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      BREGJE HOFSTEDE

      Die Wiederentdeckung

      des Körpers

      Essay über Burn-out

      Mit Fotos von Willemieke Kars

      Aus dem Niederländischen von

      Christiane Burkhardt und Janine Malz

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      «Ich hatte bis dahin schlichtweg nicht begriffen, dass es tatsächlich möglich war, mit seinem Körper zu leben und die grässlichen Dichotomien einfach sein zu lassen. […] Ich werde mich voll und ganz auf alles einlassen … alles ist wichtig!»

      Susan Sontag,

      Tagebucheintrag vom 23. Mai 1949

      Inhalt

       Einleitung

       Willkommen zu Hause

       Blaue Flecken

       Was mit dem Kopf passiert, wenn man den Körper vergisst

       Die Muse schlendert: Spazierengehen und Joggen

       Was zum Teufel ist Wasser?

       Literaturverzeichnis und Dank

       Über die Autorin Bregje Hofstede und die Fotografin Willemieke Kars

      Einleitung

      Vom Luftschlösserbauen bekommt man keine Schwielen an den Händen. Es dürfte kaum eine Tätigkeit geben, die so unkörperlich ist wie das Schreiben. Geschichten erfinden, Ideen zu Papier bringen – alles reine Kopfarbeit. Der Körper wird dabei eher zur Last: Er will versorgt werden und ist ein Störfaktor. Dachte ich jedenfalls.

      Meinen ersten Roman musste ich meinem Körper mühsam abringen. Ich kämpfte mit einem Burn-out; Körper und Geist waren erschöpft und unberechenbar. Ich fühlte mich, als würde ich an einem Laptop arbeiten, der jederzeit ausfallen kann und dessen Akku gerade mal fünfzehn Minuten hält. Fehlermeldungen erhielt ich in Form von Herzrasen und schlaflosen Nächten. Ich verfluchte das Arbeitsgerät, das mich da sabotierte. Hätte ich es gegen ein neues eintauschen oder noch besser ohne meinen Körper weitermachen können – ich hätte keine Sekunde gezögert.

      Damals bekam meine Schwester ein Kind.

      Ich besuchte sie im Wochenbett. Noch nie hatte ich so einen neuen Menschen im Arm gehalten. Und während ich spürte, wie das Baby zappelte und strampelte, staunte ich, wie sehr dieser kleine Mensch noch mit sich selbst eins war, sich in seinem Körper zuhause fühlte. Es kam mir absurd vor, ihn in Begriffe wie «Körper und Geist» fassen zu wollen. Und da fragte ich mich: Wenn auch ich einmal so ein Menschlein gewesen war – wie kam es dann, dass ich mich jetzt in meinem Körper so gar nicht mehr zuhause fühlte? Wann hatte ich damit begonnen, mich in die winzige Stube unter meinem Schädeldach zurückzuziehen, in der ich jetzt festsaß? Ich ließ meine Kindheit Revue passieren, blätterte in dem Tagebuch, das ich mit zwölf geschrieben hatte.

      Bald darauf besuchte mich eine Freundin. Wir saßen auf dem Sofa, tranken Tee und tauschten Neuigkeiten aus. Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen, weil sie so fror in ihrem eisern heruntergehungerten Körper. Ich dagegen hockte neben ihr wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren, und klagte über Hyperventilationsattacken. Unsere Körper schienen in erster Linie etwas zu sein, das einem Kopfzerbrechen bereitet, das man besiegen und zum Verstummen bringen muss. Bisher waren mir vor allem die Unterschiede zwischen uns aufgefallen, doch jetzt fragte ich mich, ob unsere Beschwerden nicht ein- und dieselbe Ursache hatten.

      Das Burn-out gilt als psychische Störung mit psychischen Ursachen, trotzdem stellte ich mir die Frage, ob neben vielen anderen Faktoren nicht auch mein Körper an meinem Zusammenbruch mitgewirkt hatte. Sowohl was die Vorgeschichte als auch was die Symptome und den Genesungsprozess anbelangte. Im Mittelpunkt dieses Buches steht das Burn-out-Kapitel. Darin erkläre ich, wie ich meinen Körper jahrelang verleugnet habe, was das Burn-out mit diesem Körper gemacht hat und was geschah, als ich ihn bei dem Versuch mich zu erholen, genauestens beobachtet habe.

