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allein eine Tasse Kaffee bereitete. Wollte Ingeborg die ganze Familie unglücklich machen? Ihre Ehe war sicher nicht besser und nicht schlechter als Millionen andere auch. Nach zehn gemeinsamen Jahren mochte sich der Alltag eingeschlichen haben. Bertold war, zugegeben, weniger temperamentvoll als seine Frau. Er ging seiner Arbeit nach als Angestellter in einem Elektrogeschäft, und abends machte er es sich gern gemütlich zu Hause. Ingeborg hatte sich auch nie besonders beklagt, nur über seine »Pomadigkeit«, wie sie es nannte, hin und wieder eine spöttische Bemerkung gemacht.

      Aber sollte sie nicht dennoch zufrieden sein! Es gab keinen wirklichen Streit, keine tiefgreifenden Auseinandersetzungen, Bertold war dem Sohn ein liebevoller Vater.

      Mit einem Aufseufzer setzte sich Beate an das Manuskript, das sie zu einem bestimmten Termin dem Verlag abliefern wollte.

      War es am Ende doch besser, allein zu sein. Sie hatte wenigstens ihren Seelenfrieden. Wunden waren verheilt, und allein würde sie vermutlich auch bleiben, weil sie ihre einzige große Liebe nicht vergessen konnte. Aber die Erinnerung schmerzte nicht mehr. Sie hatte ihren Felix. Das war aller Dankbarkeit wert.

      *

      Dr. Clemens Fabrizius war Chirurg in der Rosenberg-Klinik. An diesem Tag hatte er vier Stunden operiert. Es war eine komplizierte Operation gewesen, die ihm und seinem Team höchste Konzentration abverlangte. Die Nervenanspannung ließ erst nach, als er nach Hause fuhr. Das gute Gefühl überwog, ein Leben gerettet zu haben.

      Es war erst halb fünf. Clemens freute sich auf die vor ihm liegenden Stunden mit Bianca und mit seinem Töchterchen. Familienleben wurde ja nicht gerade großgeschrieben bei ihnen. Um so kostbarer war es, wenn sie Zeit füreinander hatten.

      »Ihre Frau ist in ihrem Schlafzimmer, Herr Doktor«, sagte Frau Scholl, als er Bianca weder im Musikzimmer, noch im Wohnraum oder im Salon fand.

      Clemens ging hinauf. Sie hatten getrennte Schlafzimmer. Bianca hatte es von Anbeginn so gewollt, da sie eine sehr unregelmäßige Tageseinteilung hatte. Er hatte es akzeptiert, denn auch bei ihm wurde es manchmal spät, wenn etwas Unvorhergesehenes vorlag.

      Überrascht blieb er an der Schwelle stehen. An den breiten Schrankwänden standen die Türen offen, Biancas große Koffer waren zur Hälfte gepackt, über dem Bett lagen Abendkleider und Kostüme hingeworfen.

      »Ist es denn schon soweit?« fragte er betroffen. »Ich denke, die Tournée beginnt erst Ende nächster Woche.«

      »Ich brauche unbedingt noch ein paar neue Abendkleider, deshalb habe ich mich entschlossen, morgen schon nach Berlin zu fliegen«, sagte Bianca, ohne sich in ihrem Tun stören zu lassen.

      Clemens trat näher. Seine Augen hatten sich verdunkelt. »Ich dachte, wir würden uns einen schönen Abend machen. Dieses Wochenende sollte noch uns gehören«, sprach er vor sich hin.

      »Geht leider nicht, Clemens. Mir tut es ja auch leid.«

      »Tut es dir wirklich leid? Manchmal habe ich das Gefühl, daß dir alles andere wichtiger ist als ich, als unsere Sandra und als dieses Haus.«

      »Müssen wir wieder davon anfangen? Ich bin an meine Verträge gebunden, mein Lieber. Es gehört nun einmal dieses und jenes dazu. In diesen Fetzen da hat man mich schon gesehen, und für neue muß ich erst noch die passenden Acessoires auftreiben.«

      Geistesabwesend sah Clemens auf die schillernden »Fetzen«, von denen jedes einzelne mehr kostete als manch einer in wochenlanger Arbeit verdiente. Dann sah er auf seine Frau. Sie war ungeschminkt, das lange Haar hatte sie lose aufgesteckt, ein paar Strähnen fielen an ihren Wangen herab. Sie sah sehr jung aus in den schmalgeschnittenen Hosen und dem lose darüberfallenden Pulli mit den hochgeschoppten Ärmeln.

      Eine heftige Sehnsucht nach ihr überfiel ihn, sie jetzt in die Arme zu nehmen. Er umfaßte sie und preßte sie an sich, suchte ihren Mund. »Laß das alles jetzt«, raunte er.

