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sei ein genialer Musiker, ein unübertroffener Kontrapunktist, und er habe eine außergewöhnliche Fuge, eine vierstimmige Fuge komponiert.

      Da wir nicht so recht wußten, was das war, fragten wir ihn eines Tages danach.

      »Eine Fuge«, antwortete er und hob seinen Kopf, der die Form einer Baßgeige hatte.

      »Ist es ein Musikstück?« fragte ich.

      »Ein Stück erhabener Musik, mein Kind.«

      »Wir möchten es gerne hören«, rief ein kleiner Italiener namens Farina, der eine hübsche Altstimme besaß, die hinaufstieg … und hinaufstieg … bis zum Himmel.

      »Ja«, fügte der kleine Deutsche Albert Hockt hinzu, dessen Stimme hinabstieg … und hinabstieg … bis auf den Grund der Erde.

      »Bitte, Herr Eglisack …!« wiederholten die anderen kleinen Knaben und Mädchen.

      »Nein, Kinder. Ihr werdet meine Fuge erst kennenlernen, wenn sie vollendet ist …«

      »Und wann wird das sein?« fragte ich.

      »Nie.«

      Wir blickten uns an, und er lächelte hintergründig.

      »Eine Fuge ist nie vollendet«, sagte er zu uns. »Man kann immer neue Stimmen hinzufügen.«

      Also bekommen wir die berühmte Fuge des weltlichen Eglisack nie zu Gehör; aber er hatte den Hymnus zu Ehren des heiligen Johannes für uns in Musik umgesetzt, ihr wißt ja, jenen Psalm, dessen Anfangssilben Guido d'Arezzo zur italienischen Bezeichnung der Töne verwendete:

      Ut (Do) queant laxis

      Resonare fibris

      Mira gestorum

      Famuli tuorum,

      Solve polluti,

      Labii reatum,

      Sancte Joannes.

      Das Si existierte zur Zeit von Guido d'Arezzo noch nicht. Erst im Jahr 1026 ergänzte ein gewisser Guido die Tonleiter, indem er den siebten Ton hinzufügte, und nach meiner Meinung hat er gut daran getan.

      Wirklich, wenn wir diesen Hymnus sangen, waren die Leute von weither gekommen, nur um ihn zu hören. Was aber die Bedeutung dieser merkwürdigen Worte anbelangt, so kannte sie an der Schule niemand, nicht einmal Herr Walrügis. Man nahm an, es handle sich um Latein, aber das war nicht so sicher. Immerhin soll dieser Psalm am Tag des Jüngsten Gerichts gesungen werden, und sehr wahrscheinlich wird der Heilige Geist, der alle Sprachen kennt, ihn in das Idiom des Paradieses übersetzen.

      Und trotzdem galt Herr Eglisack als ein großer Komponist. Unglücklicherweise litt er jedoch an einem sehr bedauernswerten Gebrechen, das die Tendenz hatte, sich zu verschlimmern: er wurde im Alter schwerhörig. Wir bemerkten es, aber er wollte es nicht zugeben. Übrigens schrien wir, wenn wir mit ihm sprachen, um ihm keinen Kummer zu bereiten, und es gelang uns, sein Trommelfell mit unseren Falsettstimmen in Schwingung zu versetzen. Aber die Stunde seiner völligen Taubheit nahte.

      Es geschah an einem Sonntag, nach der Vesper. Der letzte Psalm der Komplet war soeben beendet, und Eglisack gab sich auf der Orgel den Launen seiner Phantasie hin. Er spielte, er spielte, und das wollte nicht mehr aufhören. Man wagte die Kirche nicht zu verlassen aus Furcht, ihn in Verlegenheit zu bringen. Aber da setzte der Balgtreter aus, ihn hatten die Kräfte verlassen. Der Orgel geht die Luft aus … Eglisack hat es nicht bemerkt. Seine Finger schlagen die Akkorde an, breiten die Arpeggien aus. Kein einziger Ton kommt heraus, und doch hört er sich immer noch in seiner Künstlerseele … Man hat begriffen: er ist vom Unglück getroffen worden. Niemand wagt es ihm zu sagen, obwohl der Balgtreter die enge Treppe von der Empore herabgestiegen ist …

      Eglisack hörte nicht zu spielen auf. Und den ganzen Abend ging es so weiter, auch die ganze Nacht hindurch, und noch am nächsten Tag bewegte er seine Finger auf der stummen Tastatur. Man mußte ihn wegschleppen … Der Arme wurde sich endlich bewußt, daß er taub war. Aber das hinderte ihn nicht daran, seine Fuge zu vollenden. Er würde sie nie hören, das war alles.

      Seit jenem Tage spielte in der Kirche von Kalfermatt die große Orgel nicht mehr.

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