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ein Christ aus Salt, er war der größte Kornproduzent der Gegend und lebte in einem sehr einfachen Haus am Gipfel des Tells. Auch er war einer dieser energischen neuen Männer, die darum kämpfen, die Grenzen des kultivierten Landes immer weiter hinauszuschieben. Hier verließen wir die bergige Landschaft und kamen an den Rand einer endlosen, mit spärlichem Grün bewachsenen Ebene. Hier und da gab es einen kegeligen Tell oder einen niedrigen Höhenzug – und dann wieder Ebene. Sie ist beruhigend anzusehen, nie monoton, in den Zauber des winterlichen Sonnenuntergangs gehüllt, weich gerundete Senken fangen den Nebel, weich schwellende Hügel das Licht, über allem ist die Himmelskuppel, die Wüste und Meer gleichermaßen überwölbt. Das erste Hügelchen war Tneib. Wir kamen nach neun Stunden an, es war 17 Uhr 30, die Sonne ging gerade unter, wir schlugen am Südhang die Zelte auf. Der ganze Abhang war ruinenübersät, niedrige Mauern aus grob behauenen, ohne Mörtel gelegten Steinen, in den Fels gehauene Zisternen, einige mit Sicherheit nicht für Wasser, sondern Getreide bestimmt, wofür sie auch jetzt benutzt wurden, und ein offenes, mit Erde aufgefülltes Wasserbecken. Namrud war unterwegs, um einen benachbarten Bauern zu besuchen, aber einer seiner Männer brach auf, um ihn von meiner Ankunft zu informieren. Um zehn Uhr kehrte Namrud bei eisigem Sternenschein zurück, mehrfach beteuerte er seine Freude und versicherte, dass meine Wünsche sehr einfach zu erfüllen seien. So schlief ich von der kalten Stille der Wüste umhüllt ein, und wachte am folgenden Morgen in einer glitzernden Welt voll Sonnenschein und angenehmen Aussichten wieder auf.

      Als erstes musste zu den Arabern geschickt werden. Nach einigen Überlegungen entschieden wir uns für die Da’ja, ein Stamm der Belka-Hochebene. Sie waren uns am nächsten und vermutlich auch am ehesten von Nutzen, also schickten wir einen Boten zu ihren Zelten. Den Morgen verbrachten wir damit, den Hügel zu erkunden und eine großen Menge Kupfermünzen zu begutachten, die unter Namruds Pflug aufgetaucht waren. Sie waren alle römisch, eine mit dem schwachen Konterfei Konstantins, einige älter, keine stammte aus der jüngeren byzantinischen Periode oder der Zeit der Kreuzzüge; diesen Münzen nach zu urteilen, war Tneib seit den Zeiten der arabischen Invasion verlassen. Namrud hatte die Nekropolis entdeckt, aber in den Gräbern war nichts zu finden, sie waren vermutlich schon vor Jahrhunderten geplündert worden. Sie waren in den Fels gehauen und ähnelten Zisternen. Dicht über dem Erdboden waren zwei massive Steinsäulen, dazwischen ein schmaler Durchgang, an den Seitenwänden einige unregelmäßige Vorsprünge, Stufen für jene, die hinabsteigen müssen, im unteren Raum Nischen, eine über der anderen, die wie Regale an den Wänden entlang laufen – so sahen sie aus. In der Nähe des Südhangs waren Grundmauern eines Bauwerks, das eine Kirche gewesen sein könnte. Ein mageres Ergebnis für einen ganzen langen Tag, darum ritten wir in der goldenen Nachmittagssonne zwei Stunden nach Norden in ein breites, von flachen Hängen gesäumtes Tal. Seine Ränder waren mit Ruinen gesäumt, nach Osten hin standen einige Mauerfundamente in der Mitte des Tals – Namrud nannte den Ort Kuseir es Sahl, das Schlösschen der Ebene. Unser Ziel waren Gebäude am westlichen Ende, Khureibat es Suq. Das erste, zu dem wir kamen, war klein (41 mal 39 Fuß und 8 Zoll, die größte Ausdehnung in Ost-West-Richtung) und halb im Boden versunken. Zwei Sarkophage davor ließen vermuten, dass es ehemals ein Mausoleum war. In der Westwand war ein Rundbogentor, der Bogen von einem flachen Relief verziert. In Höhe des Bogens verjüngten sich die Mauern um die Breite eines kleinen Rücksprungs, zwei Steinlagen höher umlief eine geschweifte Kranzleiste das Gebäude. Einige hundert Meter westlich des Kasr oder Schlosses (die Araber nennen die meisten Ruinen Schloss oder Kloster) stand die Ruine eines Tempels. Er war im Laufe der Zeit offenbar für andere Zwecke benutzt worden als für den, für den er ursprünglich gebaut worden war, denn die beiden Reihen von sieben Säulen waren von Mauerresten umgeben und am westlichen Ende der Kolonnaden gab es unerklärliche Querwände. Dahinter scheint ein doppelter Hof gelegen zu haben, noch weiter westlich lag ein ganzer Komplex zerfallener Grundmauern. Das Tor ging nach Osten, die Pfeiler trugen feine Steinmeißelungen: ein Band, eine Palmette, ein zweites glattes Band, ein Torus mit Weinranke, Perlschnur, Eierstab, auf der oberen Zierleiste schließlich eine zweite Palmette. Das Ganze erinnerte stark an Arbeiten in Palmyra – mit den Reliefs der Fassade von Mschatta konnte das allerdings nicht konkurrieren, auch war der Gesamteindruck nüchterner und den klassischen Vorbildern enger verwandt als es dort der Fall ist. Nördlich des Tempels, etwas erhoben, erwies sich eine weitere Ruine als ein zweites Mausoleum. Ein längliches Rechteck, aus großen Steinen sorgfältig und ohne Mörtel erbaut. Eine Treppe an der Südostseite führte in eine Art Vorraum hinab, er lag aufgrund des abfallenden Hügels an der Ostseite mit dem Erdboden auf gleicher Höhe. An der Außenwand des Vorraums standen Säulenstümpfe, vermutlich Überreste einer kleinen Kolonnade, die die Ostfassade schmückte. Längs der noch vorhandenen Mauern standen sechs Sarkophage, je zwei nach Norden, Süden und Westen. Unter den Säulenschäften lief beiderseits der Treppe ein Fries, er bestand aus einem kühnen Torus zwischen zwei Leisten, dieses Motiv zierte auch das Innere der Sarkophage. Die Stützmauer auf der Südseite zeigte zwei Vorsprünge, im Übrigen war das Bauwerk ganz schlicht, einige der im Gras liegenden Fragmente trugen allerdings ein fließendes Weinrankenmuster. Dieses Mausoleum erinnerte an eine in Nordsyrien verbreitet Art des Pyramidengrabs; ich kann mich nicht erinnern, so weit südlich schon einmal eines gesehen zu haben. Vielleicht ähnelte es einmal jenem wunderbaren Grabmonument mit säulenbestandener Vorhalle, das eines der Höhepunkte von Dana-Süd ist, die Weinranken-Fragmente waren vielleicht Teil des Gebälks.