      »Oh, du riechst nach Krankenhaus!« rief Bianca aus und wandte ihr Gesicht ab.

      Ernüchtert ließ er sie los. »Wieso bist du überhaupt schon da?« fragte sie.

      Clemens trat einen Schritt zurück. »Ich hatte einen harten Tag, und es lag weiter nichts vor«, antwortete er.

      »Na fein. Aber du siehst ja, was ich noch alles zu tun habe. Frau Scholl soll mir nachher noch helfen. Und dann«, ein Lächeln huschte um ihren Mund, ihre Stimme klang weicher, als sie hinzufügte: »Dann haben wir schon noch Zeit füreinander, Clemens.«

      Der Mann nickte und wandte sich zum Gehen. Schon an der Tür, fragte er: »Wo ist eigentlich Sandra? In ihrem Zimmer war sie nicht.«

      »Sie ist noch im Garten, mit so einem kleinen Jungen aus der Nachbarschaft, der manchmal kommt. Sie spielen zusammen.«

      Clemens überlegte, ob er zuerst duschen oder nach seiner Kleinen sehen sollte. Er entschied sich für letzteres. Sandra würde es nicht stören, wenn er noch Krankenhausgeruch mit sich trug.

      War das ein hübsches Bild, die beiden Kinder da dicht nebeneinander auf dem Rand des Sandplatzes hockend, seine Sandra mit dem leichtgelockten dunkelblonden Haar und der Junge mit dem ährenblonden Stoppelhaar. Sie schafften an einem turmartigen Gebilde aus Sand, das sie vor sich aufgebaut hatten. So vertieft waren sie, daß sie ihn nicht sogleich bemerkten.

      »Hallo«, lächelte Clemens. »Du mochtest doch gar nicht mehr im Sand spielen, Sandra.«

      »Papa. Papi!« Sie sprang auf. »Wir haben einen Schloßturm gebaut, guck nur mal, da sind Zinnsoldaten drauf, die bewachen den.«

      Ihr Vater sah auf die kleinen Figürchen. »Hoi, wo habt ihr die denn her?«

      »Der Felix ist rasch rübergelaufen und hat sie geholt«, berichtete Sandra eifrig. »Er wohnt nicht weit, nämlich da drüben. Und er meinte, die gehörten noch dahin.«

      Felix war auch aufgestanden, denn das gehörte sich wohl so. »Guten Tag«, sagte er. »Ich heiße Felix Herder.«

      »Guten Tag, mein Junge.« Clemens gab ihm die Hand. »Das ist aber nett, daß du Sandra Gesellschaft leistest.«

      »Er kennt ganz viele Geschichten, Papa, von Rittern und so –«

      »Sagen nennt man die«, warf Felix ein.

      »Die erzählt ihm seine Mama«, fuhr Sandra fort. »Die schreibt Bücher.«

      »Übersetzt Bücher«, verbesserte Felix seine kleine Freundin.

      »Aha. – Und, ist er jetzt fertig, euer schöner Burgturm?«

      »Ne, da links muß er noch befestigt werden.« Schon hockte sich Felix wieder nieder und griff zu der kleinen Schaufel.

      Sandra zögerte. »Ich mag aber jetzt nicht mehr, wenn mein Papa da ist.«

      »Ja, vielleicht macht ihr das besser erst morgen fertig«, meinte auch ihr Vater. »Es wird doch jetzt kühl, wenn die Sonne fort ist. Noch ist kein Sommer.«

      Felix blickte enttäuscht, aber er gehorchte. Er sammelte seine Zinnfiguren ein und steckte sie in die große Tasche seiner Latzhose. »Also dann, tschüs, Sandra. – Auf Wiedersehen, Herr Doktor.« Es klang ausgesucht höflich. Er wußte nämlich inzwischen, daß Sandras Vater ein Doktor war und Bäuche und Brustkörbe aufschnitt und wieder zunähte. Das imponierte ihm mächtig.

      »Auf Wiedersehen, Felix. Du kannst durch das Gartentor, das ist offen.«

      Sandra kicherte. »Er klettert immer über den Zaun!«

      »Hmhm.« Clemens schmunzelte. »Was so ein richtiger Junge ist, nicht?«

      Felix sah zu dem hochgewachsenen Mann auf, verschmitzt lachte er zurück. Und fixer denn je sprang er hinüber.

      Sandra sagte: »Ich muß mir noch den Sand abklopfen, und in den Schuhen hab ich auch welchen. Sonst macht Frau Scholl ein Gesicht, wenn ich so ins Haus komm.«

      Clemens half seinem Töchterchen, sich zu säubern. Wie rosig und belebt ihr oft so stilles Gesichtchen war! Er war ja schon immer der Meinung gewesen, daß sie mehr

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