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geformten Kopf, die kleinen Hände, die lebhaft herumfuchtelten.

      »So viel Haar hat er schon«, staunte Helmut, der erst da begriff, daß solch ein kleines Menschlein ein lebendiges Wunder war. Sein Sohn, den seine geliebte Andrea ihm geschenkt hatte. Vergessen war alle Angst.

      Dann aber mußte er doch daran denken, daß auch Sonjas Baby lebte, als es zur Welt kam und am nächsten Tag… Nein, er wollte nicht daran denken. In seinen Augen stand aber doch eine bange Frage, als Dr. Leitner sagte: »Es gibt wirklich nichts auszusetzen.«

      »Und gar nichts zu befürchten?« fragte er zweifelnd.

      »Ein Prachtkerlchen«, meinte Dr. Leitner lächelnd. »Genau untersucht und als makellos befunden. Sie können ruhig schlafen, Herr Sommer. Wie soll er denn überhaupt heißen?«

      »Andreas natürlich. Meine Frau meint zwar, daß der Vorname nicht mit dem Buchstaben schließen soll, mit dem der Nachname anfängt, aber wir werden ihn sowieso Andy nennen. Kann er auch nicht verwechselt werden?«

      »Ganz bestimmt nicht. Derzeit wäre es schon aus dem Grunde ausgeschlossen, weil wir nur Mädchen haben. Er ist Hahn im Korb. Vielleicht bleibt ihm das mal. Er wird bestimmt ein hübscher Junge.«

      »Hauptsache, er ist gesund und geht einen geraden Weg.«

      Das mochte wohl auch Erwin Rogner gedacht haben, als er endlich den ersehnten Sohn bekam. Nach dieser ersten großen Freude kamen Helmut schon ernste Gedanken, daß Vater zu sein weitaus schwerer war, als Vater zu werden. Und nicht alles würden sie verhindern können, vielleicht auch nicht alles richtig machen. Das Kind war ein Teil von ihnen, aber es würde heranwachsen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln, vielerlei Einflüssen ausgesetzt werden. Auch darüber mußten sich Eltern im klaren sein.

      *

      Am nächsten Tag benachrichtigte Helmut Sonja und Bernd, dann seine Schwiegereltern. Überrascht waren sie alle, auch ein bißchen gekränkt, daß sie nicht sofort informiert worden waren.

      Helmut meinte, daß sie sich eher erschrocken hätten, wenn mitten in der Nacht das Telefon geklingelt hätte, und in die Klinik hätten sie doch nicht kommen können.

      Sonja machte sich gleich auf den Weg. Bernd wollte seiner Schwägerin einen Besuch abstatten. Ihm war ein wenig bange, daß Sonja nun wieder in Depressionen verfallen könnte, doch solche Befürchtungen waren überflüssig. Sie zeigte ihrer Schwester ein frohes Gesicht und betrachtete den Kleinen voller Entzücken.

      Andrea atmete auf. Sie hat es überwunden, dachte sie.

      »Erzähl doch mal, warum es so schnell gegangen ist«, bat Sonja.

      »Ich war halt gut vorbereitet«, erwiderte Andrea.

      »Überhaupt keine Komplikationen?«

      »Keine. Ehrlich gesagt, war ich selbst überrascht, daß alles so schnell ging.«

      Von sich, von damals sprach Sonja nicht mehr. Andrea mußte aber doch daran denken, daß bei ihr alles ganz anders gewesen war. Das lange Warten mußte eine schlimme seelische Belastung gewesen sein. Im Nachhinein Dr. Kobelka dafür verantwortlich zu machen, brachte auch nichts mehr ein. Es blieb nur zu hoffen, daß Sonja nun wieder eine positive Einstellung gewinnen würde.

      Bernd bekam Herzklopfen, als Sonja das Büro betrat. »Süß ist er, so rosig und pumperlgesund. Und Andrea geht es blendend«, rief sie aus. »Das haben wir nun auch geschafft. Sie hat es geschafft, muß ich wohl sagen«, fügte sie hinzu. »Eine rühmliche Rolle habe ich dabei nicht gespielt, Bernd.«

      Er nahm sie ganz schnell in die Arme und gab ihr einen innigen Kuß. Er mochte nicht viel sagen, aber sie gab sich nicht nur Gedanken hin.

      »Am schlimmsten für mich wäre es gewesen, wenn ich auch noch deine Liebe verloren hätte, Bernd. Ich habe immer nur an mich gedacht, nicht daran, wie sehr ihr auch darunter leiden könntet. Jetzt werde ich die Eltern anrufen, damit sie nicht wieder an Vergangenes rühren, wenn sie Andrea besuchen.«

      Aber die waren nicht mehr zu erreichen. Sie waren auch schon auf dem Weg nach München und sich darüber einig, daß dieses glückliche Ereignis nicht überschattet werden sollte von den Gedanken, die auch ihnen das Leben schwergemacht hatten.

