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die Augen hingen, nach einem glimmenden Zweiglein für seine Pfeife, eine Hand streckte sich nach den Kaffeetassen, das Kochfeuer flammte unter frisch aufgelegtem Reisig auf, die plötzliche Helligkeit ließ die Fliegen summen und das Vieh unruhig werden. Namrud war nicht sehr erfreut darüber, dass sein gerade gesammeltes Feuerholz so rasch abnahm und seine Kaffeebohnen händeweise in den Mörser wanderten. (»Wallah! sie essen wenig, wenn es vom eigenen geht, aber viel, wenn sie Gäste sind, sie und ihre Pferde. Dabei ist das Korn in diesem Jahr knapp.«) Aber zwischen Jordan und Euphrat ist das Wort ›Gast‹ heilig, und Namrud wusste sehr wohl, dass er seine Stellung und seine Sicherheit weitgehend einer Gastfreundlichkeit verdankte, die er allen Besuchern gewährte, so ungelegen sie sein mochten. Ich trug meinen Teil zur Geselligkeit bei, indem ich ein Kistchen Zigaretten verteilte. Als ich aufbrach, war zwischen den Männern der Beni Sakhr und mir ein gegenseitiges Wohlwollen entstanden.

      Der folgende Tag war kaum vielversprechender als der vorherige. Die Maultiertreiber waren entschieden dagegen, die schützenden Höhlen zu verlassen und ihre Tiere in der offenen Wüste einem solchen Regen auszusetzen. Also willigte ich widerwillig ein, die Abreise zu verschieben, schickte sie nach Madeba, drei Stunden entfernt, um Hafer für die Pferde zu kaufen, schärfte ihnen aber ein, keinesfalls zu sagen, woher sie kamen. Am Nachmittag klarte es etwas auf, und ich ritt Richtung Süden nach Kastal, einem befestigten römischen Lager, das auf einem Hügel liegt.

      Als ich vor fünf Jahren nach Kastal kam, war es unbewohnt, das Land rundum aber nicht bestellt. Jetzt waren Fellachenfamilien in die zerfallenen Gewölbe eingezogen, und auf den ebenen Flächen unterhalb der Festung spross Getreide. Solche Veränderungen wärmen fraglos das Herz des Menschenfreundes, das des Archäologen lassen sie eisig erschauern. Nichts vernichtet so gründlich wie die Pflugschar, nichts zerstört so schnell wie der Bauer, der behauene Steine für seine Hütte sucht. Als weiteres Anzeichen der nahenden Zivilisation fielen mir zwei halb verhungerte Soldaten auf, Wächter der nahen Haltestelle der Hedschasbahn, die man, nach den wenigen Meilen davon entfernt im Osten liegenden Ruinen, mit dem Namen Mschatta geadelt hatte. Der Grund ihres Besuches war das magere Huhn, das einer der beiden in Händen hielt. Er hatte es den noch dünneren Gefährten im Festungshof entrissen, nach den Umständen fragt man besser nicht, Hunger kennt kein Gesetz. Mir war nicht daran gelegen, dass meine Anwesenheit in dieser Grenzregion den Behörden in Amman zu Ohren kam, daher brach ich recht rasch auf und ritt ostwärts nach Jiza weiter (oder Ziza, wie manche es nennen).

      Die Regengüsse hatten die Wasserläufe der Wüste gefüllt, sie sind selten so tief und reißend wie der, den wir an jenem Nachmittag durchqueren mussten. Der Regen hatte auch das große römische Wasserbecken von Jiza bis zum Rand gefüllt, die Sukhur würden dort den ganzen kommenden Sommer Wasser vorfinden. Hier gab es viel mehr Ruinen als in Kastal, die Fundamente erstreckten sich über ein großes Areal, das muss eine große Stadt gewesen sein. Vielleicht war Kastal die Festung, die sie schützte, immerhin teilen Festung und Stadt den Namen Ziza, der in der Notitia erwähnt wird: »Equites Dalmatici Illyriciana Ziza«.

