Скачать книгу

Schreihälsen herumzuärgern.«

      »Du Klugschnack«, sagte sie böse. »Komm jetzt mit. Es ist noch nichts verloren. Ich halte niemanden fest. Jeder kann das Haus verlassen, wann er will, ob mit oder ohne Kind. Auf eigene Verantwortung freilich. Bernadette kann nichts sagen. Die drei Mädchen werden wir morgen früh heimschicken. Ich bin krank, das mußt du ihnen erklären. Und dann fahren wir weg. Soll Urban es ausbaden. Los, zieh dich an!«

      Verdrossen folgte er diesem Befehl. Wenig später lag dieses Haus im dichten Dunkel.

      *

      »Sollte man nicht die Polizei einschalten?« fragte Fee, nachdem sie von ihrem Mann erfahren hatte, was geschehen war.

      »Was soll ich vorbringen? Die Renz hat sich nicht widersetzt, als wir die beiden Mädchen in die Klinik brachten. Augenblicklich ist ihr gar nichts zu beweisen. Die Polizeibeamten würden ein erstklassig eingerichtetes Heim vorfinden und eine Frau, die auf alles vorbereitet ist, Fee. Sie ist verdammt schlau. Sandra Trento kann sich noch nicht äußern. Christel ist sogar überzeugt, daß das Bestmögliche für sie getan würde. Dr. Urban hatte einen solchen Schock, den er auch morgen noch nicht überwunden haben wird. Ihm kann ich doch nichts nachsagen. Er hat mich um Hilfe gebeten und die Renz auch.«

      »Aber die Sache mit dem Baby«, wandte Fee ein. »Wenn man die Säuglinge nun vertauscht hat?«

      »Dann wissen wir, wo wir einhaken können, und die Renz muß dafür geradestehen. Aber zuerst muß Sandra Trento gehört werden. Augenblicklich ist sie genauso in Sicherheit wie Christel Jakob. Und morgen früh werde ich Elisabeth Roth anrufen.«

      »Heute früh«, berichtigte ihn Fee. »Es ist Mitternacht längst vorbei, Daniel. Aber vielleicht solltest du doch noch in dem Entbindungsheim anrufen.«

      »Und was soll ich sagen?« fragte er müde.

      »Du könntest dich ja nach Dr. Urbans Befinden erkundigen«, meinte Fee.

      »Na schön«, sagte er.

      Anna Renz meldete sich schnell. Daniel fragte, ob Dr. Urban den Schock überstanden hätte.

      »Ja, recht gut«, erwiderte sie. »Er schläft. Es war natürlich aufregend. Er ist einfach zu alt. Wir sollten uns doch einmal unterhalten, ob wir nicht zusammenarbeiten können, Herr Dr. Norden. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre freundliche Hilfe.«

      »Man kommt ihr nicht bei«, sagte Daniel seufzend. »Sie ist die Ruhe selbst. Jetzt sollten wir uns auch Ruhe gönnen, Fee.«

      *

      Dr. Norden hatte unruhig geschlafen, aber sein erster Gedanke am nächsten Morgen war, Elisabeth Roth anzurufen. Es war zwar erst sieben Uhr vorbei, aber da sie ja berufstätig war, mußte sie auch früh aufstehen.

      Sie war sehr überrascht, als er sein Anliegen vorbrachte, daß sie doch nochmals versuchen möchte, ihre Schwester zu sprechen.

      »Versuchen kann ich es ja, Herr Doktor«, meinte sie, »aber man hat mich einmal nicht hereingelassen, und das wird man wohl auch das zweite Mal nicht tun.«

      »Sagen Sie doch, sie müßten Hilde in einer dringenden Erbschaftsangelegenheit sprechen, die keinen Aufschub duldet.«

      »Ich versuche es«, versprach Elisabeth. »Zeit habe ich mehr als genug, denn wie erwartet habe ich meine Kündigung bekommen. Aber ich gehe vor das Arbeitsgericht.«

      »Das ist recht«, erwiderte Daniel. »Wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an mich.«

      Elisabeth war gegen neun Uhr beim Entbindungsheim. Sie läutete, nannte ihren Namen, und die Tür tat sich ihr auf. Sie war so überrascht, daß sie nur zögernd auf das Haus zuging.

      Anna Renz hatte inzwischen ihre Entscheidungen getroffen, andere als jene, die sie impulsiv in der Nacht getroffen hatte.

      Mit seinem primitiven Verstand, der aber einer gewissen Logik nicht entbehrte, hatte Sepp sie zu ganz nüchternen Überlegungen veranlaßt.

      Sie begrüßte Elisabeth freundlich. »Fräulein Roth, Sie wollen Ihre Schwester besuchen?« fragte sie.

