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rede dir nichts ein. Der Name ist mir unbekannt.«

      »Das sieht dir ähnlich. Du bist eben ein unmusischer Mensch. Hast du den Film ›Helfer des Todes‹ nicht gesehen?«

      »Nein.«

      »René Renard spielte die Hauptrolle darin. Es war ein einmaliger Film. René Renard war ganz großartig. Er verkörperte einen wahnsinnigen Psychoanalytiker, der seine Patientinnen, eine nach der anderen in den Selbstmord treibt, da sie ihm für die Anforderungen des Lebens zu schade vorkommen. Du musst doch diesen Film auch gesehen haben.«

      »Nein, das habe ich nicht. Und ich glaube kaum, dass ich da etwas versäumt habe.«

      »Möglich. Für dich mit deinen spießbürgerlichen Anwandlungen wä­re der Film zu schade gewesen. Aber mir hat er gefallen. Ich war begeistert. Schon allein René Renards Maske war einmalig. Doch die Art, wie er sich in die Rolle hineinlebte, war unüberbietbar. Er wirkte so überzeugend und lebensecht.«

      »Und mit diesem Menschen warst du auf einer Jacht, ohne dich zu fürchten?«

      »Sei nicht lächerlich. Ich war nicht nur gestern und heute mit ihm beisammen, sondern habe vor, mit ihm nach Frankreich zu fahren, um dort Probeaufnahmen zu machen.«

      Otmar erstarrte. »Das kann nicht dein Ernst sein.«

      »Warum nicht? Jahrelang habe ich auf eine derartige Chance gewartet.«

      »Willst du mich hier sitzenlassen?«

      »Wieso?« Dein Urlaub nähert sich doch sowieso dem Ende«, erwiderte Lauretta kühl.

      »Ich meine nicht nur den Urlaub. Wenn du wirklich mit diesem Franzosen wegfährst, ist zwischen uns alles aus.«

      »Was soll diese Drohung? Ich bin dir nichts schuldig. Im Gegenteil, es war für dich sehr angenehm, zu Hause eine treusorgende Gattin zu besitzen und außerdem zur Abwechslung noch eine Freundin zu haben.«

      »Lauretta, bitte, sei vernünftig. Ich denke nicht nur an mich. Glaubst du denn wirklich, dass aus dir eine Schauspielerin werden kann?«

      »Ich kann es zumindest versuchen.«

      »Und was wird aus Anselm? Wer kümmert sich um dein Geschäft?«

      »Anselm ist bei Mama gut aufgehoben. Er wird mich kaum vermissen. Das Geschäft führt Frau Kaufmann. Sie ist sehr tüchtig. Ich kann mich auf sie verlassen.«

      »Wie soll ich Anselm und deiner Mutter beibringen, dass du noch nicht zurückkommst?«

      »Das lass meine Sorge sein. Ich werde Mama schreiben. Außerdem habe ich für meine Rückkehr kein genaues Datum angegeben.«

      Otmar schwieg eine Weile. Diese Antwort musste er erst verdauen. »Dann hast du von allem Anfang an vorgehabt, dich an diesen René Renard heranzumachen«, sagte er schließlich.

      »O nein. Wie kommst du auf diese Idee? Ich konnte doch nicht wissen, dass er ausgerechnet hier seinen Urlaub verbringen würde.« Lauretta bemühte sich um einen überzeugenden Tonfall, konnte aber nicht verhindern, dass sie rot wurde.

      »Wenn dieser Schauspieler eine solche Berühmtheit ist, kannst du ohne weiteres aus irgendeiner Zeitung von seinem Urlaubsaufenthalt erfahren haben.«

      »Ach, Schnuck! Erinnere dich doch, wir haben schon vor Monaten davon gesprochen, in diesem Jahr nach Tunesien zu fliegen.«

      »Dann hast du es eben schon vor Monaten gelesen.«

      »Nein. Erst vor vierzehn Tagen.«

      »Aha. Also hatte ich doch recht. Glaubst du, ich hätte vergessen, wie du dich damals in München an diesen Theaterregisseur herangemacht hast? Und wie du gejammert hast, als deine Bemühungen vergeblich waren?«

      »Vergiss diese alten Geschichten. Diesmal war es ganz anders. Es war reiner Zufall, dass ich ihm am Strand begegnet bin. Und im Übrigen brauche ich mich vor dir nicht zu rechtfertigen.«

      »Wie du meinst«, entgegnete er müde und resigniert. »Wenn du meine Warnungen in den Wind schlägst …«