      Es gibt hier auch ein sarazenisches Kal’ah, eine Festung, die Soktan, ein Scheich der Sukhur, wie Namrud berichtete, wiederherstellte und mit einer für die Wüste ganz unbekannten Pracht ausstatten ließ. Dann war sie allerdings an den Sultan gegangen, weil sie auf dem Land steht, das er sich für seinen Landsitz ausgesucht hatte. Seither verfällt sie. Die Hänge dahinter sind voller Fundamente, darunter eine Moschee, deren Mihrab auch noch weit im Süden zu erkennen war. Zu Ibrahim Pashas Zeiten war Jiza ägyptische Garnison, es waren im Wesentlichen seine Soldaten, die die Zerstörung der antiken Bauten vollends übernahmen. Bevor sie kamen, berichteten die Araber, waren viele Gebäude, darunter christliche Kirchen, noch vollständig erhalten. Auf dem Rückweg folgten wir dem Eisenbahndamm und sprachen über die möglichen Vorteile, die dem Land aus der Eisenbahnlinie erwachsen könnten. Namrud äußerte Zweifel. Beamten und Soldaten misstraute er samt und sonders. Tatsächlich hatte er guten Grund, diese offiziellen Räuber zu fürchten. Deren Raubgier konnte er nicht durch seine Gastfreundschaft mildern, die Araber hingegen hatte er sich auf vielfache Weise zu sehr verpflichtet, als dass sie ihm ernstlich hätten schaden wollen. Im Jahr zuvor hatte er einige Wagenladungen Getreide mit der Bahn nach Damaskus geschickt. Ja, ein solcher Transport war einfacher und auch schneller als mit Kamelen, sofern die Waren ankamen; für gewöhnlich aber waren die Säcke bei ihrer Ankunft in der Stadt so viel leichter als beim Aufladen, dass jeder Gewinn dahin war. Vielleicht würde das ja einmal besser werden – wenn auch die Lampen, Polster und all die anderen Einrichtungsgegenstände der Wüsten-Bahn, von den nackten Bänken abgesehen, an dem Platz blieben, für den sie angefertigt und gekauft worden waren.

      Wir sprachen auch über Aberglauben und Ängste, die das Herz des Nachts befallen. Es gibt Orte, sagte er, die jeder Araber nach Einbruch der Dunkelheit meide – verhexte Brunnen, denen sich kein Durstiger zu nähern wagt, Ruinen, wo kein Müder Schutz suchen würde, Senken, die für den allein Reisenden kein guter Lagerplatz sind. Was fürchteten sie? Jinneh! Nun, wer wusste schon zu sagen, was der Mensch fürchtet? Er selbst hatte einmal einen Araber fast zu Tode erschreckt, als er im schwachen Licht der Morgendämmerung völlig nackt vor ihm aus einem Tümpel stieg. Der Mann rannte zu seinen Zelten und schwor, einen Jinn gesehen zu haben, man dürfe die Tiere nicht zum Wasser hinunter lassen, denn dort hause er. Daran hielt er fest, bis Namrud kam, lachte und die Geschichte aufklärte.

      Wir kehrten nicht direkt ins Lager zurück. Für diesen Abend hatte mich Scheich Nahar von den Beni Sakhr zum Abendessen eingeladen, das war der Scheich, der am Vorabend in Namruds Höhle gewesen war; wir besprachen das lange und entschieden schließlich, dass es mich nicht kompromittieren würde, die Einladung anzunehmen.

      »Grundsätzlich gesprochen«, erläuterte Namrud, »solltet Ihr aber immer nur die Zelte bedeutender Scheiche besuchen. Sonst fallt Ihr Leuten in die Hände, die Euch nur wegen Eurer Gastgeschenke einladen. Nahar – nun ja, er ist ein ehrlicher Mann, wenn auch ein Meskin …«, diese Bezeichnung deckt alle Formen leiser Verachtung ab, ob ehrbare Armut, Schwachsinn oder erste Anzeichen einer gewissen Lasterhaftigkeit.

      Der Meskin empfing mich würdevoll wie ein Fürst und geleitete mich zu dem Ehrenplatz auf dem zerschlissenen Teppich, er lag zwischen dem viereckigen Loch im Boden, das als Kochstelle dient, und der Abtrennung zwischen Männer- und Frauenbereich. Wir hatten unsere Pferde an eines der langen Zelttaue gebunden, die diesen leichten Behausungen eine solch bewundernswerte Stabilität verleihen, der Blick schweifte von der Stelle, wo wir saßen, gen Osten über die weite Hügellandschaft – die sich in Wellen hob und senkte, als atme die Wüste in der hereinfallenden Nacht leise ein und aus. Die windabgewandte Seite eines arabischen Zeltes steht immer offen, damit Luft hereinkommt, dreht der Wind, nehmen die Frauen die Zeltwand herunter und bringen sie an anderer Stelle wieder an, so bekommt das Haus binnen weniger Augenblicke eine andere Blickrichtung und wendet sich vergnügt der besseren Aussicht zu. Es ist so klein, so zart und dabei so fest verankert, dass die Stürme ihm wenig anhaben können; das dichte Gewebe der Ziegenfell-Planen quillt bei Feuchtigkeit auf und wird dicht, erst bei Dauerregen mit Sturm sickern kalte Rinnsale in die Behausung.

      Die Kaffeebohnen waren geröstet und gemahlen, die Kaffeetöpfe simmerten in der Glut, da kamen aus dem Osten drei Reiter und machten am offenen Zelt Halt. Es waren untersetzte, breitschultrige

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