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gegen die Brust gedrückt. Das Kerzenlicht ließ feine silbrige Strähnen in ihrem rotbraunen Haar glitzern wie Raureif auf Herbstlaub. Keine Zwanzigjährige konnte so schön sein.

      »Ich gebe zu, ich bin mit der Tür ins Haus gefallen«, sagte Yuriko. »Mit dem Fenster, aber egal. Ich dachte, ich sehe dich kurz, wechsele zwei Worte mit dir, tu dann so, als hätte ich Angst vor deinem Ehemann, und lasse mich rausschmeißen. Ich hatte ja keine Ahnung.

      Und – du weißt, ich rede nach dem Herzen, wenn ich so überrascht bin. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht überfallen.«

      »Es braucht dir nicht leidzutun«, sagte sie mit der Andeutung eines Lächelns. »Das war mehr menschliche Wärme, als ich in den letzten fünf Jahren erfahren habe.«

      »Geh mit mir aus«, bat er. »Nicht hier, wo sich alle das Maul zerreißen. Wir fahren rüber nach Ferrandina. Niemand kennt uns dort. Essen, Musik, ein bisschen Tanzen, nur du und ich. Wie damals, als wir jung waren.«

      »Und dann?«

      »Dann sehen wir weiter.«

      »Waren wir jemals jung, Yuri? Ich fühle mich, als wäre ich schon alt auf die Welt gekommen.«

      Seine Arme waren so schmerzhaft leer ohne sie. Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich unmerklich zurück, und er ließ die Hand wieder sinken.

      »Du musst jetzt gehen«, sagte sie.

      »Ja«, sagte er. »Gut. Also, nicht gut, aber … ja.«

      Sie öffnete ihm das Fenster, und er setzte sich aufs Fensterbrett und schwang die Beine nach draußen.

      »Pass auf, dass die Nachbarn dich nicht sehen«, sagte sie.

      »Du hast im Übrigen nicht nein gesagt. Heißt das, du gehst mit mir aus?«

      Sie schob ihn vom Fensterbrett. Ihre Berührung lief ihm als heißer Schauer den ganzen Rücken hinunter. Dachziegel wackelten, als er sein Gewicht drauf brachte. Er hielt sich am Fensterkreuz und warf einen Blick über die Schulter. Sie lächelte.

      »Ich überleg’s mir.«

      Kapitel 2

      Das Herz des Krötenmeisters

      Dort, wo die Katze geplatzt war, hielt sich ein merkwürdiger Geruch im Garten. Studenten mieden den Bereich, was ihn zum idealen Übungsplatz für Galina machte. Entweder hatte sie inzwischen etwas gelernt, dann konnte sie hier niemanden verletzen, oder nicht, dann gab es hier keine Zuschauer, deretwegen er sich für seine unfähige Schülerin schämen musste.

      Kritisch beäugte Yuriko die Bank und setzte sich dann doch lieber daneben ins Gras.

      »Na, dann zeig mal, was du kannst.«

      Galina nahm Aufstellung, atmete durch und schloss in tiefer Konzentration die Augen.

      »Eldingr!«

      Sie riss die Hände nach vorne. Anstrengung verzerrte ihr Gesicht. Dann leuchteten ihre Fingerspitzen zart auf. Ein Flämmchen hüpfte in die Luft und verging.

      »Eldingr!«

      Ihre Arme zitterten, sie sah aus, als wolle sie eine unsichtbare Wand wegschieben. Nichts passierte.

      »Das war’s schon?«, sagte Yuriko. »Was hast du gemacht, fünf Jahre lang?«

      »Nicht viel, ohne meinen Lehrmeister!« Sie ließ die Hände sinken, lockerte die Finger, nahm erneut Aufstellung.

      »Eldingr, verdammt noch eins!«

      Ein Flämmchen, kaum spannenlang und so schnell weg, dass Yuriko sich fragte, ob er es wirklich gesehen hatte.

