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ich muß mich beeilen.«

      Helmut wäre lieber geblieben, aber das war nicht möglich. Er konnte seinen Beruf nicht vernachlässigen. Er hatte ein paar gute Aufträge bekommen, und das war bei der gespannten Wirtschaftslage eine große Beruhigung für ihn. Schließlich mußten sie sich noch nach der Decke strecken.

      Er konnte nur hoffen, daß sich Andrea nicht wieder irritieren ließ, denn Sonja hatte alles andere als einen optimistischen Eindruck gemacht.

      Ihm tat Bernd schon sehr leid, denn er war ein lebenslustiger Mensch. Das leergebliebene Kinderzimmer, das er mit viel Liebe eigenhändig eingerichtet hatte, war ohnehin schon zum Alptraum für ihn geworden.

      Andrea und Sonja hatten von jeher ein sehr herzliches Verhältnis zueinander gehabt. Ihre Eltern lebten in Mittenwald, und so waren sie glücklich gewesen, daß sie durch ihre Heirat beide nach München verschlagen wurden.

      Helmut dachte allerdings manchmal, daß es besser gewesen wäre, wenn sie weiter entfernt voneinander wohnen würden.

      Andrea dachte nicht so. Sie freute sich auch über Sonjas Besuch, obgleich Sonja gleich wieder voller Besorgnis fragte, ob ihr auch wirklich wohl sei.

      »Du siehst ein bißchen blaß aus«, stellte Sonja fest.

      »Ach, das täuscht, ich habe gerade eine halbe Stunde geschlafen«, sagte Andrea.

      »Muß denn Helmut noch mal weg? Es ist doch schon ziemlich spät«, sagte Sonja nun mit einem anzüglichen Unterton.

      »Er hat noch eine Besprechung. Er muß sich nach den Auftraggebern richten. Wir sind froh, daß es zügig weitergeht«, erwiderte Andrea.

      »Es fehlte gerade noch, daß ihr auch finanzielle Sorgen hättet«, meinte Sonja. »Du müßtest mir das sagen. Wir könnten euch schon unter die Arme greifen.«

      »Das ist wirklich nicht nötig, Sonja. Vielen Dank, aber wir kommen sehr gut zurecht. Hin und wieder gibt es halt mal Schwierigkeiten, aber Helmut ist sehr tüchtig. Es spricht sich herum. Wir können recht optimistisch in die Zukunft blicken.«

      »Wenn nur das Baby erst da wäre«, sagte Sonja seufzend.

      »Es ist alles in bester Ordnung. Ich war bei Dr. Leitner. Er hat eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Etwa sechs Pfund wird unser Baby wiegen.«

      »Du glaubst an diesen Schmarrn? Wieso Dr. Leitner? Wirst du Dr. Kobelka untreu? Das wäre sehr peinlich für mich und die Eltern.«

      »Setz dich erst mal hin, Sonja«, bat Andrea. »Du mußt dich nicht gleich aufregen. Dr. Kobelka ist heute gestorben.«

      »Gestorben?« fragte Sonja fassungslos. »Wieso das?«

      »Er war krank. Aber ich wäre doch zu Dr. Leitner in die Klinik gegangen. Es ist einfach alles anders. Man gewinnt mehr Vertrauen. Ich habe gesehen, wie sich mein Baby bewegt.«

      »Du spinnst ja«, platzte Sonja heraus. »Du hast dir was einreden lassen.«

      »Nein«, erwiderte Andrea ruhig, »ich konnte es auf dem Bildschirm sehen. Und Dr. Leitner hat mir auch erklärt, wie man sich vor diesen Angstpsychosen schützen kann, oder wie man ihrer Herr wird. Du solltest auch einmal zu ihm gehen.«

      »Ich denke gar nicht daran. Ich lasse mir nicht solchen Quatsch einreden. Erst wird einem Mut gemacht, und dann kommt das dicke Ende nach. Kobelka hat auch immer gesagt, daß ich mir keine Sorgen machen brauche, und dann bin ich ohne Kind heimgegangen.« Sie schluchzte auf.

      Heftiges Mitleid erfaßte Andrea wieder. »Sonja, Kobelka ist tot, aber man sollte doch überlegen, ob er nicht etwas falsch gemacht hat mit seinen veralteten Methoden.«

      »Hat das dieser Dr. Leitner gesagt? Vielleicht aus Futterneid? Will er vielleicht Dr. Kobelkas Berufsehre jetzt noch in den Dreck ziehen, wo er tot ist? Du läßt dich leicht beschwatzen.«

