum Prokuristen gemacht? Der findet jeden noch so kleinen Fehler in den Abrechnungen und auch, was juristische Fragen anbelangt ist er fit wie kein anderer. Hat meinem Betrieb schon viel Geld eingebracht.«

      »Dann ist er wohl weniger auf dem bautechnischen Gebiet tätig, eher als Buchhalter?«

      »In der Buchhaltung hat ihn mein Vater vor zwanzig Jahren eingestellt, aber mittlerweile ist er unser kaufmännischer Direktor. Auf Conny ist wirklich hundert Prozent Verlass.«

      Lindt schluckte: »Oder es war Verlass auf ihn. Die ganzen Indizien mit dem fertig gepackten Wagen in der Garage … ich habe gar kein gutes Gefühl.«

      Man konnte dem Bauunternehmer ansehen, dass er ähnliche Befürchtungen hatte. Mit sorgenvoller Miene schaute er sich in dem fast steril wirkenden Raum um: »Allerdings scheint hier nichts durchsucht worden zu sein. So hat es schon immer ausgesehen, so lange ich mich zurückerinnern kann.«

      Der Kommissar schwieg und begann, bedächtig in der Wohnung umherzugehen. Vorsichtig setzte er einen Schritt vor den anderen, als wenn er aufpassen wollte, die wie geleckt wirkenden Räume bloß nicht schmutzig zu machen.

      Aus allen möglichen Perspektiven ließ er die Atmosphäre auf sich wirken. In der schmalen Küche nahm er auf einem Barhocker an dem thekenartigen Essbereich Platz und betrachtete die hochpreisigen Küchengeräte, die aber nur wenig benutzt zu sein schienen. Eine Ceranplatte mit Induktionskochfeldern, Edelstahl-Designer-Esse als Dunstabzug, Schweizer Nobelfabrikat eines Kaffeeautomaten und … Lindts Herz schlug schneller … sogar einen Einbauherd als Kombination von Backofen und Dampfgarer!

      Ein derartiges Gerät hatte er sich zusammen mit Carla erst vor wenigen Wochen in einer Küchenausstellung angesehen. Ein Traum für jeden Hobbykoch! Die Worte des Verkäufers klangen Lindt noch im Ohr: ›unvergleichliches Geschmackserlebnis‹ – ›vitaminschonend zubereitete Gemüsegerichte‹ – ›alle Inhaltsstoffe bleiben erhalten‹ – ›die Profis garen nur mit Dampf‹ – aber knapp sechstausend Euro auf dem verschämt seitlich angeklebten Preisschild ließen die Wünsche wie eine Seifenblase zerplatzen.

      Auf Gäste schien weder Finks Küche noch die restliche Wohnungseinrichtung zugeschnitten zu sein. An der Theke gab es nur drei Sitzplätze und ein großer Esstisch fehlte vollständig.

      Das Schlafzimmer verstärkte diesen Eindruck noch. Lindt schätzte die Breite des Bettes, mit silbergrauer Seide bezogen, auf maximal einen Meter zwanzig – viel zu schmal, als dass dauerhaft zwei Personen hätten darin schlafen können. Allerdings musste er sich von Carla zu Hause auch immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, er würde sich im Bett sehr breit machen.

      In Gedanken versunken holte er die kurze, gerade Pfeife aus seiner Jackentasche und begann sie zu

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