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langen Blick auf den kleinen Götz. »Ein Prachtkerlchen«, sagte er gerührt. »Ich habe noch nie ein so hübsches Baby gesehen.«

      Leonore lächelte in sich hinein, und sie dachte zurück. Damals, als ihre Kinder geboren wurden, war er zwar auch ein stolzer Vater gewesen, aber er hatte doch nicht so recht etwas mit den Kleinen anzufangen gewußt.

      »Wie sich doch alles geändert hat«, sagte sie sinnend.

      »Aber glücklicherweise sind wir noch jung genug, um uns hoffentlich noch recht lange an dem Nachwuchs zu erfreuen, Lori.«

      Auch ihre Ehe hatte dieses Ereignis gut getan, das empfand Leonore mit inniger Freude. Fast dreißig Jahre waren sie nun schon verheiratet, und wenn sie ganz ehrlich miteinander waren, so mußten sie zugeben, daß es doch schon ziemlich lange ein oberflächliches Zusammenleben gewesen war, im Trott der Gewohnheit. Auch das war nun wieder anders geworden.

      *

      Bei den Nordens gab es keinen Trott. Sie lebten miteinander und füreinander, und Fee war froh und erleichtert, als ihr Mann endlich heimkehrte.

      »Ja, da hat sich nun allerhand zusammengedrängt«, sagte er schmunzelnd. »Ein junges Paar ist glücklich vereint und kann sich an seinem Kind freuen. Ein anderes Kind wird nun doch nicht zur Welt kommen, und die flotte Carola wird jetzt heilfroh sein, daß sie mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft nicht ins Unglück gerudert ist.«

      »Wie das?« fragte Fee verblüfft.

      »Frau von Hellbrink hat es mir erzählt, daß ihre exzentrische Tochter die Heirat mit diesem Fechner erzwingen wollte, indem sie vorgab, sie bekäme ein Kind. Sie hat es sich schnell überlegt.«

      »Was sind die Mädchen doch manchmal blöd«, sagte Fee kopfschüttelnd.

      »Hellbrink mag seine Fehler haben, aber da hat er doch die richtige Methode angewandt.«

      »Welche?«

      »Er hat gesagt, daß sie Fechner ruhig heiraten könne, auf seine Unterstützung dann aber nicht mehr zu rechnen brauche. Und siehe da, Herr Fechner ließ die Maske fallen und schickte die hübsche Carola zum Teufel.«

      »Ziemlich schlimm«, meinte Fee. »Hoffentlich wird sie damit fertig.«

      »Da ist Frau von Hellbrink unbesorgt. Sie ist überhaupt anders, als ich sie eingeschätzt habe.«

      »Auch ein Dr. Norden kann sich täuschen«, sagte Fee neckend.

      »Es kränkt ihn nicht, wenn etwas Gutes dabei herauskommt, mein Schatz. Am meisten aber freut es mich, daß die tapfere Elisabeth an einen so liebenswerten Mann geraten ist. Bastian gefällt mir sehr.«

      »Mir auch. Die beiden geben ein gutes Gespann ab. Da wird keiner ausbrechen. Ich hätte es Dr. Urban vergönnt, daß er das noch erlebt hätte.«

      »Für ihn ist es besser so, Feelein. Es wird noch viel im Dreck herumgewühlt werden, und ungeschoren wird auch sein Name nicht bleiben. Es ist nicht gut, die Augen vor dem zu verschließen, was man einfach nicht wahrhaben will. Man muß den Tatsachen ins Auge blicken und darf sich nicht um eine Verantwortung herumdrücken.«

      »Er ist tot«, sagte Fee leise. »Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung und zuletzt der Tod.«

      »Du sprichst ein großes Wort gelassen aus«, zitierte er Goethe auf dieses Bibelwort.

      Aber Dr. Urban hatte verhindert, daß Sandras Baby verkauft wurde, und das, so meinte Luise an seinem Grab, würde ihm vom göttlichen Gericht schon angerechnet werden.

      Die irdischen Richter hätten ihm nichts anhaben können, und der einzige Fall, der Anna Renz nachweisbar angelastet werden konnte, war der Tausch von Sandras und Cornelias Baby. Aber Cornelia Mölnik hatte, wie alle anderen auch, die schriftliche Einwilligung gegeben, daß sie ihr Baby zur Adoption freigeben würde. Nur Sandra bildete eine Ausnahme, denn auch Hilde konnte nicht leugnen, daß sie dazu bereit gewesen war. Es meldete sich sonst niemand mehr. Alle hatten wohl Angst, in die Tretmühle der Ermittlungen zu geraten, und viele bereuten es auch nicht, ihr Kind weggeben zu haben.

