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wurden feucht. Ihre Seele zitterte unter einer heiligen Regung, und sie bat mit leiser Stimme:

      »Seht mich einmal an, Señor! Erhebt Euer Angesicht zu mir!«

      Er gehorchte. Da senkte sie ihren Kopf, gab ihm einen Kuß auf die Stirn und einen zweiten auf den Mund und fuhr fort:

      »Ich habe noch niemals einen Mann geküßt. Denkt, Gott habe Euch diese Küsse gesandt, zum Zeichen, daß er versöhnt sei und Euch vergeben habe! Laßt Euer Leben nicht mehr so trübe und so dunkel sein und faßt Glauben und eine feste, freudige Zuversicht zum Himmel, der mein Gebet erhören und Euch begnadigen wird! Gute Nacht!«

      Gerard hatte ihr zugehört, wie man einem Engel zuhört.

      »Gute Nacht«, erwiderte er in tiefster Bewegung.

      Mehr konnte er nicht hervorbringen. Er neigte noch einmal sein Gesicht hinab zu den weichen Händen, nahm den Kapitän vom Boden auf, um mit ihm das Zimmer zu verlassen und ihn nach der Gaststube zu tragen, wo das Licht noch brannte, und ging dann wieder hinauf, um den geliehenen Drücker an seine Stelle zu bringen.

      Als er zu dem Besinnungslosen zurückkehrte, band er diesem die Arme und Beine fest zusammen, schlang sich den Lasso vom Leib und ließ jenen damit durchs Fenster ins Freie hinab; worauf er selbst folgte.

      Nun ging er nach dem Stall, und obwohl kein Licht darin brannte, gelang es ihm doch, das Pferd des Kapitäns zu finden und auch den Sattel, den er dem Tier auflegte. Er zog es heraus und band den Gefesselten darauf. Dann holte er ein ungesatteltes Pferd für sich, schwang sich nach echter Vaqueroart hinauf und ritt, das andere Tier an der Leine führend, erst langsam und später in gestrecktem Galopp davon.

      Gerard hatte keine Zeit zu verlieren, denn er mußte in fünf Tagen wieder zurück sein. Daß er ein Pferd für sich genommen hatte, war keineswegs ein Diebstahl. Wo die Pferde frei herumlaufen, darf man das erste beste sich einfangen, wenn man es nur wieder frei gibt, damit es zurückkehren kann. Ein jeder Besitzer erkennt seine Tiere an dem eingebrannten Zeichen.

      Gerard setzte über den Puercos-Fluß und jagte weiter durch Täler, über Berge und Prärien immer nach Südwesten hin. Dem Kapitän war jedenfalls schon längst die Besinnung zurückgekehrt, doch zog er es vor, sich schweigsam zu verhalten und keinen Laut von sich zu geben.

      Während dieses Parforcerittes ging Gerard mit sich über das Schicksal seines Gefangenen zu Rate. Ihm selbst war heute so viel Gnade und Vergebung zuteil geworden, daß er sein Herz zur Milde gestimmt fühlte; aber die Klugheit und das Gerechtigkeitsgefühl geboten ihm das Gegenteil.

      Noch während des nächtlichen Dunkels bemerkte er, daß der Kapitän auch ohne seine Fesseln fest im Sattel saß und den Schenkeldruck ausübte, er mußte sich also wieder ganz wohl befinden. Und als der Tag zu grauen begann, da sah er, daß der Gefangene die Augen offenhielt und wohlgemut in die Ferne blickte.

      Jetzt sprang Gerard vom Pferd und band den anderen los, ohne ihm jedoch die Fesseln abzunehmen. Dies löste das bisher beobachtete Schweigen.

      »Ihr habt bisher Theater mit mir gespielt, Señor«, begann der Kapitän. »Ich hoffe, daß Ihr mich nun endlich freigeben werdet.« – »Täuscht Euch nicht!« lautete die Antwort. »Ich halte nur an, um über Euch zu Gericht zu sitzen.« – »Pah!« lachte der andere. »Macht keinen dummen Spaß!« – »Ich meine es sogar sehr ernst. Ich werde Euch die Beine losbinden, damit Ihr wenigstens sitzen könnt. So, und nun mag es beginnen.« – »Na, wenn es Euch gefällt, so spielt Eure Rolle weiter!« – »Das werde ich sicher. Ich mache Euch jedoch darauf aufmerksam, daß ich nur fünf Minuten für Euch übrig habe.« – »Das ist mir lieb«, lachte der Offizier. – »Und daß Ihr dann eine Leiche sein werdet.« – »Papperlapapp!« – »Scherzt Euch immerhin in den Tod hinein, ich habe nichts dagegen. Doch sagt mir zunächst, ob Ihr mich kennt!« – »Nein, ich habe nicht die Ehre!« – »Nun, so erlaubt, daß ich mich vorstelle! Man nennt mich den Schwarzen Gerard.«

      Als der Gefangene diesen Namen hörte, erbleichte er. Der Kläger aber fuhr fort:

