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Lächeln wurde ein wenig starr. Sie wusste, dass Fürst von Großborn sich seit mehreren Monaten bei ihrem Vater um ihre Hand bewarb. Und sie wusste auch, dass ihr Vater sehr geneigt war, dem Wunsch nachzukommen.

      »Diana, darf ich um eine Auskunft bitten, wo du dich heute aufgehalten hast?«, fragte Fürst von Buchenhain mit seiner harten Stimme, die immer klang, als würde er einen Befehl erteilen, selbst wenn er eine Bitte aussprach.

      Diana senkte die Augenlider. Sie würde keines der Wunder, die sie an diesem Tag erfahren hatte, ihrem Vater und Friedrich von Großborn preisgeben.

      »Ich bin gewandert. Und – und ich habe in der Sonne gelegen. Das ist alles«, sagte sie leise und ohne aufzusehen.

      Ihr Vater sog hörbar die Luft ein. Was Diana ihm gestanden hatte, schien ihm ungeheuerlich. Als ob Wandern und Sonnenbaden einen ganzen Tag ausfüllen könnten, wenn ein Mensch nicht gerade ein Zigeuner war.

      Das Gesicht des alten Fürsten schien zu versteinern. Er fasste sich aber schnell und sagte, dass es Zeit sei, zu Abend zu essen.

      »Sie werden meiner Tochter und mir doch das Vergnügen bereiten und mit uns speisen?«, fragte er Friedrich von Großborn.

      Der junge Fürst verneigte sich kurz, um seine Zustimmung auszudrücken.

      *

      Der Tisch war für drei Personen im französischen Speisezimmer gedeckt worden. In diesem wundervollen, intimen kleinen Raum standen ausnahmslos Möbelstücke, die während der Regierungszeit Ludwig des Vierzehnten in Frankreich von einem der bedeutendsten Schreiner seiner Zeit hergestellt worden waren.

      Die anmutig geschwungenen Formen und die Kostbarkeit der verwendeten Hölzer und Seiden- und Brokatstoffe vermittelten den Eindruck von Eleganz und Leichtigkeit, die jene Zeit ausgezeichnet hatte.

      Das französische Speisezimmer wurde immer nur dann benutzt, wenn weniger als fünf Personen bei einer Mahlzeit zugegen waren.

      Auf einem silbernen Tafelaufsatz lagen die köstlichsten Käsesorten, die Frankreich, Deutschland und die Schweiz hervorbrachten.

      Fürst von Buchenhain schenkte seinem Gast und seiner Tochter tiefroten, uralten Burgunder in kostbare Gläser.

      »Ich hoffe, Sie entschuldigen die Kargheit unseres Mahls, Fürst«, bat er. »Ich habe dem Koch die Anweisung gegeben, an heißen Sommertagen abends nur Käse aufzutragen. Sicherlich hat unsere Küche aber auch andere Dinge zu bieten, wenn Sie es wünschen.«

      »O nein, Fürst. Ich nehme abends nie viel zu mir.«

      Diana aß außer einigen blauen Trauben, die neben dem Käse lagen, gar nichts. Sie dachte an den wundervollen Tag zurück. Ein sicheres Gefühl verriet ihr, dass Hubertus jetzt ebenfalls mit seinen Gedanken bei ihr war. Unbewusst lächelte sie.

      Ihr Vater und Friedrich von Großborn unterhielten sich über die neuesten Gesetze, die von der Regierung gerade verabschiedet worden waren. Diana hörte nicht zu.

      Marthe, eine Bedienstete, die seit über zwanzig Jahren auf Schloss Buchenhain lebte, brachte als Nachtisch Eis mit Rumfrüchten. Diana ließ auch ihren Nachtisch stehen.

      An diesem Abend erkannte Diana, dass sie nicht zu ihnen gehören wollte. Sie hatte die Freiheit, einen Hauch von Freiheit, kennengelernt. Und sie war wie berauscht von dieser Freiheit.

      »Der Abend ist so herrlich. Ich würde gern noch einen Spaziergang durch den Park machen«, sagte Friedrich von Großborn.

      »Ja, ich begleite Sie sehr gern, Fürst«, erklärte Diana.

      Sie traten aus dem Schloss. Die große Tür aus hellem Lindenholz hatte offengestanden.

      »Dieser Arkadengang an den Seitenbauten des Schlosses erregt jedes Mal wieder meine Bewunderung«, meinte Friedrich von Großborn.

      »Ja, ich liebe Buchenhain auch sehr. Es ist ein hübsches kleines Juwel.«

      Im Abendlicht wirkten die uralten Zypressen düster und mächtig. Diana und Friedrich gingen in jenen Teil des Parks, der halb verwildert hinter dem Schloss lag. Unter einer Zypresse fand Diana den abgefallenen Kopf einer Terrakottafigur, die ein Kind darstellte. Sie hob ihn auf und betrachtete ihn.