      »Das tue ich«, rief sie. »Du willst mir den Erfolg nicht gönnen. Mama ist die einzige, die an mich glaubt.« Lauretta überlegte und fuhr dann fort: »Erzähle ihr nichts von meinem Vorhaben. Ich will sie überraschen. Ich bin überzeugt, dass die Probeaufnahmen gut ausfallen werden und dass ich einen Filmvertrag bekommen werde.«

      *

      So kam es, dass sich Anselm schon geraume Zeit in Sophienlust aufhielt, während von seiner Mutter noch immer keine Nachricht eingetroffen war. Er hatte sich inzwischen gut eingewöhnt und bald Anschluss an die anderen Kinder gefunden. Besonders gern spielte er mit der kleinen Heidi. Das Mädchen war zwar ein Jahr jünger als er, aber munter und aufgeweckt, und da Anselm eher schüchtern war, ergänzten sich die beiden. Die übrigen Kinder waren alle älter. Trotzdem bemühten sie sich, die beiden Jüngsten in ihre Spiele mit einzubeziehen.

      Die Hitzewelle hatte sich vor kurzem in einem starken Gewitter entladen. Seitdem war das Wetter unbeständig. Es war zwar warm, aber der Himmel war meistens mit Wolken bedeckt, sodass man nicht sicher sein konnte, ob es nicht plötzlich zu regnen beginnen würde. An größere Ausflüge war nicht zu denken.

      An einem solchen Tag erinnerte sich Henrik, Denise von Schoeneckers jüngster Sohn, an eines seiner Lieblingsspiele vom vergangenen Sommer. »Wie wäre es, wenn wir wieder einmal Indianer spielen würden«, schlug er vor.

      »Ja, fein!« Fabian war von der Idee begeistert.

      Die Mädchen hingegen hielten nicht viel davon. »Da können wir wieder stundenlang am Lagerfeuer sitzen und Kartoffeln braten. Und zum Dank dafür bindet ihr uns dann an den Marterpfahl.«

      »Ihr müsst eben die Kartoffeln ordentlich in Alufolie einwickeln, damit sie nicht verkohlen.«

      »Aha. Vermutlich so, wie es die echten Indianer getan haben?«

      »Ich weiß, dass die echten Indianer keine Alufolien hatten, aber so genau muss man es nicht nehmen. Wir haben euch schließlich auch nicht echt gemartert, oder?«

      »Nein. Ihr habt uns nur so fest angebunden, dass wir keine Hand frei hatten, um die Stechmücken, die uns in Scharen umschwärmt haben, abzuwehren. Ihr seid auf die Jagd gegangen, und als ihr endlich zurückgekommen seid, waren wir von Kopf bis Fuß zerstochen.«

      »An die Stechmücken haben wir nicht gedacht. In diesem Jahr wissen wir es und können aufpassen. Was ist, Nick, machst du auch mit?«

      Der fünfzehnjährige Dominik kam sich zwar für Indianerspiele schon etwas zu erwachsen vor, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen. »Ich muss wohl«, sagte er, »sonst stellt ihr wieder irgendeinen Unsinn dabei an.«

      »Wie wollen wir heißen?«, fragte Henrik und beantwortete seine Frage gleich selbst. »Heidi kann diesmal Silberschlange sein, ich bin der Große Häuptling …«

      Unerwarteterweise erhob der sonst so zurückhaltende Fabian einen Einspruch. »Nein, in diesem Jahr möchte ich der Große Häuptling sein. Du könntest Adlerauge heißen.«

      »Abgemacht. Pünktchen heißt Punktegesicht …«

      »Nein. Wenn ich überhaupt mittue, dann heiße ich Schönes Haar.«

      »Meinetwegen.«

      »Wegen der Namen könnt ihr euch später auch noch streiten«, meinte Nick. »Zuerst sollten wir die Zelte errichten. Wir brauchen dazu Stöcke. Ich gehe mit den Jungen in den Wald und schneide welche ab. Wir müssen schöne lange und gerade aussuchen.«

      »Gut. Wir besorgen inzwischen die Decken«, antwortete Pünktchen.

      Als die Kinder mit der Errichtung von vier großen, allerdings etwas windschiefen Zelten fertig geworden waren, war der Vormittag vergangen. Die von den Mädchen herbeigeschafften Decken hatten nicht ganz ausgereicht, denn sie hatten für den Zeltbau nur alte Decken verwenden dürfen. Für das vierte Zelt hatten sie sich mit zwei Leinentüchern begnügen müssen.

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