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herumzutappen.«

      »Kannst du wirklich hassen, Anne?« fragte Isabel, doch da kam Dr. Cornelius schon mit einem Aktenordner unter dem Arm, zurück.

      »Wenn meine Anne nicht solche Ordnung halten würde« sagte er mit einem Augenzwinkern. »Kann ich eine Tasse Tee haben?«

      »Zehn«, erwiderte Anne lächelnd.

      »Soviel werde ich nicht brauchen, wenn es auch eine lange Geschichte ist.« Er legte seine Hand auf den Ordner und seufzte.

      »Poldi brachte damals Prozeßunterlagen mit. Über viele Jahre war er nicht fertiggeworden mit all den Zweifeln und Widersprüchen. Noch lange, nachdem diese Frau verurteilt war, hat er sich immer wieder damit befaßt.«

      Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen.

      »Der Prozeß war schon ins Endstadium getreten, als Poldis Vater starb und er die Verteidigung weiterführen mußte. Sein Vater hatte sich von dieser Frau betören lassen und plädierte auf Notwehr. Poldi aber gelangte zu der Überzeugung, daß diese Frau Reginald von Bergen kaltblütig getötet hatte und die Tat seinem Sohn in die Schuhe schieben wollte, da dieser ihretwegen eine furchtbare Auseinandersetzung mit seinem Vater gehabt hatte. Sie war jedoch von dem Mädchen Alicia mit der Waffe in der Hand überrascht worden. Das Mädchen schien durch den Schock die Stimme verloren zu haben.«

      Er blickte auf und fuhr sich über die Augen. Als Anne ein gedehntes »Oh!« ausrief, fuhr er fort: »Ich hatte so eine Ahnung, daß Alice und jene Alicia identisch sein könnten. Poldi hat es mir bestätigt.«

      »Und warum war er von der Schuld jener Frau überzeugt?« fragte Isabel.

      »Er ging den Fall objektiv an. Er hatte sich von dieser Frau nicht betören lassen. In den Augen seines Vaters war der Ermordete der eigentlich Schuldige, und vielleicht traf das auch in gewissem Sinn zu. Er hatte seine Frau betrogen, nicht nur einmal, und sie hatte sich mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen, angeblich, weil sie an einer unheilbaren Krankheit litt. Das konnte nicht widerlegt werden, da sie vor einer schweren Operation stand. Nun wollte seine Geliebte geheiratet werden, aber von Bergen kam dahinter, daß sie ein Verhältnis mit seinem Sohn angefangen hatte, und er wies sie aus dem Haus. So kam es zu dem Drama. Da der jüngere Reginald von seinem Vater abhängig war, konnte sie bei ihm nichts holen. Er hat sie wohl auch fallen lassen. Nun, wie dem auch gewesen sein mag, es muß dann auch zwischen den Geschwistern etwas vorgefallen sein. Alicia kam in ein Internat, Reginald von Bergen machte vorübergehend als Schauspieler Rex Borg von sich reden. Er mußte sich mit dem Pflichtanteil aus dem recht ansehnlichen Erbe begnügen, da sein Vater Alicia als Haupterbin eingesetzt hatte. Jedenfalls traten beide nicht mehr unter dem Namen ›von Bergen‹ in Erscheinung, und wir wissen, daß es nie zu einer Versöhnung zwischen den Geschwistern kam.«

      »Und um die Tragödie komplett zu machen, scheint auch Hedi diesen Rex Borg gekannt zu haben«, sagte Isabel. »Vielleicht bringt der letzte Akt die Aufklärung.«

      »Fee und Daniel Norden erwarten heute abend Rolf Hanson«, sagte Anne leise. »Ich sollte sie anrufen und ihr sagen, daß wir wohl einiges mehr wissen, als er zur Aufklärung beitragen kann.«

      »Was nicht gesagt ist«, meinte Hannes Cornelius. »Warten wir doch ab, was er weiß. Es könnte das Bild abrunden.«

      »Ich glaube eher, daß nur Alice und vielleicht auch Hedi bestimmte Tatsachen kennen«, sagte Isabel nachdenklich, »und es fragt sich, ob sie diese preisgeben wollen.«

      »Wenn nicht, werden sie von ihren Ängsten nie befreit werden«, erklärte Dr. Cornelius ruhig. »Allein der Name Rex versetzt sie in Panik.«

      Isabel versank in Schweigen und überlegte angestrengt. »Bei Hedi scheint das jedenfalls erst so zu sein, seit ich sagte, daß Rex Borg Alices Bruder ist.«

      »Eins ist jedenfalls klar«, betonte Anne, »diese beiden Frauen lernten sich erst jetzt kennen. Sie sind einander früher nie begegnet. Dabei spielte wieder einmal der Zufall eine Rolle.«

      »Der Zufall und die Zeit sind die größten Tyrannen«, sagte Dr. Cornelius nachdenklich. »Letztendlich nennen wir es Schicksal.« Er erhob sich. »Ich werde mich jetzt um die Patientinnen kümmern.«

      *

      Dr. Jürgen Schoeller hatte Alice beobachtet, die immer noch im Tiefschlaf lag. Doch zur Überraschung von Dr. Cornelius fand er Poldi an Hedis Bett vor. Poldi legte den Zeigefinger auf seine Lippen, denn Hedi rührte sich. Sie stöhnte leise, und ihre Augenlider begannen zu flattern.

