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pflegen.

      Friedrich hatte vor einem halben Jahr Serafine geheiratet, die Tochter von Pauline und Karl Rattai, die im zwei Kilometer entffernten Solomiak wohnten. Mit ihrem blonden Haar bildete sie einen schönen Kontrast zu Friedrich, der, wie all seine Geschwister, volles dunkles Haar hatte und einen dunklen Teint. Serafine konnte wunderbar singen, war die Hilfsbereitschaft in Person und verstand sich nicht nur mit ihren Eltern und Geschwistern, sondern auch mit denen ihres Mannes. Friedrich hatte das Gefühl, das große Los gezogen zu haben. Serafines Vorfahren mütterlicherseits kamen ursprünglich aus Mecklenburg, hatten dann ab 1760 in Posen gelebt und kamen etwa 1860 nach Wolhynien, um hier ihr Glück zu versuchen, nachdem es für Deutsche unter der polnischen Mehrheit immer schwieriger wurde. Die Familie ihres Vaters war einst sorbisch, kam vor langer Zeit nach Posen und schließlich ebenfalls nach Wolhynien.

      Friedrich hatte die Gelegenheit genutzt, Haus und Hof einer Familie zu übernehmen, die nach Königsberg gezogen war. Er hatte sich etwas Geld erspart, und sowohl seine Eltern als auch die von Serafine hatten alles zusammengelegt, um dem jungen Paar den Erwerb von Haus und Grund zu ermöglichen. Die Bank in Kostopol hatte

      Anweisung von oben, keine Darlehen mehr an Deutsche zu geben, selbst wenn sie einen russischen Pass hatten. Aber man konnte natürlich keinem russischen Bürger verbieten, ein Haus zu kaufen, wenn er es bar bezahlen konnte. Friedrichs Eltern Christine und Karl wohnten nur ein paar Häuser weiter, und Gottlieb könnte dann später einmal deren Hof übernehmen. Die beiden Mädchen Katlika und Martha würde man sicher gut verheiraten können, so fleißig und geschickt wie sie sich anstellten. Sie waren zwar klein und dünn, hatten aber von der Mutter alles gelernt, was eine gute Hausfrau auf dem Bauenhof ausmacht. Außerdem waren sie schon jetzt hübscher als es den Eltern lieb war. Ständig musste man aufpassen, dass sie die jungen Männer nicht zu nah an sich ranließen.

      »Ich fahr dann mal rüber nach Solomiak«, sagte Serafine, die gerade aus der Sommerküche kam, einem kleinen separaten Gebäude, das in der heißen Jahreszeit zum Kochen genutzt wurde.

      »Ach ja, heute ist ja Donnerstag, der Salomon wartet auf die Butter«, entgegnete Friedrich.

      »Und außerdem fahre ich noch bei den Eltern vorbei und bringe Brot mit. Mutter hat gestern gebacken.«

      »Soll ich dir das Pferd einspannen?«, fragte Friedrich.

      »Das kann ich schon selbst. Ich bin schließlich ein großes Mädchen«, antwortete Serafine lächelnd.

      Lieber Gott, lass mich schwanger sein, sagte Serafine halb zu sich und halb zu Gott, als sie ihren Einspanner gemächlich über die staubige Straße nach Solomiak führte. Bis jetzt war ihr Leben in ruhigen Bahnen verlaufen. Ihre Leidenschaften waren Singen und Lesen. Und als vor zwei Jahren ein junger Mann anfing, ständig nach Solomiak zu kommen und um sie herumstreunte wie die Katze um den heißen Brei, entdeckte sie eine dritte Leidenschaft: Friedrich. Sie trafen sich heimlich oder spielten den anderen vor, dass sie sich ganz zufällig begegnet wären. Natürlich merkten ihre Eltern, was hier lief. Aber warum auch nicht? dachte Mutter Pauline. Friedrich ist ein guter Junge aus einer ordentlichen Familie. Er wird mal seinen eigenen Hof haben, und Serafine wird sich zu einer guten Bäuerin entwickeln. Sie konnte zupacken, ohne sich zu beklagen. Schließlich wurde Friedrich eines Tages ganz unverhofft von ihren Eltern ins Haus gebeten, um ihn unter die Lupe zu nehmen und seine Absichten zu ergründen.

