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Schwel­le re­de­te er ihn im­mer noch mit »Herr Rit­ter« an.

      Jetzt be­gann die Ge­ne­ral­pro­be. Cäsar, sei­ne Frau und Cäsa­ri­ne ver­lie­ßen den La­den und be­tra­ten das Haus durch die Haus­tür. Die­se war groß­ar­tig er­neu­ert wor­den, mit zwei in glei­che qua­dra­ti­sche Fel­der ge­teil­ten Türflü­geln, in de­ren Mit­te eine ar­chi­tek­to­ni­sche Ver­zie­rung aus ge­stri­che­nem Guß­ei­sen an­ge­bracht war. Sol­che Tü­ren, die in Pa­ris in­zwi­schen so all­ge­mein ver­brei­tet sind, wa­ren da­mals eine sel­te­ne Neu­heit. Am Ende des Ves­ti­büls be­fand sich die Trep­pe, die aus zwei ge­ra­den Stie­gen be­stand, zwi­schen de­nen sich der So­ckel be­fand, der Bi­rot­teau so be­un­ru­higt hat­te, und der eine Art Loge bil­de­te, in der eine alte Por­tier­frau un­ter­ge­bracht wer­den konn­te. Das Ves­ti­bül mit ei­nem Fuß­bo­den von wei­ßen und schwar­zen Mar­mor­plat­ten und mit mar­mor­ar­tig ge­mal­ten Wän­den wur­de von ei­ner an­ti­ken vier­flam­mi­gen Lam­pe er­leuch­tet. Der Archi­tekt hat­te hier Ge­die­gen­heit mit Ein­fach­heit ver­ei­nigt. Ein schma­ler ro­ter Tep­pich­läu­fer ließ das Weiß der Trep­pen­stu­fen aus mit Bims­stein ge­glät­te­tem Sand­stein noch mehr her­vor­tre­ten. Auf dem ers­ten Trep­pen­ab­satz be­fand sich der Ein­gang zum Zwi­schen­ge­schoß. Die Ein­gangs­tür zur Woh­nung war ähn­lich wie die Haus­tür, aber in Holz­schnit­ze­rei ge­stal­tet.

      »Wie rei­zend!« sag­te Cäsa­ri­ne. »Und da­bei gibt es nichts, was sich auf­dräng­te.«

      »Ge­wiß, mein Fräu­lein; die reiz­vol­le Wir­kung be­ruht auf dem rich­ti­gen Ver­hält­nis zwi­schen Säu­len­ba­sis, Deck­plat­te, Ge­sims und Or­na­ment; au­ßer­dem habe ich nichts mit Gold über­zie­hen las­sen, die Far­ben sind ge­dämpft, nir­gends se­hen Sie schrei­en­de Töne.«

      »Das ist ja eine gan­ze Wis­sen­schaft«, sag­te Cäsa­ri­ne.

      15

      Sie tra­ten nun alle in das ge­schmack­vol­le, par­ket­tier­te, ge­räu­mi­ge, ein­fach aus­ge­stat­te­te Vor­zim­mer ein. Von hier ge­lang­te man in einen drei­fenst­ri­gen, nach der Stra­ße zu ge­le­ge­nen Sa­lon, in weiß und rot ge­hal­ten, mit fein ge­ar­bei­te­tem Ge­sims und zar­ter Ma­le­rei, in dem nichts un­ru­hig wirk­te. Auf dem wei­ßen, mit Säu­len ver­se­he­nen Mar­mor­ka­min stand eine sorg­sam aus­ge­wähl­te Gar­ni­tur, an der kei­ner­lei Ge­schmack­lo­sig­keit be­lei­dig­te, und die zu den üb­ri­gen De­tails gut paß­te. Über­all herrsch­te die ge­fäl­li­ge Har­mo­nie, die al­lein von Künst­ler­hand ge­schaf­fen wer­den kann, die die Ein­heit­lich­keit der Aus­stat­tung bis in die ge­rings­ten Ne­ben­din­ge durch­führ­te, und wo­von die Bour­geoi­sie kei­ne Ah­nung hat, die sie aber in Er­stau­nen setzt. Ein Kron­leuch­ter mit vier­und­zwan­zig Ker­zen ließ die rote Sei­de der Vor­hän­ge er­strah­len und das Par­kett hat­te ein so ein­la­den­des Aus­se­hen, daß Cäsa­ri­ne Lust be­kam, zu tan­zen. Ein grün und weiß ge­hal­te­nes Bou­doir führ­te in Cäsars Ar­beits­zim­mer. »Ich habe hier ein Bett un­ter­ge­bracht«, sag­te Grin­dot und öff­ne­te die Tür ei­nes Al­ko­vens, der ge­schickt hin­ter den bei­den Flü­geln der Biblio­thek ver­bor­gen war. »Sie oder Ihre Frau Ge­mah­lin kön­nen ein­mal krank sein, und dann hat je­der sein Schlaf­zim­mer für sich.«

      »Aber die­se Biblio­thek mit den ge­bun­de­nen Bü­chern! Ach, Frau­chen, Frau­chen!«

      »Nein, das ist Cäsa­ri­nes Über­ra­schung.«

      Cäsar um­arm­te sei­ne Toch­ter und sag­te da­bei zu dem Archi­tek­ten: »Ver­zei­hen Sie mir und hal­ten Sie das mei­ner vä­ter­li­chen Rüh­rung zu­gu­te.«

      »Aber ich bit­te Sie, ver­ehr­ter Herr!« sag­te Grin­dot. »Sie sind doch hier zu Hau­se.«

      In dem Ar­beits­zim­mer wa­ren brau­ne Töne vor­herr­schend, die durch grü­ne Ver­zie­run­gen ge­ho­ben wur­den, wie denn in äu­ßerst ge­schick­ter Wei­se eine har­mo­ni­sche Far­ben­ver­bin­dung zwi­schen den ein­zel­nen Zim­mern her­ge­stellt war. Die Grund­far­be ei­nes Rau­mes wur­de im nächs­ten für die Ver­zie­run­gen ver­wen­det und um­ge­kehrt. Der Stich »Hero und Le­an­der« schmück­te eine Wand in Cäsars Zim­mer.