      Poldi erhob sich leise und überließ Hannes seinen Platz. Hedi kam jetzt schnell zu sich. Ängstlich blickte sie den Arzt an.

      »Was ist denn nur mit mir los?« murmelte sie.

      »Das fragen wir uns auch«, erwiderte Hannes. »Sie brauchen doch keine Angst zu haben, Hedi. Niemand tut Ihnen etwas. Wir hätten nicht zulassen sollen, daß Sie sich soviel mit Alices Schicksal befassen. Mein Schwiegersohn wird mir Vorwürfe machen.«

      »Es mußte wohl so sein, es mußte einmal so kommen«, flüsterte Hedi. »Und nun wissen Sie auch, warum ich nicht, will, daß Simone in diesen Teufelskreis gerät.«

      »Nein, das weiß ich noch nicht«, sagte Dr. Cornelius.

      »Rex Borg ist Simones Vater«, stöhnte Hedi verzweifelt. »Sie darf es nie erfahren, niemals. Ich habe ihr eine Geschichte erzählt, die nicht der Wahrheit entspricht.« Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie…

      »Ganz ruhig sein, Hedi«, sagte Hannes.

      Ihr Blick irrte ab und traf Dr. Rassow, der wie gebannt an der Tür stand und sie voller Mitgefühl anschaute.

      »Poldi kann dir eine ganze Menge über Rex Borg und Alice erzählen«, sagte Dr. Cornelius spontan.

      »Wieso er?« stammelte sie.

      »Ich werde es Ihnen gern erklären, Hedi«, sagte Poldi leise.

      »Ich habe nie gedacht, daß ich jemals etwas über ihn erfahren würde«, flüsterte sie. »Ich möchte aufstehen.«

      »Ja, es ist wohl besser, wenn ihr an die frische Luft geht«, sagte Dr. Cornelius aufmunternd.

      »Ich warte draußen«, sagte Poldi.

      Hedi erhob sich rasch. Sie ließ kaltes Wasser über ihr Gesicht und ihre Hände laufen und fühlte sich etwas wohler. Ein blasses, zerrissenes Gesicht blickte ihr aus dem Spiegel entgegen.

      Nun denn, dachte sie, auch das muß ich hinter mich bringen. Und als sie dann hinausging und Poldi ihre Hand ergriff, erschien ihr plötzlich alles nicht mehr so schlimm. Die Dämmerung sank herab. Milde Luft trieb wieder das Blut in ihre blassen Wangen, oder war das doch Poldis Nähe zuzuschreiben, die ihr das Gefühl einer nie gekannten Geborgenheit eingab. Ein Fremder war er ihr doch, und dennoch so vertraut. Er legte seinen Arm um ihre Schultern. »Geteiltes Leid ist halbes Leid, Hedi«, sagte er leise, und dann begann er zu erzählen.

      *

      Zu dieser Zeit traf Rolf Hanson bei den Nordens ein, abgehetzt und verstört sah er aus.

      »Geht es Alice schlechter?« fragte er erregt. »Ist bekannt geworden, daß sie auf der Insel ist?«

      »Haben Sie Grund zu dieser Annahme?« fragte Dr. Norden.

      »Ich hege gewisse Befürchtungen.«

      »Hat Rex Borg damit zu tun?« fragte Daniel.

      Rolf Hanson starrte ihn an. »Daran habe ich nicht gedacht«, sagte er tonlos. »Rex Borg?«

      »Alice hat Angst vor ihm, vor ihrem Bruder. Können Sie uns etwas mehr erzählen, Herr Hanson? Man kann ihr wirklich nur helfen, wenn man ihr diese Angst nimmt.«

      »Ich bin ihm persönlich nie begegnet. Ich weiß nicht, ob er überhaupt noch lebt. Mir bereitet ein Mann Sorge, der sich von Bergen nennt und hinter Simone her ist, damit aber anscheinend auch hinter Alice. Er ist wohl durch die Ähnlichkeit der Stimmen auf Simone aufmerksam geworden. Was er eigentlich bezweckt, weiß ich allerdings

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