      Als ich kurz vor Sonnenuntergang zu meinen Zelten zurückkam, erfuhr ich, dass der Junge, den wir am Morgen losgeschickt hatten, auf dem Weg getrödelt hatte und, erschrocken über die vorgerückte Stunde, unverrichteter Dinge umgekehrt war. Das war ärgerlich genug, aber nichts im Vergleich dazu, wie sich das Wetter am folgenden Tag aufführte. Beim Erwachen stellte ich fest, dass die Ebene völlig in Nebel und Regen verschwunden war. Der Wind fegte uns den ganzen Tag von Süden entgegen, Sturm zerrte an unseren Zelten. Am Abend kam Namrud mit der Neuigkeit, dass Gäste in seine Höhle eingefallen seien. Ein oder zwei Meilen entfernt von uns standen Zelte der Sukhur, (der überwiegende Teil des Stammes befand sich noch weit im Osten, wo die Winter milder sind), und der heftige Regen war den männlichen Bewohnern zu viel geworden. Sie waren auf ihre Pferde gestiegen und nach Tneib geritten, Frauen und Kinder hatten sie allein zurückgelassen, sie mussten zusehen, wie sie durch die Nacht kamen. Ein wenig Gesellschaft nach diesem langen, nassen Tag schien verlockend, also schloss ich mich ihnen an.

      Namruds Höhle läuft tief in den Berg hinein, so tief, dass sie möglicherweise bis in die Mitte des Tneib-Berges reicht. Der erste große Raum ist offenbar eine natürliche Höhle, nur die niedrigen Schlafplätze und die Futtertröge für das Vieh sind in den Fels gehauen. Ebenfalls in den Fels gehauen ist eine Öffnung, die in einen kleineren Raum führt, hinter dem, wie man mir versicherte, weitere liegen. Ich habe sie nicht in Augenschein genommen, die heiße, stickige Luft und die dichten Fliegenschwärme hielten mich von weiteren Erkundungen ab. Das wilde und ursprüngliche Bild, das die Höhle an jenem Abend bot, hätte selbst das abenteuerlustigste Gemüt zufrieden gestellt. In der Mitte der Höhle saßen zehn, zwölf Männer in regennassen, gestreiften Gewändern und roten Lederstiefeln um ein Reisigfeuer, in dessen Glut drei Kaffeetöpfe standen, unverzichtbar für jede Wüsten-Geselligkeit. Hinter ihnen kochte eine Frau Reis auf einem helleren Feuer, das ein Flackern auf die hintere Höhlenwand warf und Namruds Vieh beschien, das aus den Felskrippen gehäckseltes Stroh fraß. Man räumte mir im Kreis einen nahezu schlammfreien Platz ein und reichte mir eine Tasse Kaffee, dann ging das Gespräch weiter, es dauert so lange, wie ein Mann braucht, um fünf Mal seine arabische Pfeife zu rauchen. Es ging vor allem um die Missetaten der Regierung, denn der Arm des Gesetzes, besser gesagt: die gepanzerte Faust einer unfähigen Regierung, ist für die Wüstenränder eine ständige Bedrohung. Die war in diesem Jahr noch größer geworden, weil die Erfordernisse des Krieges zu einigen furchtbaren Maßnahmen geführt hatten.

      Ohne Aussicht auf eine Entschädigung finanzieller oder sonstiger Art waren entlang der Grenzen Kamele und Pferde in großer Zahl requiriert worden. Die Araber hatten all ihre verbliebenen Tiere versammelt und fünf oder sechs Tagesreisen weit nach Osten getrieben, wohin die Soldaten nicht vorzudringen wagten, Namrud war dem Beispiel gefolgt und hatte nur das Vieh behalten, das er zum Pflügen brauchte. Ein Gast nach dem anderen ergriff das Wort, ihr hartes, gutturales Arabisch hallte von den Höhlenwänden wider. Bei Gott und Mohammed, seinem Propheten, ließen wir Verwünschungen auf die tscherkessische Kavallerie niederprasseln, auf dass die kräftigen Reiter

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