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später in die Nähe Schloss Buchenhains kamen, begann Diana zu weinen. Vor Müdigkeit, vor Erschöpfung, vor Trauer. Und auch vor Heimweh.

      Nicht eine einzige Sekunde hindurch überlegte sie jedoch, ob sie einfach durch das hohe schmiedeeiserne Tor fahren sollte, um zu ihrem Vater zurückzukehren.

      Die »Höhle« lag vor der Kreisstadt. Diana zeigte dem Taxifahrer den schmalen Weg, der zum Gartenhaus führte. Auf den Wiesen, die im Sommer voller Blumen gewesen waren, lag nun tiefer, frischer Schnee.

      »Na, das ist ja nicht das richtige für den Winter«, stieß der Fahrer hervor.

      Er war jedoch so freundlich, Dianas Gepäck bis zur Tür des Häuschens zu tragen. Unschlüssig blieb er noch stehen. In der Hand hielt er das Geld, das Diana ihm gegeben hatte.

      »Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, Sie hier allein zu lassen«, murmelte er.

      Er legte seine Hand auf die Türklinke. Die »Höhle« war nicht verschlossen.

      »Also gut. Jeder ist seines Glückes Schmied«, meinte er abschließend und stapfte durch den Schnee zum Taxi zurück.

      Diana war in die »Höhle« getreten. Mit zitternden Händen versuchte sie, eine Kerze anzuzünden. Die Streichhölzer waren jedoch nass geworden.

      Ein kalter Wind blies durch die halb offen stehende Tür.

      Auf einem Stuhl neben dem Bett lag eine von Hubertus’ geflickten Jeans.

      Sie hob die Hose hoch, presste sie an ihre Wange und legte sich damit auf das Bett. Sie zog ihren Mantel nicht aus.

      Plötzlich wusste Diana, dass sie sterben würde. Vor unerfüllter Sehnsucht und vor Trauer, so wie ihre Mutter gestorben war.

      *

      Am späten Abend des gleichen Tages machte der Bauer, dessen Hof sich unweit der »Höhle« befand, und von dem Hubertus und Diana während des Sommers immer ihre Milch geholt hatten, seine Runde.

      Seit fünf Monaten führte ihn sein Weg nun schon jeden Tag zur Gartenhütte. Bella, der schöne Setter, begleitete seinen Herrn.

      Als er die Tür nur angelehnt fand, kratzte der Bauer sich am Kinn. Bella begann laut zu bellen und zwängte sich durch den Türspalt.

      Sie lief zu Diana und begann, in überschwenglicher Freude das Mädchen zu beschnüffeln und ihre erstarrte Hand zu lecken.

      »Komm, Bella, komm!«, rief der junge Bauer.

      Entsetzen hatte ihn beim Anblick der jungen Prinzessin gepackt. Er wagte nicht einmal nachzusehen, ob sie tot war oder vielleicht noch lebte.

      So schnell er konnte, lief er zurück nach Hause. Bella war bei der Prinzessin geblieben.

      Seit fünf Monaten hatte er den Auftrag des Fürsten von Großborn jeden Tag nachzusehen, ob Fürstin von Buchenhain in das Gartenhaus zurückkam, für eine Marotte gehalten.

      Da der Fürst ihn jedoch gut für seine Dienste bezahlte, hatte der Bauer den Auftrag jeden Tag erfüllt.

      Und nun lag sie wirklich im Gartenhaus. Ganz weiß im Gesicht. Waren die Lippen nicht schon blau gewesen?

      Mit zitternden Fingern wählte der Bauer die Telefonnummer, die Fürst von Großborn ihm gegeben hatte.

      Eine Bedienstete meldete sich und verband den Bauern gleich darauf mit dem Fürsten.

      Vor Aufregung vermochte der junge Bauer zuerst nur zu stottern. »Sie ist da – ja – aber ich weiß nicht – es ist kalt da, soll ich sie ins Bauernhaus holen?«, rief er gleich darauf aus.

      Friedrich von Großborn antwortete scharf: »Nein. Lassen Sie sofort einen Krankenwagen kommen.«

      »Aber sie ist doch schon tot, Fürst«, rief der Bauer gequält.