      Das vorliegende Buch schildert nicht nur das Burnout und die damit verbundene Wiederentdeckung des Körpers, sondern beschäftigt sich auch mit der Frage, wie das mein Schreiben beeinflusst hat: Neben der Vergeistigung einer Erfahrung geht es also auch um die Verkörperlichung eines Arbeitsprozesses. Denn wie ich feststellen sollte, kann man vom Luftschlösserbauen sehr wohl Schwielen und Blasen bekommen.

      Erholt von meinem Burn-out habe ich mich unter anderem dank langer Spaziergänge. Seitdem sind Laufen, Rennen und Schlendern zu einem unverzichtbaren Bestandteil meines Denk- und Schreibprozesses geworden. Um zu beschreiben, wie zielloses Umherstreifen, dem eigenen Denken Raum Geben und Stressabbau zusammenhängen, habe ich eine Ode an das Schlendern geschrieben.

      Wie wichtig körperliche Bewegungsfreiheit für die Gedankenfreiheit ist, erlebte ich, als ich als Frau allein im Nahen Osten unterwegs war. Je nachdem wie wir uns zu unserem Körper verhalten und wie sich die Gesellschaft zu unserem Körper verhält, kann die Welt schrumpfen oder sich auf wundersame Weise auftun. Im letzten Teil dieses Buches gehe ich deshalb der auch schon vorher durchschimmernden Frage nach, inwiefern das schwierige Verhältnis zu meinem Körper etwas mit meinem Geschlecht zu tun hat.

      Seit ich das erste Mal nach Burn-out-Symptomen gegoogelt habe, sind inzwischen mehr als drei Jahre vergangen. Mein Körper hat damals so laut mit der Faust auf den Schreibtisch gehauen, dass er nicht nur thematisch, sondern auch ganz konkret auf jede nur erdenkliche Weise seinen Platz in meinem Schreiben eingefordert hat.

      Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln sind ohne den Körper unvorstellbar, insofern verbinde ich mein Nachdenken darüber auch mit den Erfahrungen meines Körpers. Andere Körper machen bestimmt andere Erfahrungen, und weil ich mich auf die körperlichen Aspekte des Burn-outs konzentriert habe, bleibt vieles andere außen vor. Würde ich allerdings nicht fest daran glauben, dass meine Erfahrungen eine größere, gesellschaftliche Tragweite besitzen, hätte ich sie nicht so explizit geschildert. Das Ergebnis ist ein Text, der von ganz persönlichen Dingen ausgeht, um immer wieder dorthin zurückzukehren. Ein Text, der mit diesem einen Körper untrennbar verbunden ist.

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      Willkommen zu Hause

      Ich halte meinen neugeborenen Neffen im Arm. Auf einen Abstand von fünfzehn Zentimetern kann er Hell und Dunkel unterscheiden, mehr aber auch nicht, so meine Schwester. Ich habe ihn noch nie mit geöffneten Augen gesehen.

      Seit vier Tagen lebt er eigenständig. Der Bauch meiner Schwester ist ihm zu klein geworden. Sie hat ihm ein Kinderzimmer eingerichtet und denkt noch kein bisschen an den Moment, wenn er eines Tages ausziehen wird – gut gelaunt und ohne jede Wehmut, mit blonden Locken und einem Rockbandlogo auf der Jacke. Ich halte das glatzköpfige, rosige Baby fest, das in meinem Schoß schnell und flach atmet. Sobald es Hunger hat, weint es. Bei Krämpfen verzerrt es seinen kleinen Mund, und im Schlaf tritt und greift es unaufhörlich. Noch ist Beunruhigung für ihn gleichbedeutend mit Bewegung.

      Hallo, mein Kleiner! Fünfzig Zentimeter sind schon mal ein guter Anfang.

      Zuallererst erkundest du die entlegensten

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