      »Lächerlich!«, polterte Yuriko. »Und hör auf, den Zauberspruch herumzukrähen! Das ist unelegant und völlig unnötig!«

      »Es hilft mir! Ich kann mir dann das Feuer besser vorstellen! Du hast doch immer gesagt, ich soll es fisa – fisali …«

      »Visualisieren!«

      »Genau!«

      »Das Arkanum, das in deine Hände fließt, sollst du visualisieren. Wie es sich aufheizt und sich schließlich entzündet. Wie du es von deinem Körper trennst und es wirfst. Oder spuckst. Zeig mir das doch mal. Vielleicht bist du mit dem Mund besser als mit den Händen. Was bei einer Frau nie ein Schaden ist, im Übrigen.«

      »Eldingr, du alter Sack!«

      Immerhin diesmal eine kräftige Flamme, die aus Galinas Handfläche schlug und Padda so heftig zurückzucken ließ, dass er von Yurikos Schulter fiel.

      »Aha«, sagte Yuriko ungerührt. »Wut hilft also. Das Ergebnis ist allerdings immer noch unterirdisch, und ich kann dich nicht jedes Mal reizen, wenn du einen Feuerzauber werfen willst.« Er kramte in seiner Tasche, bis er sein Fässchen mit Arkantinte und den Federkiel gefunden hatte. »Hand.«

      »Wie bitte?«

      Yuriko winkte ungeduldig, und Galina hielt ihm zögernd die Hand hin. Er tunkte die Feder ein und malte ihr einen Fokus auf die Handfläche, wiederholte den Vorgang mit Galinas anderer Hand und lud beide Siegel dann mit Arkanum auf.

      »Versuch’s nochmal.«

      Während Galina Aufstellung nahm, klaubte Yuriko Padda aus dem Gras und behielt ihn in der Hand. Mit dem Zeigefinger strich er ihm beruhigend über den Kopf. Padda quakte ungnädig.

      »Ich weiß«, murmelte Yuriko. »Ich kann auch nichts dafür.«

      »Eldingr!«

      Die Flamme, die Galina zustande brachte, war immerhin so lang wie ihr Unterarm und hielt sich für die Länge eines Atemzuges. Als sie vergangen war, krümmte Galina sich und rieb sich die Arme.

      »Muss sich das so anfühlen?«, fragte sie. »Als würden einem alle Blutgefäße zu den Fingern rausgezogen?«

      »Lässt gleich nach. Das ist der arkane Unterdruck, den du spürst.«

      Galina schüttelte die Arme aus und machte sich erneut bereit.

      »Warte«, sagte Yuriko. »Lass uns sehen, wie es um die Siegelzauberei steht. Vielleicht fällt dir die leichter.«

      Wie gut, dass er vorhin in der Bibliothek ein paar Bögen Papier hatte mitgehen lassen. Er holte sie heraus, faltete sie zurecht und hielt sie Galina hin. Die ließ sich neben ihm im Gras nieder und nahm das Papier ohne rechte Begeisterung entgegen.

      »Siegel des Endlosen Raumes«, sagte Yuriko. »Kennst du noch?«

      Galina nickte, tunkte die Feder ein und begann zu malen. Es geriet ihr ein wenig krakelig, aber alle Elemente waren vorhanden. Dann machte sie ein mühsames Geschäft daraus, das Siegel mit Arkanum aufzuladen. Yuriko pflückte ein Gänseblümchen und gab es ihr. Sie legte es auf das Siegel. Die Tintenlinien leuchteten auf, das Gänseblümchen erzitterte. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde es in den Endlosen Raum gezogen, doch dann wich jeglicher Saft aus der kleinen Pflanze, sie blieb schlaff und bräunlich verfärbt auf dem Siegel liegen.

      Galina ließ sich nach hinten umfallen und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht.

      »Mach dir nichts draus«, tröstete Yuriko. »Du musst dir dein Geld nicht als Zauberin verdienen. So hübsch, wie du bist, findest du bestimmt einen netten Mann.«

      »Darum geht’s doch nicht«, sagte Galina hinter ihren Händen. »Ich will die Zauberei beherrschen! Ich gehöre zu den Begabten, das sieht man doch!«

      »Du gehörst nicht nicht zu den Begabten«, sagte Yuriko vorsichtig. »Aber es ist schwer, die Zauberei zu erlernen, wenn man so wenig Arkanum kanalisieren kann wie du. Dir fehlt es schon an den Grundlagen.«

      »Dann bring mir bei, es zu kanalisieren. Für irgendetwas musst du doch gut sein.«

      »Ich habe im Land hinter den Mandelbäumen einige Meditationstechniken gelernt, die dir vielleicht helfen. Und ich könnte den Fokus weiterentwickeln. Verstärken.

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