      Friedrich verstummte. Dann sagte er leise, so leise, dass der Bauer ihn kaum verstehen konnte: »Benachrichtigen Sie den Krankenwagen, bitte.«

      »Ja, Fürst. Ich werd es tun.«

      Sie legten auf, und der Bauer erfüllte die Bitte des Fürsten. Dann lief er wieder durch den Schnee zum Gartenhaus zurück, ohne die aufgeregten Fragen seiner Frau beantwortet zu haben.

      Bella saß noch immer neben Diana.

      Die Minuten, bis der Krankenwagen kam, vergingen dem Bauern unendlich langsam.

      Endlich hörte er Schritte im Schnee. Ein Arzt und zwei Sanitäter, die eine Trage zwischen sich hielten, liefen auf das Gartenhaus zu.

      Die Untersuchung des Arztes dauerte wenige Minuten.

      »Es ist keine Zeit zu verlieren«, sagte er knapp.

      Die Sanitäter hoben Diana auf die Trage und brachten sie zum Krankenwagen. Der Arzt lief hinter den Sanitätern her.

      Gleich darauf hörte der Bauer, wie ein Motor aufheulte. Er ging mit langsamen Schritten nach Hause zurück.

      Im Krankenhaus erfuhr Diana alle Fürsorge, die seit Monaten notwendig gewesen wäre. Aber nun war es vielleicht zu spät. Keiner der Ärzte und keine der Schwestern wussten zu sagen, ob sie noch gerettet werden konnte.

      Besonders eine der älteren Schwestern, die sich dem Fürstenhaus von Buchenhain sehr verbunden fühlte, weil ihre Mutter dort in ihrer Jugend als Köchin gearbeitet hatte, konnte es gar nicht fassen, dass die junge Prinzessin, letzte Erbin des uralten Geschlechtes, fast wie eine Vagabundin in einem Gartenhaus erfroren war, während sie ein Kind in sich trug.

      Eine Stunde nach Dianas Einlieferung ins Krankenhaus erschien ihr Vater.

      Fürst Friedrich von Großborn hatte ihn gleich nach dem Anruf des Bauern von allem unterrichtet, was er gehört hatte.

      Erschüttert, wortlos vor Schmerz und Trauer, stand der Fürst am Bett seines Kindes. Er glaubte seine tote Frau vor sich zu sehen.

      »Ich möchte meine Tochter gern mit nach Hause nehmen«, sagte er fast unhörbar.

      »Niemand weiß, ob die Prinzessin die nächste Nacht überstehen wird«, wandte der Professor ein.

      Der Fürst sah ihn an. Sein Gesicht wirkte plötzlich um Jahre gealtert.

      »Herr Professor, können Sie hier in der Klinik mehr für meine Tochter tun als ich auf Schloss Buchenhain?«

      »Wir können nur warten, Fürst.«

      »Dann warte ich auf Buchenhain. Und wenn mein Kind sterben muss, dann dort, wo es zu Hause ist.«

      Der Professor veranlasste den Transport der jungen Frau nach Schloss Buchenhain. Erst als der Krankenwagen mit Diana das Klinikgebiet schon verlassen hatte, fiel dem Professor ein, dass der Fürst gar nicht nach dem Leben des Kindes gefragt hatte.

      Der Professor seufzte auf. Er persönlich glaubte nicht daran, dass die Prinzessin noch länger als ein, vielleicht zwei Tage leben würde. Es war gut, dass Schwester Mathilde, eine erfahrene Kraft und Hebamme, mit nach Schloss Buchenhain gefahren war. Und schließlich trug der Fürst das Risiko. Es war ja seine Entscheidung gewesen, die Tochter mit nach Buchenhain zu nehmen.

      Eine Stunde, nachdem der Krankenwagen mit Diana nach Buchenhain gefahren war, erschien Fürst Friedrich von Großborn im Arztzimmer.

      Sein Gesicht wurde noch bleicher, als er erfuhr, dass Diana sich gar nicht mehr im Krankenhaus befand.

      »Ich erachte Ihre Entscheidung für unglaublich leichtsinnig!«, warf er dem Professor vor.

      Bevor der eine Antwort geben konnte, war Fürst von Großborn schon aus dem Zimmer gegangen.

      Seine überlegene Ruhe hatte ihn verlassen. Wenn Diana starb, so war auch er schuldig!

      *

      Zwei Wochen hindurch schwebte Diana zwischen Leben und Tod.

      Ihr Schlafzimmer glich einem kahlen Klinikraum.

      Schwester Mathilde hatte angeordnet, dass jedes überflüssige

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