      »Wenn ein Gefangener in die Hände der Franzosen fällt, wird er ohne Barmherzigkeit erschossen, obgleich Präsident Juarez Eure Kameraden, die er gefangennimmt, gütig behandelt hat. Ich gehöre zu Juarez, und Ihr seid mein Gefangener. Was wartet also Eurer? Der Tod!« – »Señor! Ich bin Offizier!« brauste der Kapitän auf. – »Ihr habt Euch nicht als Offizier betragen, werdet also auch nicht als solcher behandelt. Weiter, der zweite Anklagepunkt: Das Auge, das die Reize von Señorita Resedilla gesehen hat, darf nichts mehr sehen. Also: Tod!« – »Wer gibt diese Gesetze? Ihr seid ein Teufel!« – »Das mag Gott entscheiden. Ferner: Ihr seid als Spion zu den Komantschen gegangen, um sechshundert Krieger zu holen – also: Tod!«

      Der Gefangene erbleichte. Er widersprach nicht. Gerard fuhr fort:

      »Ihr wolltet in fünf Tagen mit Eurer Kompanie das Fort Guadeloupe überfallen, also: Tod! Diese Gründe sind genug; die anderen, die ich noch habe, will ich fallenlassen. Habt Ihr an jemand etwas auszurichten?«

      Gerard griff zu seiner Büchse, und nun erst sah der Gefangene ein, daß es vollständig ernst sei mit dem Urteilsspruch.

      »Ihr werdet mich doch nicht töten!« rief er. – »Ich werde unerbittlich sein! Ihr habt meine letzte Frage nicht beantwortet. Ich habe keine Zeit mehr. Betet ein letztes, lautes Vaterunser!« – »Wenn du mich tötest, so bist du nicht ein Richter, sondern mein Mörder!« – »Pah! Ein jeder Franzose, der sich jetzt in Mexiko befindet, ist ein Mörder!« – »Wer gibt dir das Recht, mich zu töten?« – »Das Präriegesetz. Du vergißt, auf welchem Boden wir uns befinden. Du hast gestern die Waffe nach mir gezückt; dein Leben ist also mein Eigentum, auch ohne die Gründe, die ich vorhin nannte. Bete!« – »Ich mag nicht«, erwiderte der Kapitän trotzig. »Du wirst es nicht wagen, mir das Leben zu nehmen.« – »Du wirst sofort das Gegenteil erfahren. Da du nicht beten willst, so mag Gott deiner armen Seele gnädig sein. Eins – zwei – drei!«

      Bei »drei« krachte der Schuß; die Kugel fuhr dem Gefangenen mitten durch die Stirn; er, der gestern noch so lebenslustig war, sank als Leiche nieder.

      Jetzt untersuchte Gerard die Kleider des Toten. Er fand weder eine Brieftasche, noch sonst Geschriebenes, wohl aber Uhr, Börse und Ringe; das alles ließ er stecken. Nun betete er ein stilles Vaterunser, gab das Pferd des Toten frei, sprang auf das seinige und brauste davon. Sein Gewissen machte ihm nicht den geringsten Vorwurf.

      Dieser einstige Schmied war im Laufe der Jahre ein ausgezeichneter Präriemann geworden. Er saß auf seinem Pferd bis gegen Mittag, dann fing er sich von der ersten besten Herde, an der er vorüberkam, ein anderes ein. Und so ging es immer im Galopp fort, bis er am nächsten Tag, kurz vor Anbruch des Abends, Chihuahua vor sich liegen sah.

      Er durfte sich weder bei Tag in die Stadt wagen, noch des Abends offen durch die ausgestellten Posten gehen, sondern mußte sich mit Lebensgefahr einschleichen. Darum band er sein Pferd im Wald fest und wartete die Dunkelheit ab. Dann näherte er sich der Stadt, in welcher er jedes Haus und jeden Schlich kannte.

      5. Kapitel.

      Nur einem solchen Mann wie Gerard konnte es gelingen, durch die Postenketten und über die aufgeworfenen Befestigungen hinwegzugelangen. Bald fand er sich an einer Reihe von Gärten, die ihm alle bekannt waren, voltigierte vorsichtig über den Zaun eines derselben, duckte sich zur Erde nieder und stieß dreimal den Ruf des schwarzköpfigen Geiers aus, wenn er aus dem Schlaf erwacht. Dieses Zeichen schien nicht gehört worden zu sein, denn er mußte es wiederholen, ehe er ein Pförtchen gehen hörte und eine dunkle Frauengestalt langsam herbeikam, um in kurzer Entfernung stehenzubleiben und mit unterdrückter Stimme zu fragen:

      »Wer ist da?« – »Mexiko«, antwortete er. – »Und wer kommt?« – »Juarez.« – »So warte ein wenig.«

      Nach diesen Worten entfernte sich die Gestalt und kehrte erst nach Verlauf von wohl einer Viertelstunde zurück. Jetzt aber kam sie ganz zu Gerard heran und sagte:

      »Hier ist das

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