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etwas Braten zum Mund führte.

      »Eine gewisse Pogromstimmung ist nicht zu leugnen, Mylady«, stellte Josuah Parker fest, ohne eine Miene zu verziehen. »Hier scheint sich ein regelrechter Gefühlsstau zu entladen.«

      »Und dann noch an der richtigen Adresse«, freute sich die ältere Dame. »Ich muß sagen, ich bin mit diesem Lokalbesuch außerordentlich zufrieden, Mister Parker.« Agatha Simpson nickte nachdrücklich und schaute im nächsten Augenblick empört in die Gegend, als ein Mitglied des Hoodschen Gefolges in wilder Flucht an ihrem Tisch vorbeistürmte, diesen halb umrannte und dadurch Myladys Speisen in Gefahr brachte. Im letzten Moment konnte sie das drohende Unheil verhindern und ihr Essen vor der Bekanntschaft mit dem Boden retten.

      Sie hatte nicht die Absicht, dem jungen Mann, bei dem es sich übrigens um den »Mönch« handelte, das schlechte Benehmen durchgehen zu lassen. So griff sie seufzend nach ihrem Handbeutel und machte sich daran, ihm eine entsprechende Lektion zu erteilen.

      Sie stemmte sich etwas hoch, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, visierte kurz und schickte den Pompadour mit dem darin befindlichen Glücksbringer – einem veritablen Pferdehufeisen – auf die Reise.

      »Der »Mönch« wollte gerade aufatmen und die schwere Eingangstür öffnen, um in die bereits sicher geglaubte Freiheit zu stürmen, als ihn ein Dampfhammer in den Rücken traf. Er spürte noch, wie ihm etwas mit Urgewalt zwischen die Schulterblätter prallte, dann rutschte er auch schon an der Tür zu Boden und ergab sich klaglos in sein Schicksal.

      *

      »Sie schon wieder, McWarden?« Lady Agatha sah ihren frühen Besucher am nächsten Morgen kopfschüttelnd an und wunderte sich. »Wunder kann ich nun auch wieder nicht vollbringen, mein Lieber, schließlich haben Sie mir erst gestern Ihr Problem an vertraut.«

      »Ich bin leider dienstlich hier, Mylady«, verkündete der Chief-Superintendent. »Gegen Sie wurden schwerwiegende Beschuldigungen vorgebracht.«

      »Was Sie nicht sagen!« Die ältere Dame staunte immer mehr und wies einladend auf einen Sessel neben sich. »Nehmen Sie doch Platz, mein Lieber, Sie wissen, wie sehr ich Ihre Besuche zu schätzen weiß! Mister Parker, servieren Sie unserem lieben Gast einen Sherry und fragen Sie ihn, ob er mit mir frühstücken möchte ...«

      »Wollen Sie mich etwa bestechen, Mylady?« McWarden musterte die Hausherrin und nahm dankend den Sherry entgegen, den ihm Parker reichte.

      »Aber keinesfalls, wie käme ich dazu?« flötete die Lady, ohne einen Augenblick ihr Frühstück zu unterbrechen. »Außerdem bin ich absolut sicher, daß sich alles als Mißverständnis aufklären wird. Eine friedliche Bürgerin wie ich kann gar nicht in Schwierigkeiten geraten, das ist absolut unmöglich.«

      McWarden hüstelte und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. »Das sehe ich allerdings entschieden anders, Mylady«, stellte er fest und beugte sich etwas vor, um die Hausherrin genauer ins Auge zu fassen.

      »Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, sagen Sie mir endlich, weshalb Sie gekommen sind«, forderte die Detektivin und legte verärgert ihr Besteck beiseite.

      »Sie besuchten gestern das ›Coq d’Or‹, Mylady?« erkundigte sich der Chief-Superintendent und lehnte sich erwartungsvoll zurück.

      »Was für ein Moor?« fragte Agatha Simpson und mißverstand wieder mal gründlich.

      »Das ›Coq d’Or‹, Mylady, ein Feinschmeckerrestaurant für die sogenannte Hautevolee«, präzisierte McWarden geduldig.

      »Dort verkehre ich nicht, das sollte Ihnen doch klar sein, mein Lieber«, stellte sie unverzüglich richtig. »Das kann ich mir einfach nicht leisten, ich muß mit jedem Penny rechnen.«

      »Das ist bekannt, Mylady, trotzdem wurden Sie gestern gesehen.«

      »Was sage ich dazu, Mister Parker?« wandte sich die Hausherrin an ihren Butler. »Kenne ich dieses Lokal?«

      »Möglicherweise hielten sich Mylady gestern tatsächlich im Zuge der Ermittlungen dort auf«, formulierte Parker vorsichtig. »Im Verlauf des Aufenthalts kam es zu einem kleinen Tumult, der Mylady veranlaßte, dem besagten Etablissement vorzeitig den Rücken zu kehren.«

      »Richtig, mein Lieber, jetzt erinnere ich mich. Warum sagen Sie nicht gleich, daß Sie dieses unmögliche Restaurant meinen? Stellen Sie sich vor, man kann dort nicht mal in Ruhe seine Mahlzeit einnehmen, ohne von Lümmeln gestört zu werden.«

      »Sie sind wirklich zu bedauern, Mylady.« McWarden gab sich keine Mühe, den Spott in seiner Stimme zu verbergen.