      »Du bist in letzter Zeit ziemlich oft in Solomiak, Friedrich«, sagte Vater Karl Rattai. »Es sind wohl die Geschäfte, die dich hierher ziehen, was?«

      »Nicht nur.«

      »So, was denn noch?«

      »Tja, es gibt hier ein Mädchen, das mir besonders gut gefällt.«

      »Aha, ein Mädchen. Darf man erfahren, wer dieses Mädchen ist?«

      »Sie heißt Serafine und ist eure Tochter.«

      »Na du bist mir einer; genau so ein Witzbold wie dein Vater. Aber gerade deshalb mag ich ihn ja. Anscheinend hast du einiges von ihm mitbekommen. Wenn du ebenso tüchtig bist wie dein Vater, habe ich nichts dagegen, wenn du mit Serafine über eine gemeinsame Zukunft nachdenkst. Es geht dir doch um die Zukunft? Oder denkst du nur an ein kurzes Vergnügen?«

      »Nein, ich meine ja, natürlich geht es mir um die Zukunft.«

      Schließlich wurde er nach einem Gespräch mit seinen Eltern als Verlobter in die Familie der Rattais aufgenommen. Und Serafine war seinen Eltern als Schwiegertochter auch willkommen. Als sie heiraten wollten, kamen beide Familien zusammen und verabredeten, dass jeder etwas dazugibt, damit das junge Paar den Hof eines Auswanderers übernehmen konnte. Beide Familien waren nicht arm, und die Höfe waren zur Zeit billig, weil zu viele zum Verkauf standen.

      Alles, was Serafine jetzt noch zu ihrem Glück fehlte, war ein Kind. Wenn sie die Anzeichen richtig deutete, dann war sie tatsächlich schwanger. Das war ein prickelndes Gefühl. Sie war guter Stimmung, als sie Salomon wahrnahm, der an seinem Wagen hantierte.

      »Na, Salomon, was gibt es Neues aus Kostopol zu berichten?« fragte Serafine, nachdem sie ihre Butter abgeliefert hatte.

      »Die Zeiten wern immer mehr schlecht, wohin de auch kukn tust. Im Schtetl is das Elend größer worn und de Dorfer wern leidiker.«

      »Ach, Salomon, dass du immer so schwarz sehen musst. Ich weiß, dass nicht alles zum besten steht. Es gehen immer mehr Leute weg.«

      »Es schmeckt nach Kreig. Der deitsche Kaiser strotzt for Waffe. Der Estreicher hat Müh, sei Reich zusamm zu halten. De Zar holt stetik mehr ingl mansbils in sei Armee. Wenn i nikt misst sorgn für de Mischpoche, fir Foter, Mame un Mume, wird i gein nach Amerika.«

      »Ach, Salomon, wir können doch nicht alle weggehen. Bleib uns ruhig erhalten. Wo sollen denn die Leute ihre Butter herkriegen?«

      Serafine war heute nicht nach Salomons Schwarzmalerei zumute. Sie wollte sich ihre hoffnungsvollen Gedanken nicht kaputt machen lassen. Jetzt kam ihr Salomon auch noch mit Krieg. Um Gottes Willen. Blos schnell weg hier.

      »Grüß deine Eltern, Salomon. Früher war ja dein Vater oft hier. Ich glaube, ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«

      »Die Eltern sin alt wordn. Aber se schtein noch jede Tog im Laden von de Frimorgn bis in de Ownt.«

      Serafine steuerte mit ihrem Wagen auf den Hof ihrer Eltern zu. Ihr Bruder Rudolf, ein junger Mann im heiratsfähigen Alter, kam gerade aus dem Schweinestall, winkte ihr zu und begleitete sie dann ins Haus, wo ihre Mutter Pauline sie in der Küche erwartete.

      »Na, mein Mädchen, wie geht es dir? Bist du immer noch glücklich verheiratet? Lass dich mal anschauen.« Sie packte ihre Tochter bei den Schultern und schaute ihr ins Gesicht. »Gut siehst du aus. Ich denke, es wird ein Mädchen.«

      »Aber Mutter, woher willst du denn wissen, was mit mir ist? Ich bin mir ja selbst noch nicht sicher.«

      »Glaub mir, es ist so. Es wäre schon ein Wunder, wenn eine Frau aus unserer fruchtbaren Familie nach einem halben Jahr Ehe noch nicht schwanger wäre. Wenigstens mal etwas Erfreuliches. Ansonsten ist ja alles so schrecklich.«

      »Was ist denn so schrecklich?«

      Die Mutter holte einen Brief aus dem Küchenschrank, setzte sich an den Tisch und begann laut zu lesen, bis die Tränen ihre Stimme erstickten. Ihre älteste Tochter, die eine Tagesreise entfernt in einer anderen Kolonie lebte, war seit einiger Zeit krank. Dem Brief war zu entnehmen, dass es ihr immer schlechter ging. Serafine saß wie versteinert da, während die Mutter mit inzwischen wieder gefestigter Stimme sagte: »Ich muss auf jeden Fall zu ihr. Sie hat zwar eine gute Schwiegermutter, die ihr hilft, wo es nur geht, aber ich glaube, jetzt braucht sie mich. Ach Gott, was macht das Kind einem für Sorgen. Was ist nur los mit ihr?«

      Serafines Freude, dass die Mutter sie in ihrer Annahme der Schwangerschaft bestätigt hatte, war dahin. Du meine Güte, Justina, warum gibst

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