      Ganz groß war auch die Freude bei den Nordens und ebenso groß die Erleichterung, daß die Geburt so schnell und leicht vonstatten gegangen war.

      An diesem Tag sollte Dr. Norden aber auch eine weitere Freude erleben, denn Frau Zeisel zeigte sich in einem glückstrahlenden Gesicht. Mollig war sie zwar immer noch, aber angenehm mollig, und wie er von ihr erfuhr, hatte das auch schon der technische Zeichner im Architektenbüro Sommer festgestellt.

      »Wenn ich mein Normalgewicht erreicht habe, wird geheiratet«, erklärte sie. »Er war ja immer schon sehr nett zu mir, aber ich mußte erst mit meinen Komplexen fertig werden. Zehn Kilo muß ich noch abnehmen, dann passe ich wieder in meine alten Kleider.«

      »Fünf Kilo würden vorerst auch genügen«, meinte Dr. Norden lächelnd.

      »Zehn Kilo«, sagte sie energisch. »Wenn man eine Wohnung einrichten will, braucht man Geld. Da kann man nicht soviel für neue Kleider ausgeben. Und in einem halben Jahr werde ich es geschafft haben. Jetzt sehe ich ja schon, wie meine Massen dahinschmelzen. Es wird doch nicht wieder so schlimm werden, wenn ich ein Baby bekomme?« fragte sie dann aber beklommen.

      »Da verteilen sich die Rundungen ganz anders«, sagte Dr. Norden schmunzelnd. »Eine Schwangerschaft ist ein natürlicher Vorgang. Aber für Ihre Betreuung in solchem Fall ist dann der Gynäkologe zuständig.«

      »Ich werde natürlich auch zu Dr. Leitner gehen. Es ist ja kaum zu glauben, welches Wunder er bei Frau Sommer vollbracht hat. Und der Kleine ist wonnig. Da kommt man schon auf den Geschmack, und man weiß auch, warum man zunimmt.«

      Sie nahm es mit Humor, und auch das war eine große Hilfe. Die Voraussetzung für jede Genesung war die positive Einstellung des Patienten. Immer wieder hatte Dr. Norden diese Erfahrung gemacht. Nun fragte er sich nur, ob auch ein Kind schon eine positive Einstellung gewinnen konnte. Freilich dachte er dabei zunächst an Achim Rogner.

      *

      Karlchen genoß indessen unbeschwert das herrliche Leben auf der Insel der Hoffnung. Für ihn war jeder Tag Sonntag. Immer gab es gutes Essen, nie wurde er beschimpft oder gar geschlagen, und er hatte eine Mutter, die sogar wieder lachen konnte.

      So unermüdlich war sie bei der Arbeit, daß Anne Cornelius manchmal bremsen mußte. Dank hatten sie gewiß von vielen geerntet, aber Frau Schindelbecks Leben bestand nur noch aus Dankbarkeit. Gearbeitet hatte sie zeitlebens, Dank hatte sie nie geerntet, auch Liebe nicht. Den Glauben, den sie längst verloren hatte, gewann sie nun wieder.

      Doch nicht für sie allein war aus dem schrecklichen Unglück das große Glück erwachsen. Auch Tini und Rainer Bichler sollte es beschert werden.

      Martin Bichler hatte auf der Insel der Hoffnung Kräfte gesammelt, um an der Hochzeit seines einzigen Sohnes teilnehmen zu können. Er hatte nicht daran glauben wollen, daß Rainer seine Tini, an die er sein ganzes Herz gehängt hatte, zum Traualtar führen könnte. Er hatte auch nicht daran geglaubt, daß Rainer das Geschäft übernehmen würde.

      Er hatte sich mit Sorgen und Kummer geplagt, die sich als überflüssig erwiesen. Und so war er während der Wochen auf der Insel der Hoffnung zu der Erkenntnis gekommen, daß es müßig sei, sich immer nur Sorgen um die Zukunft zu machen. Jeden Tag mußte man genießen, der einem geschenkt wurde.

      Auch sein Leben war Mühe und Arbeit gewesen, aber er hatte eine gute, liebevolle Frau, einen Sohn, auf den er stolz sein konnte. Er hatte etwas geschaffen, was Rainer nun fortführen würde, und er, davon war Martin Bichler überzeugt, hatte auch die richtige Frau gefunden.

      Warum sollte er sich nun in den Gedanken verbohren, was in fünf Jahren sein würde? Sollte er etwa jeden Tag daran denken, daß er dann erst Gewißheit bekommen würde, ob die Operation wirklich den Erfolg hatte, den die Ärzte erhofften? Du lieber Gott, es konnte auch anders kommen, und wieviel konnte er bis dahin versäumen.

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