      »Jedenfalls ist dieses Lokal alles andere als empfehlenswert«, fuhr die ältere Dame munter fort und überhörte souverän McWardens Spott. »Ich glaube nicht, daß ich es noch mal aufsuchen werde.«

      »Zumal Sie dort ja auch Lokalverbot haben, aber davon wissen Sie sicher nichts, wie?« stichelte McWarden.

      »Lokalverbot, mein lieber McWarden? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen«, zeigte sich die Hausherrin überrascht und blickte ihren Gast pikiert an.

      »Ist Ihnen davon etwas bekannt, Mister Parker?« fuhr sie fort und wandte sich an ihren Butler. »Anscheinend liegt hier doch eine Verwechslung vor, bestätigen Sie das dem Chief-Superintendenten.«

      »Von diesem Sachverhalt sollte man in der Tat ausgehen, Mylady.« Parker verneigte sich höflich und richtete das Wort an den Mann vom Yard. »Man erteilte tatsächlich in bedauernswerter Verkennung der wahren Umstände Mylady das, was man gemeinhin mit dem Begriff ›Hausverbot‹ umschreibt, Sir. Man ging fälschlicherweise davon aus, daß sich Mylady als sogenannte Rädelsführerin betätigte und eine Saalschlacht verursacht habe, die letztendlich dazu führte, daß das Lokal vorübergehend geschäftsunfähig wurde. Man darf jedoch davon ausgehen, daß besagtes Hausverbot umgehend wieder aufgehoben wird, wenn die Wahrheit an das vielgerühmte Tageslicht kommt. Mylady sorgte lediglich dafür, daß einige Gäste, die ihr Eigentum vorübergehend an einen gewissen Mister Robin Hood und seine Bande abgeben mußten, wieder in den Besitz ihrer Güter gelangten.«

      »Das war aber mal eine schöne Rede, Mister Parker«, freute sich der Chief-Superintendent. »Sie geben sich ja alle Mühe, Ihre Chefin als wahren Engel und Bewahrerin von Recht und Ordnung hinzustellen.«

      »Eine Rolle, die mir förmlich auf den Leib geschrieben ist, mein lieber McWarden«, stimmte die ältere Dame umgehend zu. »Sie werden doch wohl einsehen, daß nur sehr wenige sie ausfüllen können, wie zum Beispiel ich!«

      »Allerdings mit fragwürdigen Methoden, oder?« konterte McWarden. »Sie sind nicht gerade als sanftmütig und zurückhaltend bekannt, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.«

      »Papperlapapp! Wo gehobelt wird, fallen auch Späne, mein Lieber, das sollten Sie doch wissen! Möchten Sie übrigens noch einen Sherry? Für einen guten Freund des Hauses ist mir nichts zu schade, wie ich Ihnen ausdrücklich versichern möchte«, säuselte sie und nickte Parker auffordernd zu.

      »Das ist mir aber völlig neu, daß Sie zur Verschwendung neigen, Mylady«, gab sich McWarden überrascht. »Wollte man Sie nicht erst kürzlich zur Schottin ehrenhalber ernennen?«

      »Werden Sie bitte nicht komisch, und kommen Sie endlich zur Sache«, erwiderte sie indigniert. »Weshalb sind Sie also hier, außer, um wie immer um meine Hilfe zu betteln?«

      »Ganz, wie Sie wollen, Mylady!«

      McWarden gab sich auf einmal streng dienstlich und richtete sich unwillkürlich auf. Er zog ein kleines Notizbuch aus der Innentasche und blätterte darin.

      »Sie sollen, wie gesagt, eine Saalschlacht ausgelöst haben, in dessen Verlauf dieses Lokal mehr oder weniger zu Bruch ging. Der Inhaber hat eine entsprechende Anzeige erstattet und will Sie außerdem auf Schadenersatz verklagen. Einige Gäste bestätigen diese Aussage und geben an, von Ihnen förmlich dazu aufgefordert worden zu sein, an der Demontage des Raumes mitzuwirken.«

      »Das ist ja der Gipfel der Unverschämtheit!« empörte sich die resolute Dame und sah ihren Gast aus flammenden Augen an.

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