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um ihr Haar geschlungen hatte. »Ganz sicher«, beteuerte sie. »Papa hat doch bei Tisch mit Georg in letzter Zeit häufig über diese wichtigen Dinge gesprochen. Er wohnt ja mittlerweile fast in der Hofburg, und der Obersthofmeister –«

      »Wichtige Dinge!«, unterbrach Mathilde ihre Tochter indigniert. »Kind, du sprichst schon wie dein Bruder. Diese langweilige Politik! Wohin kommen wir, wenn sich sogar die jungen Damen der Gesellschaft dafür interessieren? Wie unziemlich, sich in Männerangelegenheiten zu mischen. Es wird höchste Zeit …« Sie hielt inne und seufzte theatralisch.

      »Höchste Zeit wofür?« Sophie reagierte sofort. »Ihr wollt doch nicht ausgerechnet jetzt wieder dieses leidige Thema aufs Tapet bringen.«

      Mathilde, nicht im Geringsten daran interessiert, erneut in einer – sich in letzter Zeit leider häufenden – leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihrer Tochter den Kürzeren zu ziehen, lenkte sofort ein. »Dass die Saison endlich beginnt, wollte ich sagen«, antwortete sie rasch. Als sie das triumphierende Aufblitzen in den Augen ihrer Tochter bemerkte, fügte sie verärgert hinzu: »Aber Sophie, ich muss dich wirklich rügen, dein Tonfall ist absolut unpassend. So spricht man nicht mit seiner Mutter. Und ich komme nicht umhin, dich wieder einmal darauf aufmerksam zu machen, dass ein Mann aus unseren Kreisen weder Interesse an einem Blaustrumpf noch an einer aufmüpfigen Frau finden wird, die immer das letzte Wort haben muss.«

      Sophie, die einsah, dass es keinen Sinn hatte, ihre Mutter weiter zu reizen, senkte ihren Blick. »Ihr habt recht, verzeiht, Mama.«

      Sofort tat es Mathilde leid, ihre Tochter so hart zurechtgewiesen zu haben. Sanft streichelte sie ihre Wange. »Ich weiß, mein Kind, wie schwer es für dich in den letzten Monaten gewesen ist. Aber du musst nach vorne blicken.«

      Fanny, die das Wortgefecht der beiden interessiert beobachtet hatte, fand es hoch an der Zeit, ein wirklich wichtiges Thema zur Sprache zu bringen. »Wisst Ihr, was mir Georg erzählt hat? Es gibt ein Fest im Prater, mit einem großen Feuerwerk. Oh Mama, dürfen wir hingehen? Das wird sicher furchtbar lustig.« Fanny umarmte ihre Mutter stürmisch. »Bitte sagt Ja!«

      »Auf keinen Fall, wo denkst du hin.« Kopfschüttelnd befreite sich Mathilde aus den Armen ihrer Tochter. »Sei doch nicht immer so ungestüm, Fanny.« Mit einem kurzen Blick in den Spiegel zupfte sie die Locken ihres kunstvollen Tituskopfes zurecht, der unter der ganzen Aufregung empfindlich gelitten hatte. »Das ist eine Pläsanterie von sehr zweifelhaftem Ruf, völlig inkonvenabel für junge Damen eures Standes.«

      »Ach, Mama«, schmollte Fanny. »Nirgendwo darf ich hingehen …«

      Mathilde lächelte ihrer Jüngsten nachsichtig zu. »Natürlich darfst du nirgendwo hingehen. Du bist ja noch ein Kind.«

      »Aber nicht mehr lange.« Energisch reckte Fanny ihr Kinn vor. »In wenigen Wochen ist mein erster Ball.« Sie hob geziert den Saum ihres weißen Baumwollkleides, stellte sich auf die Zehenspitzen und tänzelte auf und ab. »Und dann werde ich mich verlieben, so wie Sophie …«

      Abrupt wandte Sophie ihr Gesicht ab. »Ich lasse anspannen und nehme Dorothea als Begleitung mit, wenn Ihr ihre Dienste nicht braucht, Mama. Tante Louise hat mich zum Tee eingeladen, und Ihr wisst, wie sehr sie Unpünktlichkeit hasst.«

      Nachdenklich sah Mathilde ihrer älteren Tochter nach. »Fanny«, schalt sie ihre Jüngste. »Wie konntest du nur so taktlos sein.«

      »Entschuldigt, Mama.« Kleinlaut senkte Fanny ihren Blick.

      »Entschuldige dich nicht bei mir, sondern bei deiner Schwester.« Besorgt musterte sie Fanny. »Kind, du musst noch viel lernen.« Sie seufzte. »Wie mache ich aus einem Wildfang wie dir in wenigen Wochen bloß eine elegante junge Dame?«

      *

      »Schultern zurück, Mademoiselle, höher den hübschen Kopf, très bien, viel besser! Und jetzt mit der rechten Fußspitze beginnen. Eins, zwei, eins, zwei, im Takt der Musik. Mademoiselle Sophie, wenn ich bitten darf …«

      Jean-Claude nickte Sophie zu, die die ersten Töne eines Menuetts von Beethoven anschlug, das gerade besonders en vogue war.