      Anna Renz konnte anführen, daß sie manche Adoption auf rechtlichem Wege vermittelt hatte. Sie erklärte auch, daß sie das Entbindungsheim ohnehin nicht mehr weiterführen wollte. Sie sagte, daß Dr. Urban den Babytausch vorgenommen hätte und daß er dann von Reue gepackt und sie selbst durch Christels Frühgeburt aus dem Gleichgewicht gebracht worden wäre. Man könne ihr schließlich nichts vorwerfen, weil sie ja Dr. Norden um Hilfe gebeten hätte, und von ihm wäre Christel ja höchstpersönlich in das Entbindungsheim gebracht worden.

      Ja, da war Dr. Norden ganz hübsch in Bedrängnis geraten, aber Christel sagte aus, daß sie ihn darum gebeten hätte, sie in dieses Entbindungsheim zu bringen, und das war auch nicht zu widerlegen.

      Anna Renz wurde zu einer Haftstrafe mit Bewährungsfrist und zu einer beträchtlichen Geldstrafe verurteilt, was sie wohl am meisten schmerzte, da Dr. Urban seinen gesamten Nachlaß testamentarisch Luise und Bastian zugesprochen hatte. Daran gab es nichts zu rütteln.

      Sandra, Cornelia und Christel hatten ihre Kinder, und alle drei wollten nicht mehr an diese düsteren Stunden erinnert werden. Christel heiratete ihren Verlobten, Cornelia wurde von ihren Eltern aufgenommen, die auch von Gewissensbissen geplagt worden waren. Es war wahrscheinlich, daß so manches Kind, das Anna Renz für eine beträchtliche Summe weggegeben hatte, was ihr aber keineswegs nachzuweisen war, da sie sich längst ein Konto in der Schweiz zugelegt hatte, unter bedeutend glücklicheren Umständen aufwuchs, als es sonst der Fall gewesen wäre.

      Fee Norden meinte jedenfalls, daß Daniel sich keine Gewissensbisse machen müsse. Sie sei es ja gewesen, die den Stein ins Rollen gebracht hätte.

      Aber eigentlich war es Elisabeth gewesen, und sie sollte sich gewiß keine Vorwürfe machen. Der Mensch tut nicht alles aus sich selbst, er arbeitet auch dem Schicksal in die Hände. Es sollte sich erweisen, daß Elisabeth wohl vom Schicksal ausersehen worden war, im rechten Augenblick einzugreifen in das Rad, das dem Unglück hätte zusteuern können.

      Wie Bastian es gewünscht hatte, warteten sie nicht lange mit der Hochzeit, und für Luise war es der schönste Tag ihres Lebens, als die beiden sich das Jawort gaben.

      Hilde hatte das Tief überwunden. An Bertis Seite folgte sie dem Brautpaar, dem die Dorfbewohner freudig zuwinkten.

      Herrliche Blumen und praktische Geschenke hatten die Hellbrinks geschickt, und das Festmahl in Bastians Gasthof ließ nichts zu wünschen übrig.

      Die hübscheste Wirtin weit und breit würde Elisabeth sein, darüber waren sich alle einig, aber für Bastian galt es, daß sie die liebenswerteste Frau war, die ihm ein gnädiges Schicksal geschenkt hatte.

      »Grad neidisch könnte man werden«, sagte Berti zu Hilde. »Aber vielleicht können wir es ihnen mal nachmachen, wenn genug Zeit vergangen ist.«

      Da erging es Hilde so wie ein paar Wochen zuvor Elisa­beth. Nicht so plötzlich war das Gefühl, aber Hoffnung blühte in ihrem Innern auf, und ihre Augen begannen zu leuchten. Die Last, die sie mit sich herumgeschleppt hatte, fiel von ihren Schultern.

      Luise lächelte gütig, als sie ihnen zuschaute, wie sie den Walzer tanzten, und als Elisabeth dann ihren Brautstrauß in die Luft warf, fing Hilde ihn auf.

      Volksbrauch war es, daß sie nun die nächste Braut sein würde. Immer traf es nicht zu, aber doch in diesem Fall, wenn auch noch Monate darüber vergingen.

      Vorher noch sollte sich Luise an ihrem ersten Enkelkind freuen, das sich ganz pünktlich eingestellt hatte. Und welch größeres Glück konnte es für sie geben, als ihm ins Erdendasein zu verhelfen.

      Wie hatte sie sich darauf gefreut. Wochenlang schon hatte sie ihre verarbeiteten Hände gepflegt, wie nie zuvor. Ganz weich und behutsam umfaßte sie das Baby, das sich da ins Leben drängte, ganz hübsch gewichtig, wie man es der zarten Elisabeth nicht zugetraut hätte, wie so manches andere auch nicht. Bis zuletzt hatte sie ihrem Mann geholfen. Sie ruhten sich beide nicht auf Onkel Gottliebs Erbe aus, das für andere Zwecke verwendet werden sollte. Eine neue Schule wurde

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