      »Ach, wie schade. Sehen Sie nur, Fürst, wie schön das Gesicht des Jungen aus Stein ist.«

      Diana berührte mit ihrer Wange die steinerne Wange der Figur.

      »Prinzessin Diana, ich muss Ihnen heute, jetzt, die Frage stellen, die ich seit langem in meinem Herzen bewege. Sie wissen, dass ich Sie seit langem verehre. Ich wage nicht, von Liebe zu sprechen aus Furcht, Sie zu erschrecken.«

      In Dianas schwarzen Augen war Angst zu erkennen. Sie hatte nicht erwartet, dass der Fürst ihr an diesem Abend einen Antrag machen würde. Sie hatte geglaubt, er würde noch warten.

      Friedrich ergriff ihre Hand, mit der sie den Knabenkopf hielt.

      »Ich habe bereits mit Ihrem Herrn Vater gesprochen. Er willigt ein, dass Sie meine Frau werden. Ich versichere Ihnen, dass meine Fürsorge Sie ein Leben lang begleiten wird. Ihr Herr Vater stimmt mit mir in dem Wunsch überein, dass wir bald unsere Verlobung bekanntgeben.«

      Diana zog ihre Hand fort, und der Knabenkopf fiel zu Boden. Er zerbrach in mehrere Stücke.

      Tränen schossen in ihre schönen Augen.

      Sie kniete nieder, um die Stücke zusammenzusuchen. Die Zypressen strömten einen harzigen Duft aus.

      »Diana!«

      Eine Träne rollte über Dianas Wange. Sie erhob sich und schüttelte heftig den Kopf.

      »Sie müssen verzeihen, Fürst, aber ich kann Ihnen mein Jawort nicht geben. Ich kenne Sie ja kaum. Wie kann ich es wagen, Ihnen zu schwören, ein ganzes Leben mit Ihnen zu verbringen.«

      Der Fürst lächelte. Es war bezaubernd, Diana zögern zu sehen. Das machte sie nur noch reizvoller.

      »Ihr Herr Vater hat Erkundigungen über mich eingezogen. Sie haben zu keinerlei Beunruhigungen Anlass gegeben, Fürstin.«

      »Oh, Sie verstehen nicht, was ich meine. Ich denke nicht an Sicherheiten, ich, ich liebe Sie nicht.«

      Friedrich von Großborn zeigte sich nachsichtig. Was die jungen Mädchen immer von der Liebe erwarteten. Welchen Träumereien sie nachhingen.

      »Sie werden mich schätzen lernen, Diana. Und Sie werden erkennen, dass Achtung und Vertrauen das höchste Gut bedeuten. Diana, nach unserer Verlobung werde ich Ihnen beweisen, dass ich Ihr Vertrauen und Ihre Achtung verdiene.«

      Diana legte ihre rechte Hand über ihre Augen. Weshalb quälte Friedrich von Großborn sie so und zwang sie, noch einmal zu wiederholen, was sie doch bereits gesagt hatte?

      »Ich kann nicht Ihre Frau werden, Fürst. Ich kann nicht. Nie, nein, nie!«

      Die Heftigkeit ihres Ausbruchs ließ Friedrich zurückschrecken. Es war nicht gut, wenn eine Frau zu viel Eigensinn besaß.

      »Ich will Sie nicht drängen, Prinzessin. Ich bin sicher, dass Sie Ihren Sinn ändern werden. Eine Bitte habe ich jetzt jedoch schon: Meine Mutter feiert am kommenden Wochenende ihren sechzigsten Geburtstag. Ihr Herr Vater hat bereits zugestimmt, dass Sie ihn begleiten werden, um auf Großborn an dem Fest teilzunehmen. Ich darf doch hoffen, dass Ihr Vater in Ihrem Sinne gesprochen hat?«

      Diana fühlte sich nicht fähig, eine Weigerung auszusprechen. Ihre anerzogenen Formen der Höflichkeit verboten ihr zu sagen, dass sie die Einladung nur zu gern ausschlagen würde.

      »Ich darf Sie auf Großborn erwarten?«

      Diana neigte den Kopf und sagte ganz leise: »Ja, Fürst, ich werde meinen Vater begleiten.«

      Der Ausdruck auf Friedrich von Großborns Gesicht wurde versöhnlicher. »Ich freue mich sehr. Meine Mutter hat mir vor kurzem berichtet, dass sie Sie vor Ihrer Abreise ins Internat zum letzten Male gesehen hat. Sie ist begierig darauf zu erfahren, was aus Ihnen geworden ist.«

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