      »Ja, das möchte ich«, erwiderte Elisabeth.

      »Sie hat gestern das Haus verlassen.«

      »Hilde ist nicht mehr hier?« fragte Elisabeth erstaunt.

      »Nein, sie hat es sich anders überlegt. Ich konnte sie selbstverständlich nicht zurückhalten. Sie müssen verstehen, daß ich nur gut zureden kann. Ich zwinge niemanden, von seiner Entscheidung abzugehen. Ich nehme hier keine Abtreibungen vor, aber Ihre Schwester scheint sich zu einer solchen entschlossen zu haben. Ich finde solchen Entschluß immer bedauerlich, da man später Reue darüber empfinden kann. Übrigens hat sie noch einige Sachen vergessen, die Sie gern mitnehmen können.«

      »Sie wissen aber nicht, wohin Hilde gegangen ist?« fragte Elisabeth.

      »Nein. Ich hatte keine Veranlassung, sie zu fragen.«

      »Wie war ihre seelische Verfassung?« fragte Elisabeth.

      »Sehr gut. Es hat sie anscheinend schockiert, daß ich mich nicht zu einer Abtreibung bereit fand. Aber so etwas überlasse ich lieber den Ärzten. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß meine Schützlinge sehr glücklich waren, wenn sie ihr Kind dann im Arm halten konnten.«

      »Alle? Waren sie alle glücklich?« fragte Elisabeth nachdenklich.

      »Nun, einige haben ihre Kinder schon zur Adoption freigegeben. Aber die hatten dann doch die Genugtuung, eine andere Frau glücklich gemacht zu haben. Ich kann versichern, daß man da weit weniger Gewissensbisse hat. Es tut mir sehr leid, wenn Ihre Schwester doch anders dachte. Ich hatte eigentlich einen sehr guten Eindruck von ihr.«

      Eins war Elisabeth klar. Dieser Frau war sie nicht gewachsen. Sie schien unangreifbar wie eine Festung. Elisa­beth blieb nichts anderes übrig, als wieder zu gehen, von Unruhe erfüllt und von geheimer Angst getrieben, daß Hilde sich etwas angetan haben könnte.

      Als sie zur Autobushaltestelle ging, kam ihr ein Wagen entgegen. Sie konnte die Insassen nicht deutlich erkennen, aber ihr schien es so, als wäre es dieses Ehepaar, dem sie neulich begegnet war. Sie blieb stehen und blickte dem Wagen nach. Er hielt vor dem Entbindungsheim. Die Frau stieg aus und läutete. Langsam ging Elisa­beth zurück und versteckte sich hinter einem dichten Strauch.

      Nun stieg auch der Mann aus, aber er ging nicht ins Haus. Minuten vergingen. Elisabeth kamen sie endlos vor, aber sie verharrte in ihrem Versteck.

      Dann kam die Frau wieder heraus. Mit einem lauten Aufschluchzen sank sie dem Mann in die Arme. »Es war wieder vergeblich«, hörte Elisabeth sie sagen. »Das Kind ist tot geboren. Sie kann uns keine Zusage mehr machen. Nicht für die nächsten Monate.«

      »Beruhige dich, Jane«, sagte der Mann. »Es ist wohl besser so. Ich hatte ein ungutes Gefühl.« Und was er dann noch sagte, konnte Elisabeth nicht mehr verstehen, denn sie hatten den Wagen bestiegen, der dann auch schnell davonfuhr.

      Sie lief im Eilschritt zu dem Autobus, den sie gerade noch erreichte, und als sie wieder bei Atem war, ging es ihr durch den Sinn, daß sie Dr. Norden berichten mußte, was sie gehört hatte.

      *

      Dr. Norden war um diese Zeit schon in Aufregung versetzt worden. Er hatte gerade seine Praxis betreten, als Loni ihm aufgeregt sagte, er möge schleunigst zur Leitner-Klinik kommen.

      Mit sorgenvollen Gedanken fuhr er auch sofort dorthin. Wenn bloß nichts mit Christel ist, dachte er.

      Aber Christel schlummerte selig und süß. Sandra dagegen war schon kurz vor sieben Uhr erwacht.

      Ihr erster Gedanke, obgleich sie noch benommen war, galt ihrem Kind. »Ich möchte mein Baby sehen«, sagte sie, bevor sie noch begriff, daß sie nicht mehr in dem Entbindungsheim Miranda war. Dessen wurde sie sich erst bewußt, als Schwester Marlies sagte, sie müsse erst Dr. Leitner holen.

      »Wieso Dr. Leitner?« fragte Sandra. »Ist Dr. Urban nicht da?«

      »Dr.

Скачать книгу