      »Du sollst das al­les be­zah­len«, sag­te Bi­rot­teau lus­tig.

      »Die­sen schö­nen Stich schenkt dir Herr An­selm«, sag­te Cäsa­ri­ne.

      Auch An­selm hat­te sich sei­ne Über­ra­schung nicht neh­men las­sen.

      »Das gute Kind; er hat es mit mir so ge­macht, wie ich mit Herrn Vau­que­lin.«

      Da­hin­ter be­fand sich Frau Bi­rot­te­aus Zim­mer. Hier hat­te der Archi­tekt einen Reich­tum ent­fal­tet, wie er die­sen gu­ten Leu­ten, die er für sich ge­win­nen woll­te, ge­fal­len muß­te; er hat­te sein Wort ge­hal­ten, daß er die­se »Re­stau­rie­rung« stu­die­ren wol­le. Das Zim­mer war mit blau­er Sei­de mit wei­ßen Ver­zie­run­gen aus­ge­schla­gen, die Mö­bel mit weißem, blau ab­ge­setz­ten Kasch­mir be­zo­gen. Auf dem wei­ßen Mar­mor­ka­min zeig­te die Uhr eine auf ei­nem schö­nen Mar­mor­block sit­zen­de Ve­nus; ein hüb­scher Mo­quet­te-Tep­pich in tür­ki­schem Mus­ter ver­band das Zim­mer mit dem Cäsa­ri­nes, das mit dun­kelblau­em Stoff aus­ge­schla­gen und äu­ßerst zier­lich ge­hal­ten war; es ent­hielt ein Kla­vier, einen hüb­schen Spie­gel­schrank, ein klei­nes be­schei­de­nes Bett mit ein­fa­chen Vor­hän­gen und alle die klei­nen Mö­bel­stücke, die die jun­gen Mäd­chen lie­ben. Das Spei­se­zim­mer lag hin­ter den Zim­mern Bi­rot­te­aus und sei­ner Frau und war im Stil Louis XIV. ein­ge­rich­tet, mit ei­ner Boul­le-Stand­uhr, Bü­fetts mit Kup­fer- und Schild­patt-Ein­la­gen und ei­ner Wand­be­klei­dung von Stoff mit ver­gol­de­ten Nä­geln. Die Freu­de der drei Fa­mi­li­en­mit­glie­der war nicht zu be­schrei­ben, be­son­ders als Frau Bi­rot­teau in ihr Zim­mer zu­rück­kam und hier auf ih­rem Bett das kirsch­ro­te Sam­met­kleid mit Spit­zen, das Ge­schenk ih­res Man­nes, er­blick­te, das Vir­gi­nie in­zwi­schen, auf den Ze­hen schlei­chend, her­ein­ge­bracht hat­te.

      »Die­se Woh­nung wird Ih­nen viel Ehre ein­tra­gen«, sag­te Kon­stan­ze zu Grin­dot. »Wir wer­den mor­gen abend über hun­dert Per­so­nen bei uns se­hen und Sie wer­den die Lob­sprü­che der gan­zen Ge­sell­schaft ent­ge­gen­neh­men kön­nen.«

      »Ich wer­de Sie wei­ter emp­feh­len«, sag­te Cäsar. »Sie wer­den die Crê­me der Kauf­mann­schaft hier se­hen und an die­sem einen Abend be­kann­ter wer­den, als wenn Sie zehn Häu­ser ge­baut hät­ten.«

      Kon­stan­ze war tief be­wegt und dach­te nicht mehr an die Kos­ten, noch auch dar­an, ih­ren Mann zu kri­ti­sie­ren. Und zwar aus fol­gen­dem Grun­de: Am Mor­gen, als An­selm Po­pi­not, den Kon­stan­ze für sehr in­tel­li­gent und be­fä­higt hielt, das Bild von Hero und Le­an­der brach­te, hat­te er den Er­folg des Hui­le Cé­pha­li­que, an dem er mit bei­spiel­lo­sem Ei­fer ar­bei­te­te, für ge­si­chert be­zeich­net. Der Ver­lieb­te hat­te er­klärt, daß die Kos­ten der Aus­ga­ben Bi­rot­te­aus für die Be­frie­di­gung sei­ner ehr­gei­zi­gen An­sprü­che, wie hoch sie sich auch be­lie­fen, in sechs Mo­na­ten durch sei­nen Ge­winnan­teil an dem Öl wie­der ein­ge­bracht sein wür­den. Nach­dem sie neun­zehn Jah­re aus der Angst nicht her­aus­ge­kom­men war, war es für sie ein so sü­ßes Ge­fühl, sich ein­mal an ei­nem ein­zi­gen Tage ganz der Freu­de hin­ge­ben zu kön­nen, daß Kon­stan­ze

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