      »Sehr gut, und weiter. Eine Drehung und – oh nein, nicht in diese Richtung. Zu mir, ich bin es, dem Ihr Eure Gunst schenken sollt, nicht die Dame des Herren neben Euch.«

      Während Sophie laut auflachte, stampfte Fanny wütend mit ihrem rosa beschuhten Fuß auf. »Ich will das nicht, das ist langweilig!«

      »Was langweilt mein widerspenstiges Käthchen schon wieder?«

      »Georg!« Fanny wirbelte herum. »Ich hab dich gar nicht kommen hören.« Sie stürzte in seine Arme. »Bist du fesch!« Bewundernd musterte sie die mit goldenen Tressen besetzte Uniform ihres Bruders. »Wen wirst du denn heute Abend verführen?«

      »Fanny!« Entrüstet sprang Sophie von ihrem Platz hinter dem Klavier auf.

      »Ach, lass sie doch, Schwesterlein«, lachte Georg, Fanny noch immer im Arm haltend. »Sie hat ihre Augen und Ohren halt überall, wo sie nicht hingehören. Nicht wahr, du kleiner Mops?«

      »Tut nicht so, als wäre ich noch ein Kind!« protestierte Fanny. »Ich weiß, was die Herren Offiziere machen, wenn sie am Abend ausgehen.«

      »Und was ist das, gnädiges Fräulein, wenn ich fragen darf?« Sein Tonfall blieb spielerisch, doch der Ausdruck seiner Augen veränderte sich.

      »Ach, dies und das«, bemerkte Fanny leichthin, der die plötzliche Wachsamkeit im Blick ihres Bruders entgangen war. »Ihr führt elegante Damen mit Federn an den Hüten und großem Schmuck zum Essen aus, dann tanzt ihr mit ihnen und küsst ihnen die Hand.« Kokett warf sie den Kopf zurück und hielt ihrem Bruder den ausgestreckten Arm entgegen. »So, nicht wahr?«

      Erleichtert ergriff er ihre Hand. »Genau, und dann drehen und drehen und drehen wir sie, bis sie genug haben und nach Hause gehen wollen.«

      Übermütig nahm er sie in die Arme und tanzte mit ihr durch den Salon. Fanny juchzte begeistert. »Ja, das will ich lernen, so will ich tanzen, die ganze Nacht …«

      »Um Gottes willen, Georg! Fanny! Was soll dieser Lärm? Was macht ihr denn da?«

      Mit einem eleganten Schwung brachte Georg Fanny an ihren Platz zurück und begrüßte seine Mutter mit einer formvollendeten Verbeugung.

      »Mama, wir tanzen Walzer. Darf ich bitten?«

      Sophie versuchte, einen plötzlichen Hustenanfall hinter ihrem Batist-Taschentuch zu ersticken, als Georg seine heftig protestierende Mutter tatsächlich in die Arme nahm und ein paar angemessen zögerliche Drehungen mit ihr auf dem Parkett wagte.

      »Nun ist es aber genug!«

      Georg, der am entschiedenen Tonfall seiner Mutter rasch erkannte, dass jetzt nicht mehr mit ihr zu spaßen war, blieb abrupt stehen und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich wollte ohnehin gehen, Mama, und den charmanten Damen des Hauses einen wunderschönen Abend wünschen.« Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er blitzschnell den Salon verlassen.

      »Ach schade«, schmollte Fanny. »Wo es gerade so lustig war.«

      »Maestro, wie konnte Er nur?«, rügte Mathilde den Tanzlehrer, der sichtlich überfordert nach Worten rang.

      »Ihn trifft keine Schuld, Mama«, eilte Sophie ihm zu Hilfe. »Es war einzig und allein Georg, der Fanny auf so törichte Gedanken brachte.«

      »Was ist daran töricht?«, brauste Fanny auf. »Diese langweiligen alten Tänze will ich nicht lernen. Ich will Walzer tanzen! Mama, bitte! Jean-Claude, so sagt doch etwas!«

      Der Tanzlehrer, nun vollends verzweifelt, blickte von einer zur anderen. »Madame, Mademoiselle, was soll ich sagen?«

      »Er sagt am besten gar nichts«, schnitt Mathilde ihm rüde das Wort ab. »Bringe Er meiner Tochter einfach das Tanzen bei. So wie es sich gehört. Wir sind hier schließlich nicht bei den Wilden. Und Er sorge dafür, dass niemand, auch nicht mein lieber Herr Sohn, ihr weiter solche Flausen in den Kopf setzt. Sophie«, fuhr sie zu ihrer älteren Tochter gewandt fort, »ein Menuett bitte. Oder

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