      Andrea richtete sich auf. »Nein, ich lasse mich nicht beschwatzen, jetzt nicht mehr, Sonja«, erwiderte sie ruhig. »Immer wieder hast du mir erzählt, was alles passieren kann und wie schnell jede Aufregung schaden könnte. Ich bin schon in Panik geraten, wenn das Telefon geläutet hat. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr freuen, weil du mir dauernd geschildert hast, wie es bei dir war. Ich habe noch sieben Wochen, und die möchte ich unbeschwert verbringen. Und du solltest dich endlich einmal von den pessimistischen Gedanken befreien, anstatt dich immer mehr in diese Depressionen hineinzusteigern. Du machst dir das Leben schwer und Bernd auch.«

      Sonja sprang auf. »So hat man dich also beeinflußt. Aufgehetzt hat man dich gegen Dr. Kobelka und auch gegen mich«, rief sie erregt. »Aber ich werde deine Kreise nicht mehr stören. Das wolltest du mir wohl auch zu verstehen geben.«

      »Sonja, ich bitte dich, sei nicht so aggressiv. Laß uns mal vernünftig reden. Du kannst doch noch mehrere Kinder haben.«

      »Nein«, fiel ihr Sonja ins Wort, »nein und abermals nein. Das mache ich nicht noch einmal mit. Neun Monate plagt man sich herum für nichts und wieder nichts.«

      »Können wir nicht ruhig darüber sprechen?« machte Andrea einen weiteren Versuch. »Geh doch auch mal zu Dr. Leitner. Sprich mit ihm. Laß dich untersuchen. Man kann doch so viel tun und auch selbst dazu beitragen, daß es nicht zu Komplikationen kommt.«

      »So, was denn noch, was ich nicht getan hätte? Ich habe nicht geraucht, nicht getrunken, und es verlief ja anscheinend auch alles normal. Da hat man dich mit Weisheiten gefüttert, und plötzlich wirst du übermütig.«

      »Ich werde nicht übermütig. Ich bin nur ruhiger geworden, und diese Ruhe lasse ich mir nicht mehr nehmen, durch kein Gerede.«

      »Ich gehe ja schon«, sagte Sonja aufgebracht. »Ja, ich gehe. Ich werde dir nicht mehr auf die Nerven fallen. Ihr habt euch alle gegen mich verbündet. Bernd steckt mit euch unter einer Decke. Ich lasse mich scheiden, damit du es weißt.«

      Andrea erschrak. »Du weißt nicht, was du redest, Sonja«, sagte sie, nun doch wieder in Erregung geratend.

      »Oh, ich weiß es. Ich habe es satt, mir Vorhaltungen machen zu lassen. Es wird schon der Tag kommen, an dem du mich verstehen wirst.«

      Nein, dachte Andrea, und es wurde ihr dabei schwarz vor Augen. Mein Kind lebt, ich spüre es, und es wird am Leben bleiben. Ich glaube daran.

      »Ich habe dich immer zu verstehen versucht, Sonja«, sagte sie, »jetzt kann ich es nicht mehr. Ich habe mit Ärzten gesprochen, zu denen ich Vertrauen habe. Zerstöre es nicht, sonst bist du schuld, wenn ich diese Wochen nicht mehr durchstehe.«

      »Diese Schuld lasse ich mir nicht zuschieben«, entgegnete Sonja. »Alles Gute, Andrea. Ich werde mich nicht mehr melden.«

      Und sie ging. Andrea starrte auf die Tür, hinter der sie verschwunden war, ihre Schwester Sonja, der sie sich immer und zu jeder Zeit verbunden gefühlt hatte, deren Schmerz sie teilte und auf deren Verständnis sie vertraute.

      Sie ist krank, dachte sie, sie ist wirklich krank, sonst könnte sie nicht so reden.

      Andreas Herz schlug wie ein Hammer, als die Haustür zufiel. Sie hatte gedacht, daß Sonja sich besinnen und doch zurückkommen würde. Aber sie kam nicht zurück. Mit aufheulendem Motor fuhr ihr Wagen davon.

      Andrea ging zum Fenster und starrte hinaus. Gönnt sie mir das Kind nicht? ging es ihr durch den Sinn. Will sie, daß ich es auch verliere? Aber so kann sie doch nicht denken. Sie ist doch meine Schwester. Wir haben uns immer gut verstanden. Sie preßte ihre Hände auf den gewölbten Leib.

      »Ich will mich nicht aufregen«, sagte sie, »mein Kind soll es nicht spüren.«

      Sie dachte an alles, was Dr. Leitner ihr gesagt hatte, und sie wurde ruhiger. Eine wunderbare Erleichterung kam über sie, da sie diese aufkeimende Angst bewältigen konnte.

      Dann konnte sie auch wieder ruhiger denken. Ja, sie mußte nicht nur an sich und das Kind denken, sondern auch an Sonja. Sie konnte nicht einfach darüber hinweggehen, daß sie erstmals im Zorn auseinandergegangen waren. Sicher brauchte Sonja Hilfe, aber wie konnte man ihr helfen?

      Mir

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